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1. Bergische Sagen - S. 25

1911 - Elberfeld : Bacmeister
Bäuerin nicht verstand. Auch machten sie die Mutter auf mancher- lei aufmerksam, das sie die Kleinen lehren konnte. „Niemals", so ermahnten sie, „sollen die Kinder einen Hollunder oder einen Fliederbaum beschädigen. Ein Messer muß nie so auf dem Tisch liegen, daß die Schneide nach oben zeigt. Aus der Waldquelle sollen sie gebückt trinken. Nach dem bunten Bogen, der bisweilen am Himmel zu sehen ist, darf kein Kind mit dem Finger zeigen ' und ihn nicht Regenbogen, sondern Himmelsring nennen. Wenn es donnert, soll keins sagen „der Herrgott zürnet", sondern „der Herr waltet". Doch als das siebente Kind geboren wurde, blieben die Jungfrauen aus. Es war ein hätzlicher, ungestalteter Knabe. Alle nannten ihn „das Unglückskind". Die Landwirtschaft gedieh auf dem Oberbüscherhofs in wunderbarer Weise. Jede Arbeit, die man am Tage begonnen, wurde, während alles schlief, vollendet. Hatte der Bauer am Tage angefangen, das Korn zu schneiden, so sah man am andern Morgen das ganze Getreide in Reihen abgemäht liegen. Bei der Kartoffelernte brauchte der Bauer nur die erste Furche aus- Zunehmen, so standen tags darauf die Kartoffeln des ganzen Ackers in zahlreichen Säcken da. Jedes Körnlein, das der Bauer säte, ging auf und trug vielfältige Frucht. Das Korn auf dem Speicher nahm nicht ab, die Vorräte im Keller wurden niemals alle, wie viel auch die Bauersleute verkauften oder verschenkten. Die größte Freude erlebten sie an ihren Kindern. Diese gediehen prächtig und wuchsen zu tüchtigen Jünglingen und schöne Jungfrauen heran. Die Söhne wurden zu Edelleuten erhoben, und die Töchter heirateten adelige Männer und wohnten in prächtigen Schlössern. Nur die jüngste, die in ihrem Spieg- lein alles sehen konnte, was die Menschen dachten, nahm keinen Mann. Sie wurde Äbtissin in einem Kloster. Die Bäuerin, die wohl wußte, woher all der Segen kam, er- wies den unsichtbaren Helfern viel Gutes. Sie besaß eine Menge Töpflein und Näpflein. Die füllte sie mit den besten Speisen und stellte sie am Abend und am Morgen in der Scheune, auf dem Speicher und auf dem Felde auf. Sie legte kleine Messer, Gabeln und Lössel neben die Schüsselchen. So oft sie die Näps- lein leer fand, wusch sie dieselben aufs sorgfältigste und füllte sie aufs neue mit köstlichem Obst, mit Milch oder Honig.

