3. Zustände der Gegenwart in Verwaltung u. Ordnung von Staat u. Gemeinde. 121
Der Umfang der Staatsverwaltung läßt sich erkennen aus der Benennung der neun Ministerien: 1. Ministerium des Innern, 2. Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, 3. Kriegsministerivm, 4. Finanzministerium, 5. Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten,
6. Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten,
7. Justizministerium, 8. Ministerium für Handel und Gewerbe, 9. Ministerium der öffentlichen Arbeiten (wie Eisenbahn- und Bauwesen).
Der erste Beamte nach dem Minister ist der Unterstaatssekretär. Die Ministerien zerfallen in mehrere Abteilungen, deren Geschäfte ein Ministerialdirektor leitet. Manchmal bezeichnet schon der Name die Amtszweige, wie Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. Die Abteilung für Unterrichtsangelegenheiten zerfällt in drei Unterabteilungen: für Hochschulen, für Höhere Schulen, für Volksschulen.
Unabhängig von den Verwaltungsbehörden ist das Gerichtswesen. Die Gerichte zerfallen in Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte. In einem Kreise sind ein oder mehrere Amtsgerichte, durchschnittlich kommt auf einen Regierungsbezirk ein Landgericht und auf eine Provinz ein Oberlandesgericht. Die Rheinprovinz hat wegen ihrer großen Einwohnerzahl zwei Oberlandesgerichte, eins in Cöln und eins in Düsseldorf. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig.
Die Zugehörigkeit Preußens zu einem großem Staatsganzen, dem Deutschen Reiche, seine Rechte und Pflichten darin, ist in dem Abschnitt über die Reichsverfassung zum Ausdruck gekommen. (S. 98 f.)
Die Kosten der Gemeinde-, Staats- und Reichsverwaltung werden durch Steuern aufgebracht. Den Stadt- und Landgemeinden sind hauptsächlich die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern, dem Staat die direkten Einkommensteuern, dem Reich die indirekten Steuern überwiesen. Manche Gemeinde erzielt Einnahmen ans Gas- oder Elektrizitätswerken, Wasserleitungen, Straßenbahnen; der Staat aus den eignen Bergwerken in Oberschlesien und im Saargebiet, aus Domänen und Forsten, aus dem Eisenbahnbetrieb, das Reich aus der Post- und Telegraphenverwaltung, der Eisenbahnverwaltung in Elsaß-Lothringen. Den Rest decken die Matrikulorbeiträge der Einzelstaaten.
Werden größere Anlagen ausgeführt, die aus den Steuern eines Jahres nicht gedeckt werden können, z. B. Bau eines Krankenhauses, einer Eisenbahn, eines Kanals, so wird eine Anleihe gemacht, die nach Ablauf eines großem Zeitraums durch erhöhte Zinszahlung zurückgezahlt wird. Solche Anleihen werden in der Reget nur gestattet, wenn es sich um Anlagen handelt, die auch der Nachwelt zugute kommen. Gemeinden, Staat und Reich können Anleihen machen; gleichzeitig muß aber festgesetzt werden, auf wieviel Jahre sich die Zurückzahlung erstreckt.
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6. Der Reichsdeputationshauptschluß.
21
Krieges durch englische Seetruppen besetzt worden waren. Damit war auch der zweite Koalitionskrieg zugunsten Frankreichs entschieden.
Der Friede zu Amiens hatte zur Folge, daß Bonaparte durch Senatsbeschluß und Volksabstimmung zum Konsul aus Lebenszeit ernannt wurde.