2. Bergische Sagen - S. 34

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 34 - sich die Augen und sagte gähnend nach langem Besinnen: „Die Brote Hab' ich, so wie sie aus dem Backofen kamen, zu meinem Ochsenbrätlein gegessen. Wenn ihr mir alle Tage solche Mahl- zeit gebt, so will ich für euch arbeiten, so viel ich nur kann." Da sahen die Heiden einander an und meinten, nun sei es aber Zeit, ihn beiseite zu schaffen. Einer von ihnen sagte: „Geh hinab, Hermel, in unsern Hof, dort sollst du einen Brunnen reinigen, der wohl fünfzig Klafter tief ist. Dafür sollst du dann ein Abendbrot haben, wie du es gerne hast." Der gutmütige Bursche war's zufrieden. Er stieg getrost in den Brunnen hinab und füllte den Schlamm in Eimer, die dann hinaufgezogen wurden. Die falschen Gesellen wälzten eine Menge dicker Steine an den Rand des Brunnens. Als sie einen ganzen Haufen aufgeschichtet hatten, stießen sie die Steine hin- unter in den Brunnen, damit der gute Hermel zerschmettert würde. Der sang ein lustiges Liedlein bei seiner Arbeit unten in der Tiefe und ließ sich auch anfangs durch die herabfallenden Steine in seinem Gesang nicht stören. Als sie's ihm aber gar zu bunt machten, rief er mit lauter Stimme hinauf: „Jagt mir doch die Hühner dort oben weg, sie scharren mir so viel Kies und Staub in die Augen, daß ich nicht recht sehen kann." „Na," meinten oben die feigen Gesellen, „wenn du das Kies nennst, so wollen wir dir etwas anderes bringen, daß dir der Spott vergeht." Zehn Mann mußten mit Hebebäumen einen gewaltigen Mühlstein an den Rand des Brunnens schleppen und ihn hinein- rollen. Nun jubelten sie: „So, jetzt hat er sein Teil; nun wird ihm wohl der Spott vergehen!" Der starke Hermel lachte recht herzlich und rief munter hinauf: „Habt Dank, ihr Herren, für dt'n schönen, dauerhaften Halskragen, den ihr mir geschenkt habt?" Die Heiden trauten ihren Ohren nicht; doch als sie hinabschauten in den Brunnen, sahen sie ihn ruhig fortarbeiten. Den Mühlstein hatte er wie ein Kräglein um den Hals. Da entsetzten sich die Heiden und wurden noch zorniger. Sie dachten sich schnell noch einen Plan aus, um den übermütigen Burschen zu verderben. Auf einem Lastwagen, der von acht Pferden gezogen wurde, schafften sie eine große Turmglocke her- bei und stürzten sie hinab in die Tiefe. Sie dachten, nun werde der grobe Bursche gewiß zerschmettert in der Tiefe liegen, aber der ließ sich in seiner Arbeit und in seinem Gesänge nicht stören. Er rief nur hinauf: „Vielen Dank, ihr Herren, für die schöne

3. Bergische Sagen - S. 36

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 36 - Wie sie den starken Gesellen beiseite schaffen könnten. Sie riefen ihn am Morgen herbei und sagten: „Hermel, du machst uns noch zu armen Leuten, wenn du länger bei uns bleibst. Drum gehe in die Hölle zum Teufel und sage ihm, er solle dir einen großen Sack voll Gold geben, so schwer du ihn nur tragen kannst. Wenn du uns den bringst, so sollst du immer gute Tage bei uns haben." Der gute Hermel war's zufrieden und bat die Herren nur noch, ihm den Weg zur Hölle zu zeigen. Sie gaben ihm einen Burschen mit, der ihn bis zum Heidenkeller bei Vollberg führte. Als der wieder heimkam, erzählte er den Heiden, daß der starke Hermel hinabgestiegen sei in die Teufelshöhle. Da jubelten die Heiden und riefen: „So, den sind wir nun glücklich los. Der Teufel wird dem Schlingel schon den Garaus machen." Der starke Hermel aber hatte inzwischen schwere Arbeit. Als er in den Heidenkeller hinabgestiegen war, befand er sich in einem langen, düstern Gang. Er mochte wohl eine Stunde gegangen sein, da kam er an eine geschlossene Tür, die ihm den Weg versperrte. Er schüttelte und rüttelte daran, aber umsonst. Dann trat er mit Macht gegen die Tür, und sie sprang mit gewaltigem Krachen aus. Der starke Hermel sah unten einen weiten Raum, der von vielen Feuern erleuchtet wurde. In dem flackernden Schein bewegten sich wunderliche Gestalten. Große Fledermäuse flatterten dem Wanderer um den Kopf. Der aber ließ sich nicht bange machen, sondern schlug mit dem mitgebrachten Sacke nach den Fledermäusen und ging keck und zuversichtlich die Treppe hinunter. Da hüpfte ihm der Teufel entgegen, dem er gestern das Bein abgerieben hatte. Der war wütend herbei- geeilt, um zu sehen, wer solchen Lärm an der Türe mache. Als er aber den starken Hermel erblickte, da hielt er sich ängstlich das Bein fest, das er noch hatte, und hopste heulend davon, so schnell er nur konnte. Nun wurde Hermel zu dem Obersten der Teufel geführt. Der sah gar grimmig aus und saß aus einem feurigen Thron. Er fragte den Jüngling nach seinem Begehr und faßte gleich nach seinem Halse. Hermel schlug ihn tüchtig auf die Finger und erzählte ganz treuherzig, weshalb er hergekommen. Der Teufel lächelte und sagte: „Du bist ein wackerer Bursche. Wenn du mir die drei Kunststücke nachmachen kannst, die ich dir vor- mache, so sollst du den Sack voll Geld haben. Kannst du's aber nicht, so bist du mein eigen." „Nur heraus damit, Herr Teufel?" sagte Hermel keck.