6. Der Reichsdeputationshauptschlutz.
In den Friedensschlüssen zu Campo Formio und Luneville war bestimmt worden, daß die Fürsten des linken Rheinufers sür ihre Abtretungen an Frankreich entschädigt werden sollten. Der Kongreß zu Rastatt in Baden brachte kein Ergebnis. Die Ermordung zweier französischer Gesandten führte die Auslösung herbei. Bis heute ist nicht aufgeklärt, wer die Täter und wer die Anstifter dieses Frevels gegen das Völkerrecht gewesen sind. Nach dem Frieden zu Luneville wurden die Verhandlungen in Regensburg durch eine Reichsdeputation festgesetzt. Der Wille Bonapartes war auch hier ausschlaggebend. Als Entschädigungen wurden die Länder der geistlichen Fürsten und die Reichsstädte verwandt. Nur der Erzbischof Dalberg von Mainz behielt ein Fürstentum im Gebiet der Städte Regensburg, Aschaffenburg und Wetzlar und den Titel Kur- und Erzkanzler; Hamburg, Bremen, Lübeck, Frankfurt am Main und Nürnberg behielten ihren Charakter als Freie Reichsstädte.
Preußen bekam die Bistümer Paderborn und Hildesheim, einen Teil des Bistums Münster, Erfurt, das Eichsfeld, mehrere Freie Städte und Abteien. Österreich erhielt die Bistümer Brixen und Trient in Tirol. Die Entschädigungen der übrigen Staaten können übergangen werden.
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5. Napoleon auf der Höhe der Macht.
29
Als Österreich im Jahre 1809 den Krieg gegen Napoleon begann, rückte er eigenmächtig mit seinem Regiment aus Berlin, eröffnete den Offizieren unterwegs seinen Plan, zu den Österreichern zu stoßen, jedoch so, daß diese glaubten, er handle im Auftrage des Königs. Der König verurteilte dagegen sein eigenmächtiges Vorgehen, der Zuzug aus Norddeutschland, aus den er gehofft hatte, blieb aus; dazu kam die Nachricht von der Niederlage der Österreicher bei Wagram, wodurch sein Unternehmen vereitelt wurde. Er schlug sich mit seiner Schar bis Stralsund durch und hoffte, von dort sich nach England retten zu können. Dies gelang nicht. Stralsund war von Dänen und Holländern, Napoleons Verbündeten, besetzt. Gegen deren Übermacht nahm er den Kamps auf und fiel mit den meisten seiner Truppen. Elf überlebende Offiziere wurden nach Wesel gebracht und dort auf Napoleons Befehl erschossen; der Rest der Truppen wurde zu französischen Galeerensklaven gemacht.
Herzog Wilhelm von Braunschweig, der Sohn des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, zog gleichfalls mit einer tapfern Schar schwarzer Husaren, der sogenannten Schwarzen Schar, den Österreichern zu Hilfe und schlug sich nach deren Niederlage mit unglaublicher Kühnheit durch feindliche Länder und Heere bis zur Nordsee durch, wo er sich mit seinen Gefährten nach England einschiffte, um dort günstigere Zeiten abzuwarten. Zu Beginn der Freiheitskriege kehrte er zurück, stellte den Verbündeten ein ansehnliches Heer und starb im Jahre 1815 den Heldentods
5. Napoleon auf der Köhe der Macht.
Nach der Niederwerfung Österreichs stand Napoleon aus der Höhe seiner Macht. Frankreich hat nie einen größern Länderbesitz gehabt. Das Kaiserreich ging bis an den Rhein; Belgien, Holland, die Jllyrischen Provinzen gehörten dazu; es beherrschte nach der Einverleibung von Oldenburg, Nordhannover, Bremen und Hamburg die ganze Nordsee, hatte durch Lübeck Zugang zur Ostsee; Ober- und Mittelitalien einschließlich des Kirchenstaates bildeten ein abhängiges Vasallenkönigreich; abhängig waren ferner die Königreiche Neapel und Westfalen, das Großherzogtum Warschau, die Schweiz, sämtliche deutsche Fürsten als Rhein-bundsürsten mit Ausnahme von Preußen und Österreich. Diese hatten ihre Großmachtstellung eingebüßt. Um den Besitz Spaniens wurde noch gekämpft. Mit Rußland bestand ein Schutz- und Trutzbündnis. Die Kontinentalsperre brachte England bedeutende Nachteile. Aber das Insel-reich war noch unbezwungen und hatte seinen Vorrang zur See behauptet.
Die innere Verwaltung Frankreichs war streng geregelt. Napoleon hatte ein scharfes Auge für die Auswahl seiner Beamten und Generale. Ein bürgerliches Gesetzbuch, der Code Napoleon, hatte der Rechtsunsicherheit ein Ende gemacht. Die bezwungenen Völker trugen die Kosten seiner Kriege. In der Baukunst wich der Zopfstil, der das Zeitalter Ludwigs X'v I.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleons Napoleons Wilhelm_von_Braunschweig Wilhelm Ferdinand_von_Braunschweig Ferdinand Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Norddeutschland England Stralsund Napoleons Wesel Napoleons Nordsee England Frankreich Rhein Belgien Holland Oldenburg Nordhannover Bremen Hamburg Ostsee Mittelitalien Neapel Westfalen Warschau Spaniens England Frankreichs
6. Reformen in Preußen.
31
gestanden hatten, wurden nun frei. Sie konnten selbst Land erwerben, Handel und Gewerbe treiben und bei Fleiß und Sparsamkeit es zu einem
gewissen Wohlstände bringen. ,
Die Städte sollten von nun an ihre Verwaltung selbst fuhren, damit die Bürger Anteil an dem Aufblühen der Städte nähmen. Eine neue Städteordnung wurde 1808 erlassen, deren Grundzüge sind:
1 An die Stelle des von der Regierung ernannten tritt der von den Stadtverordneten gewählte Bürgermeister. Der Bürgermeister verwaltet die Stadt nicht im Aufträge des Staates, sondern der Bürgerschaft, die ihn gewählt hat. Der Staat behält sich nur ein Oberaufsichtsrecht vor, um die Bürger gegen Übergriffe des Bürgermeisters zu schützen. ,r ,
2. Der Bürgermeister ist nicht allein Verwalter der Stadt, sondern ihm stehen andre Personen, die ebenfalls von der Bürgerschaft gewählt sind, zur Seite; diese heißen Magistratspersonen, und sie bilden mit dem Bürgermeister zusammen den
Magistrat. .
3. Das Recht, Beschlüsse zu fassen, hat nicht der Magistrat, sondern dre Stadtverordnetenversammlung. Der Magistrat hat die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung auszuführen.
4. Der Magistrat hat keine richterliche Gewalt mehr, wie früher. Nur der Übertretungen von Polizeivorschriften kann er geringe Strafen verhängen. Gegen jede vom Bürgermeister oder Magistrat verhängte Polizeistrafe kann der Bürger bei dem Königlichen Gericht Berufung einlegen.
5. Die Stadtverordnetenversammlung wird von allen stimmfähigen Bürgern gewählt. Stimmfähig ist jeder Bürger, der gerichtlich nicht schwer bestraft ist, das 26. Lebenjahr erreicht hat und Steuern bezahlt. Jeder dieser Bürger kann auch ut den Stadtrat und in den Magistrat gewählt werden. Die Wahl ist insofern beschränkt, als zwei Drittel der Stadtverordneten Hausbesitzer in der Stadt sein müssen.
6. Zünfte und andre Korporationen verlieren das Recht, Stadtverordnete als Vertreter ihrer Zunft oder Korporation zu wählen. Die Stadtverordneten sind Vertreter der ganzen Bürgerschaft. Sie haben aber von dieser keine Verhaltungsmaßregeln für ihre Abstimmung entgegenzunehmen.
7. Die Gutsherrschaften verlieren das Recht, Stadtverordnete oder Stadtbeamte zu bestätigen.
8. Die Steuerbefreiungen hören auf. Geistliche und Volksschullehrer blieben mit Rücksicht auf die damalige geringe Besoldung frei von Gemeindesteuern.