4. Bergische Sagen - S. 40

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 40 - Freundlichkeit, Sanftmut, Geduld und noch viele Tugenden mehr. Doch der Zeit seligen Zusammenseins wurde ein schnelles Ende bereitet. König Heinrichs Boten erschienen eines Tages auf dem Schlosse Berg und forderten den jungen Grafen auf, dem Könige in einen Krieg zum fernen Böhmerland zu folgen. Da gab der Graf einem Ritter den Auftrag, während seiner Abwesenheit die Burg, die Wälder und Felder, seine ganze Grafschaft zu ver- walten. Er nahm schmerzlichen Abschied von seinem treuen Weibe und zog fort. Während er im fernen Lande von Kampf zu Kampf ziehen mußte, herrschte sein Verwalter in der Grafschaft Berg mit großer Strenge. Nur gegen die schöne Gräfin war er sehr freundlich. Gern suchte er ihre Nähe auf, um sich mit ihr zu unterhalten. So oft die Gräfin aber von ihrem Gemahl sprach, zweifelte er daran, daß er wiederkomme. „Ja," sagte er eines Tages, „sicherlich ist dein Gemahl im Kampfe umgekommen. Du wirst ihn nie wieder- sehen. Siehe, ich will dein Gemahl und deinen beiden Söhnlein ein Vater sein." Die Gräfin aber, die den arglistigen Mann durchschaute, wurde sehr zornig. Sie befahl ihm, sofort die Burg zu verlassen, und drohte ihm, sie werde dem Grafen bc- richten, wie treulos er gegen seinen Herrn handele. Da erschrak der Böse. Er fürchtete mit Recht, sein Herr werde ihn hart bestrafen. Deshalb ersann er einen schlimmen Plan. Er zog zum Grafen ins Böhmerland und erzählte ihm Lüge um Lüge. „Dein Weib," sagte er, „hat sich, als du fort warst, einen anderen Mann genommen, und beide verleben gute Tage in deiner Burg." Der Graf glaubte den falschen Bericht, und voll Zorn eilte er in die Heimat zurück. Ohne erst zu unter- suchen, ob der Ritter auch die Wahrheit geredet, erschlug er in seinem Zorn seine eigene Gemahlin. Die beiden Knäblein ließ er in den tiefen Wald tragen, wo sie die Wölfe zerreißen sollten. Aber siehe! um die kleine Waldwiese, wo die Knäblein aus- gesetzt waren, wuchs eine Rosenhecke, die so dicht war, daß kein wildes Tier hindurchdringen konnte. Alle Tage aber erschien eine liebe, freundliche Frau, die die Kindlein pflegte und für sie sorgte. So verging einige Zeit. Bei einer Jagd durchzogen einst die Dienstmänner des Grafen den Wald. Von einem nahen Hügel aus erblickten sie die Rosenhecke und die Knäblein auf der Waldwiese. Sofort eilten sie zum Grafen und erzählten, was