9. Es gibt nur ein Bürgerrecht in der Stadt; der Unterschied zwischen Groß-und Kleinbürgern hört auf.
10. Das städtische Vermögen ist nicht Staats vermögen, sondern Stadtvermögen. _
11. Die Städte zerfallen in große, mittlere und kleine Städte. Kleine Städte sind solche, die weniger als 3500 Einwohner haben, große, die 40000 und mehr Einwohner haben.
12. Die erste Magistratsperson in großen Städten wird Oberbürgermeister genannt, in mittlern und kleinen Städten Bürgermeister.
13. In kleinen Städten besteht die Stadtverordnetenversammlung aus 24 Mitgliedern, in mittlern und großen Städten mehr, je nach der Bevölkerung.
14. Die Stadtverordneten und städtischen Beamten führen ihr Amt als Ehrenamt unentgeltlich auf die Dauer von 6 Jahren. Dann treten sic ab, können aber wiedergewählt werden. Nur wenn das Amt die ganze Arbeitszeit eines Mannes beansprucht, darf er dafür besoldet werden. Dazu gehören die Bürgermeister und
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2. Freiheitliche Bewegungen in Deutschland.
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jeder freiheitlichen Regung. Die Gesandten der größern deutschen Staaten kamen in Karlsbad zu einer Beratung zusammen. Deren Ergebnis waren die sogenannten Karlsbader Beschlüsse. Sie betrasen:
Überwachung der Universitäten, der Presse und demagogischer Verbindungen.
Die Universitäten wurden unter die Aufsicht eines Regierungskurators gestellt, der sowohl die Vorlesungen der Professoren als auch das Verhalten der Studenten überwachte. Die Burschenschaften wurden verboten.
Alle täglich erscheinenden Blätter, heftweise erscheinenden Schriften und solche, die weniger als zwei Druckbogen umfaßten, bedurften vor der Drucklegung der Genehmigung der Landesbehörde.
Eine Kommission, die in Mainz ihren Sitz hatte, sollte nach den Urhebern staatsgefährlicher Umtriebe und demagogischer Verbindungen forschen und für deren Bestrafung Sorge tragen.
Jahn, der manchmal unvorsichtig in seinen Äußerungen war, wurde auf die Festung Küstrin gebracht; Schleiermacher mußte sich auf Ehrenwort verpflichten, Berlin nicht zu verlassen, und Arndt wurde seiner Professur in Bonn entsetzt. Joseph Görres, der am Rheine durch seine Zeitung „Rheinischer Merkur" freiheitliche Ideen verkündete, entzog sich der Verhaftung durch die Flucht nach Frankreich.
Die Bundestagsbeschlüsse von 1832. Auf der Ruine des Schlosses Hambach in der Rhempsalz1) fand im Jahre 1832 eine große Volksversammlung statt. Hier wurden Reden gegen die Fürsten gehalten, die Proklamierung einer deutschen Republik gefordert. In Frankfurt erstürmten im folgenden Jahre einige junge Doktoren und Studenten die Wache. Diese Ereignisse gaben Veranlassung zu neuen Bundestagsbeschlüssen „zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe".
Infolge dieser Bestimmungen waren alle politischen Vereine verboten; Volksversammlungen und Volksfeste durften nur mit höherer Genehmigung stattfinden. Der Bundestag setzte eine neue Demagogenverfolgung ins Werk, der viele Studenten zum Opfer fielen. In Preußen wurden 39 Burschenschafter, darunter Fritz Reuters) zum Tode verurteilt; der König begnadigte sie zu Festungshaft. Die Teilnehmer an dem Ham-bacher Feste waren meist friedliche Bürger, die mitliefen und mitschrien, aber an einen Umsturz der bestehenden Staatsordnung nicht dachten.3)
x) Bei Neustadt a. d. Hardt.
2) Vgl. Ut mitte Festungstid-
®) Ein unverdächtiger Zeuge, Fritz Reuter, erzählt über den Grund seiner Verhaftung: „De sogenannte Referent in uns' Sak, de Herr von Tschoppe, de ut de Akten den gruglichen Hochverratskonat (— Versuch) ritte dresselt hadd, was wahnsinnig un sturw of as en Wahnsinnige. Den hadden sei tau rechter Tid inspunnen sullt, denn rotrett Düsende von Familien vor unnütz Elend un Angst bewahrt
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70 Iv. König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen und seine Zeit.
Die gesetzgebende Gewalt. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und den Landtag der Monarchie ausgeübt. Der Landtag zerfällt in zwei Kammern; diese heißen das Herrenhaus und das Haus der Abgeordneten.
Das Herrenhaus. Das Herrenhaus besteht aus den volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, aus Mitgliedern mit erblicher Berechtigung und aus gewählten Vertretern. Zu den erbberechtigten Mitgliedern gehören die Häupter der fürstlichen Familien von Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen, die ehemals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen, deren Länder an Preußen gekommen sind. Die gewählten Mitglieder vertreten die Domkapitel, die Universitäten und die großen Städte. Die gewählten Vertreter bedürfen der Bestätigung des Königs. Außerdem hat der König das Recht, einzelne Personen aus besondern: Vertrauen in das Herrenhaus zu berufen.
Das Abgeordnetenhaus. Das Haus der Abgeordneten besteht aus 443 freigewählten Vertretern des Volkes. Jeder Preuße, der das 24. Lebensjahr erreicht hat und die bürgerlichen Rechte besitzt, ist stimmberechtigter Urwähler. Die Urwähler eines Ortes werden nach Maßgabe ihrer Steuerzahlung in drei Klassen eingeteilt. Jede Klasse wählt gleichviel Wahlmänner. Die Wahlmänner treten im Hauptorte des Wahlbezirks zusammen und wählen die Abgeordneten. Eine königliche Bestätigung der so gewählten Abgeordneten ist nicht erforderlich.
Auf königliche Berufung versammeln sich die Mitglieder des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses alljährlich in Berlin zur Beratung und Beschlußfassung über die vorgelegten Gesetzentwürfe. Die Sitzungen beider Versammlungen sind öffentlich, d. h. die Bürger dürfen auf den Tribünen zuhören, soweit die Plätze reichert.1)
Das Recht, Gesetzesvorschläge zu machen, steht sowohl dem Ministerium in Vertretung des Königs als auch den Mitgliedern der beiden Kammern zu. Zur Gültigkeit eines Gesetzes ist erforderlich, daß es sowohl im Herrenhause wie im Abgeordnetenhause die Mehrzahl der Stimmen erlangt hat. Das so angenommene Gesetz bedarf der Bestätigung des Königs. Wird eine dieser drei Bedingungen nicht erfüllt, so kommt das Gesetz nicht zustande.
Die vollziehende Gewalt. Die vollziehende Gewalt steht allein dem Könige zu. Dazu gehören die Ernennung und Entlassung der Minister, die Bekanntmachung der Gesetze, der Oberbefehl über das Heer, das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, das Recht der Begnadigung und Strafmilderung, die Verleihung von Orden, das Münzrecht, die Berufung und Schließung des Landtages.
Das Richteramt. Der König ist nicht mehr, wie früher, oberster Richter. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch
*) Die Platzkarten werden vom Portier unentgeltlich gegeben.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_Iv Friedrich Wilhelm
5. Die Deutsche Nationalversammlung.
71
unabhängige und unabsetzbare Richter ausgeübt. Die Richter werden vom König ernannt.
Die Finanzen. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen sür jedes Jahr im voraus veranschlagt und aus den Staatshaushaltsetat gebracht werden. Dieser wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.