5. Bergische Sagen - S. 1

1911 - Elberfeld : Bacmeister
1. Die Schatzgräber auf dem Engelnberg. Vor vielen, vielen Jahren war es auf dem Engelnberg recht öde. Da wuchs nur niederes Gestrüpp zwischen den Steinen. Auch gab es dort manche Schluchten und dunkle Höhlen.' In diesen Schlupfwinkeln hielten sich Räuber auf und versteckten dort ihre Schätze. Wenn nun in Elberfeld den Leuten etwas abhanden kam, so sagten sie: „Et geiht dem Engelenberg herop?" Später erzählten sich die Leute auch, man könne auf dem Engeln- berg Schätze in der Erde finden. Nun wohnte am Rommelspütt ein Mann, der wollte mit seinem Sohn auf dem Engelnberg einen Schatz graben. Vor Mitternacht brachen sie auf und gingen hinauf zum Engelnberg. <£§ war eine stürmische, düstere Nacht. Die beiden Schatzgräber kamen an einzelnen kleinen Bauernhäusern vorbei, und vor jedem bellte ein Hund. Sie gingen ganz still weiter, denn wenn man einen Schatz graben will, darf man nicht sprechen. Auf einmal merkten sie, daß ein schwarzes Ungetüm wie ein großer Hund mit feurigen Augen ihnen nachging und immer um sie herum- lief. Sie hatten beide so große Angst, daß ihnen die Schweiß- tropfen auf der Stirne standen. Keiner aber wollte es den andern merken lassen, und so gingen sie mutig vorwärts. Als sie fast oben waren, kam wieder das Ungetüm mit den feurigen Augen ganz dicht an sie heran. Da wurde ihnen so unheimlich zumute, daß sie umkehrten und schnurstracks den Berg hinunter- liefen. Die Lust zum Schatzgraben war ihnen vergangen. Sie arbeiteten aber von nun an fleißig und wurden wohlhabende Leute. Da lernten sie, daß die Arbeit der beste Schatz ist.

6. Bergische Sagen - S. 2

1911 - Elberfeld : Bacmeister
2. Vom Zwergenloch an der Kluse. Es gab einst eine Zeit, da sah's hier im Wuppertal ganz anders aus als heute. Von Häusern war nichts zu sehen. Waldige Berge begleiteten die Wupper auf ihrem Lauf. In dem klaren Wasser des Flusses spiegelten sich Himmel und Bäume. Am dichtesten traten bei der Kluse die Berge an die Wupper heran. Das stille Tal mit seinen waldigen Hügeln hatten sich Zwerge zum Wohnorte ausersehen. Am liebsten hielten sie sich an der Kluse und im Island auf. Am Tage arbeiteten sie fleißig im Innern der Berge, schmiedeten kostbare Waffen und Geräte oder gruben in der Erde nach Schätzen, nach edlen Steinen und Perlen. Abends, wenn die Männlein müde von der Arbeit waren, lustwandelten sie im Walde oder ruhten unter schattigen Bäumen aus. Auch als einzelne Leute ihre Hütten im Wupper- tal bauten, blieben die guten Zwerge. Mancher Wanderer, der in der Abenddämmerung durch den Wald an der Kluse ging, hat die Männlein gesehen. . Häufig hielten dann die Zwerge die Vorübergehenden an und plauderten gemütlich mit ihnen. Aber die Leute mußten gut und fromm sein. Ungezogenes Reden oder Tun duldeten die Zwerge nicht in ihrer Nähe. Nach und nach zogen immer mehr Leute hierher. An Stelle der kleinen Häuser, in denen die Garnbleicher wohnten, entstanden Fabriken. Das Wasser der Wupper ward trübe und müde von der vielen Arbeit; es floß nicht mehr so munter dahin. Die Leute holzten manchen Wald ab; die Hügel wurden mit Häusern bebaut. Auch der Kluser Wald verschwand. Da wurde es den Männlein ungemütlich. Sie verließen das ehemals so stille Tal und kehrten niemals wieder. 3. Warum ein reicher Mann nach seinem Tode keine Ruhe fand. Am Kerstenplatz in Elberfeld wohnte einst ein reicher Mann, den die Leute Konellges nannten. Er war aber sehr unehrlich und betrog oft die Leute, die bei ihm Recht suchten, um Hab und Gut. So konnte er sich ein Haus nach dem andern kaufen, und endlich gehörten ihm alle Häuser am Kerstenplatz. Auch besaß er Gärten und Felder am Kirdel. So hieß früher der Berg auf dem rechten Ufer des Mirkerbaches.