5. Die Deutsche Nationalversammlung.
Gleichzeitig mit der Preußischen tagte in Frankfurt am Main die Deutsche Nationalversammlung. Auf Grund freier Wahlen in allen deutschen Staaten war sie zustande gekommen. Zu ihr gehörten die klangvollsten Namen aus ganz Deutschland: Ernst Moritz Arndt, Jakob Grimm, die Geschichtsforscher Dahlmann, Droysen, Raumer; ferner Ludwig Uhland, der hessische Minister Heinrich von Gagern, der preußische Rechtsgelehrte Eduard Simson.
In der Paulskirche wurden die Sitzungen abgehalten. Heinrich von Gagern war ihr erster Präsident. Als Aufgabe betrachtete sie, das Deutsche Reich wiederherzustellen und eine Verfassung dafür auszuarbeiten. Zunächst wurde Erzherzog Johann von Österreich, der aus den Befreiungskriegen her bekannt ist, zum Reichsverweser erwählt. Er nahm die Wahl an und hielt seinen Einzug in Frankfurt. Der Bundestag, die Vertretung des Deutschen Bundes, löste sich auf. Es wurden ein Reichsministerium gebildet, Reichssteuern ausgeschrieben, der Anfang zu einer Reichsflotte durch freiwillige Spenden gemacht. Die Hauptschwierigkeit lag in der Schaffung des Reichsheeres. Der Reichsverweser hatte kein Erbland, er war auf die Truppen der deutschen Fürsten angewiesen. König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen erklärte, die preußischen Truppen würden dem Reichsverweser gehorchen, so oft ihr oberster Kriegsherr, der König, sie unter dessen Befehl stellen werde. Auch die übrigen großem Staaten Deutschlands wollten das Verfügungsrecht über ihre Heere behalten. Hier erwies sich, wie unpraktisch es gewesen war, einen Fürsten ohne eignen Länderbesitz an die Spitze des Reiches zu stellen. Deshalb wollte die Nationalversammlung jetzt einem regierenden deutschen Fürsten die erbliche Kaiserwürde antragen. Zwei Parteien traten gegenüber, die kleindeutsche und die großdeutsche. Diese wollte den Kaiser von Österreich als Reichsoberhaupt haben, jene den König von Preußen unter Ausschluß Österreichs. Die kleindeutsche Partei behielt die Oberhand. Friedrich Wilhelm Iv. wurde 1849 zum erblichen Deutschen Kaiser gewählt. Der König lehnte die Wahl ab, weil er die Versammlung nicht für zuständig hielt, die Kaiserwürde „ohne das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der Fürsten und Freien Städte Deutschlands"*) zu verleihen. In einer Proklamation an das preußische Volk wiederholte der
1) Aus der Antwort des Königs. Quellenbuch S. 877.
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Moritz_Arndt Ernst Jakob_Grimm Dahlmann Ludwig_Uhland Ludwig Heinrich_von_Gagern Heinrich Eduard_Simson Eduard Heinrich_von_Gagern Heinrich Johann_von_Österreich Johann Friedrich_Wilhelm_Iv Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Frankfurt_am_Main Deutschland Frankfurt Deutschlands
Dritte Periode der Neuzeit. Die Zeit der Um-
wlzungen.
Erster Abschnitt. Die Zeit der Franzsischen Revolution und Napoleons I., 17891815.
104. Auflsung der alten Staatsordnung in Frankreich.
Drei Jahre nach dem Tode Friedrichs des Groen brach in Frank-reich eine Revolution aus, die auf die staatlichen und gesellschaftlichen Verhltnisse in ganz Europa einwirkte.
L Ursachen der Revolution, a) Durch die Verschwendung des Hofes und die vielen Kriege seit Ludwig Xiv. war die Staatsschuld so ge-stiegen, da die Zinsen kaum mehr bezahlt werden konnten. Die jhr-lichen Ausgaben berstiegen die Einnahmen um 200 Millionen Franken.
b) Die dadurch notwendig gewordenen hohen Steuern waren sehr ungleich verteilt. Der Adel und die aus ihm hervorgehende hhere Geist-lichkeit waren fast steuerfrei; die Bauern dagegen muten mehr als die Hlfte ihres Einkommens an Steuern bezahlen, und auch in den Stdten waren die rmeren verhltnismig viel strker belastet als die Wohl-habenden. Whrend die adligen Grogrundbesitzer ihre reichen Einknfte vergeudeten, fhrten die Bauern, obgleich sie grtenteils freie Eigentmer waren, ein elendes Leben. Wer Verbesserungen einfhrte und sein Land gut ausnutzte, wurde hher eingeschtzt; wer nicht bezahlen konnte, kam ins Gefngnis. Alle erfllte Ingrimm gegen den Staat und die bevor-zugte Klasse.
c) Im Gerichtswesen war das Geld mchtiger als das Recht. Die hheren Richterstellen waren kuflich und die Richter bestechlich. Noch schlimmer war es, da oft durch einen einfachen kniglichen Befehl ohne richterliches Urteil Gefngnisstrafen und Verbannungen verhngt wurden. Die lettres de cachet, die solche Befehle enthielten, wurden verkauft und verschenkt.
d) Der knigliche Hof in Versailles, an dem sich ein Heer von adligen Miggngern sammelte, war uerlich ein Bild des hchsten Glanzes, hatte sich aber durch Sittenlosigkeit verchtlich gemacht.*)
*) Apres lious le delugev war das Losungswort dieser Kreise.
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Extrahierte Personennamen: Napoleons_I. Friedrichs Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frank-reich Europa Versailles
42
Il Die Zeit der nationalen Staatenbildung.
119.
1847. das allgemeine Verlangen nicht unbercksichtigt zu lassen, berief er 1847 den Vereinigte u Landtag, der aus einer Vereinigung der Provinzial-stnde bestand, und erklrte sich zu weiterem Ausbau der Verfassung bereit. Aber das durch gewissenlose Schriftsteller ( 121,1) aufgewiegelte Volk verlangte strmisch, was der König nur schrittweise gewhren wollte. Als er in einer Bekanntmachung eine freiere Staatsverfassung in Aussicht gestellt und auerdem versprochen hatte, an der Verbesserung
1848. der Bundesverfassung mitzuwirken, zog am 18. Mrz 1848 eine lrmende Volksmenge vor das Schlo, um ihren Dank auszudrcken. Da ent-brannte durch ein Miverstndnis ein Straenkampf zwischen dem Volke und den Soldaten. Obgleich die Soldaten Sieger blieben, zog der fried-liebende König am Morgen des 19. die Truppen aus der Stadt zurck und suchte die aufgeregten Berliner zu beruhigen. Er berief Vertreter des Volkes, die sich mit den geplanten Einrichtungen zu beschftigen hatten.
1850. Nach langen Beratungen wurde im Januar 1850 die Verfassung eingefhrt.
5. Die wichtigsten Bestimmungen der preuischen Verfassung, a) Die Krone ist erblich im Mannesstamme der Hohenzollern. Der König leistet bei seinem Regierungsantritt den Eid auf die Verfassung. Er allein hat die vollziehende Gelvalt.
b) Der König ernennt und entlt die Minister. Seine Erlasse bedrfen der Gegenzeichnung eines Ministers, der dadurch die Verantwortung bernimmt. Jetzt bestehen im Staate folgende Ministerien: das des Krieges (Verwaltung militrischer Angelegenheiten), der Justiz (Verwaltung des Gerichtswesens), des Innern (allgemeine Verwaltungs-und Polizeiangelegenheiten), der Finanzen, des Kultus (der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten), der Landwirtschaft, des Handels und Gewerbes und das der ffentlichen Arbeiten (Eisen-bahn- und Bauwesen).
c) Der König beruft und schliet den Landtag, er kann ihn vertagen und auflsen. Der Landtag besteht aus zwei Kammern, dem Herrenhause und dem Abgeordnetenhause. Die Mitglieder des Herren-Hauses sind teils durch die Verfassung bestimmt, teils werden sie vom König auf Lebenszeit ernannt. Das Abgeordnetenhaus geht alle fnf Jahre aus mittelbaren (indirekten) Wahlen des Volkes hervor: die Wahlberechtigten (Urwhler), nach der Besteuerung in drei Klaffen geteilt, whlen nur die Wahlmnner, diese den Abgeordneten. Jedes Gesetz, auch der jhrliche Staatshaushalt, bedarf der Zustimmung beider Kammern. Der König teilt also die gesetzgebende Gewalt mit dem Landtage.
d) Im Gerichtswesen hat der König das Recht der Strafmilde-rung und der Begnadigung.
e) Die Provinzen, an deren Spitze ein Oberprsident steht, waren schon frher in Regierungsbezirke und landrtliche Kreise (auer den greren Stdten) eingeteilt worden.
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48 -
liebte die Jagd ebenso sehr wie ihr Gemahl; hoch zu Ro, den Falken auf der Hand, sprengte sie einst dahin, als sie zu Falle kam und sich tdlich verletzte. Untrstlich stand Maximilian an ihrem Sterbelager, und dieser Anblick erschwerte ihr den Abschied von dem Leben so sehr, da sie ihn mit zitternder Stimme, in der sich ihre ganze Liebe noch einmal aussprach, anflehte, das Gemach zu verlassen. Als er dann die Verstorbene zum letzten-mal sah, sagte er: Nie, so lange ich lebe, werde ich dieses traute Weib vergessen." Und oft noch hat er in spteren Jahren ihrer in sehnschtiger Liebe gedacht.
4. Es kamen nun schwere Jahre fr Maximilian. Er war nach dem Tode seiner Gemahlin nicht Beherrscher der Niederlande, sondern nur Vor-mund fr seinen Sohn Philipp. Deshalb glaubten die Einwohner der beiden Städte Gent und Brgge, ihm trotzen zu drfen. Man warnte Maximilian vor ihren Plnen; aber hochgemutet, wie er war, beschlo er, persnlich ihren Stolz zu beugen; vielleicht vertraute er auch auf sein ge-winnendes Wesen, dem nicht so leicht jemand zu widerstehen vermochte.
Schrfer als der Erzherzog erkannte den unbndigen Trotz dieser Brger sein lustiger Rat Kunz von Rosen, den er nach der Sitte der Zeit als Hofnarren bei sich hatte, der aber an Witz und Treue weit der den Narren gewhnlichen Schlages stand. Er suchte auf jede Weise seinen Herrn von dem Besuch der Stadt Brgge zurckzuhalten. Als Maxi-miliau ihn mit seiner ngstlichkeit verlachte, ritt er zwar im Gefolge bis zum Stadtthore mit, dann rief er jedoch: Lieber König, ich sehe wohl, da du deinen getreuen Rten und mir nicht folgen, sondern gefangen sein willst; ich aber will nicht gefangen sein und kehre daher um."
Und er hatte nur zu richtig prophezeit: nach wenigen Tagen entstand ein Aufruhr in der Stadt; man zog vor das Schlo, um den Herrscher samt seinem Anhange umzubringen. Mit Mhe retteten einige Besonnene das Leben Maximilians, doch wurde er in strenge Haft gebracht, und mehrere seiner Rte wurden gefoltert und gettet. Nun erinnerte er sich voll Reue an die Warnungen seines getreuen Kunz.
Dieser sann Tag und Nacht darber nach, wie er seinen Gebieter befreien knne. Zuerst wollte er nachts der den Stadtgraben schwimmen und nahm fr feinen Herrn einen Schwimmgrtel mit. Aber die Schwne, die dort zahlreich gehalten wurden, zeigten sich feindselig, fielen ihn mit ihren Schnbeln an und erhoben ein solches Geschrei, da er sein Vorhaben aufgeben mute.
Doch auch jetzt fand er neuen Rat. In einer Verkleidung schlich er
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