7. Bergische Sagen - S. 6

1911 - Elberfeld : Bacmeister
Stadt und Land als Lehen erhalten. Nur dem Kaiser will ich dienen." Da der Kaiser sah, daß durch Güte der Streit nicht bei- zulegen war, befahl er, daß ein Gottesurteil entscheiden solle. Die beiden Feinde stellten sich einander gegenüber, zogen die Schwerter und drangen hart aus einander ein. Lange dauerte der Kampf, bis endlich Drost Brüning seinen Gegner mit einem gewaltigen Schlag zu Boden streckte. „Drost Brüning ist Sieger," erscholl es aus den Reihen der Umstehenden, „und er bleibt des Kaisers Lehensmann." 5. Vom treuen Schildknappen. Wo jetzt die beiden Städte Elberfeld und Barmen liegen, war vor vielen hundert Jahren dichter Wald. Ein silberhelles Bächlein floß hindurch. Buchen spiegelten sich in dem klaren Wasser. An einer Stelle war ein besonders schönes Fleckchen. Ein Wiesental zog sich am Berge hin. Blumen leuchteten aus dem Grase hervor, und Nachtigallen sangen im nahen Gebüsch ihr Lied. , Nicht weit von diesem Wiesental wohnte ein Ritter. Ihn: diente ein treuer Knappe, der seinen Herrn auf jeder Jagd und in jedem Streite begleitete. — Einst waren sie zur Jagd an den Rhein ausgezogen. Plötzlich bemerkten sie hinter sich eine Schar Feinde. Vor ihnen rauschte der Fluß. An ein Entfliehen war nicht zu denken. Der Ritter verzagte. Doch sein treuer Schild- knappe flüsterte ihm zu: „Mut, mein Herr, ich weiß eine Furt im Rhein und führe Euch sicher hinüber." So geschah es. Ehe die Feinde es merkten, war der Ritter mit seinem Knappen am anderen Ufer des Rheins. Zornig blickten die Feinde ihnen nach. Sie konnten sich nicht erklären, wie der Ritter entkommen war, und meinten, der treue Knecht sei ein böser Geist, der durch Zauber seinem Herrn geholfen habe. Nicht lange darnach wurde die Gemahlin des Ritters sehr krank. Kein Arzt konnte sie heilen. Der Jammer aller Burg- bewohner war groß. Da erklärte ein weiser Mann: „Ja, wenn die Burgfrau Löwenmilch tränke, dann würde sie gesund." Dies hörte der Schildknappe. Es verging noch keine Stunde, und der treue Knecht war mit Löwenmilch zur Stelle. Die Frau des Ritters trank und wurde bald gesund, zur großen Freude ihres

8. Bergische Sagen - S. 20

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 20 - 14. Die Krummbeinigen von Solingen. Es war einmal eine Zeit, da gab es in Solingen viele Leute mit krummen Beinen. Das ging so zu: In der Nähe von Solingen lag an der Wupper ein Schleif- kotten. Die Schleifersfamilie, die hier wohnte, war sehr arm. Doch arbeiteten Mann und Frau fleißig vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Bei aller Armut und aller Arbeit waren sie fröhlich und guter Dinge. Ihr Frohsinn schien sich der ganzen Umgebung mitzuteilen. Der Schleifer schärfte bei lustigen Liedern ein Messer nach dem andern. Die Mutter wirtschaftete unter heiterem Geplauder mit den ältesten Kindern in der Küche und im Gärtchen. Die Kleinsten sprangen mit Ziegenböckchen und Hündchen auf der Wupperwiese um die Wette. Die Wupper drehte kräftig die Schleifsteine und schleuderte dabei ihre Wasser- tropfen hoch in die Luft. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in den sprühenden Tropfen. Die Vöglein sangen in den Zweigen. Man wußte nicht, wer von allen am lustigsten war. Sonntags ruhten die fleißigen Leute von ihrer Arbeit aus. War ein besonderer Festtag, dann kochte die Mutter für die ganze Familie Reisbrei. Allmählich aber wurde der Topf, in dem die Frau den Brei kochte, für die vielen Kinder zu klein. Ein?n neuen, größeren aber konnte der Vater nicht kaufen. Dazu hatte er kein Geld. Nun wohnten in dem gegenüberliegenden Berge die Heinzel- Männchen. Diese hatten die fleißigen, fröhlichen Schleifersleute schon lange beobachtet und sich über ihren Frohsinn gefreut; sie kannten aber auch die Not der armen Leute. Die Heinzelmännchen besaßen viele Töpfe, große und kleine. — Eines Tages geriet ein Töchterchen des Schleifers beim Spiele an die Höhle der Heinzel- Männchen. Da stand plötzlich eines der Männlein vor dem Kinde, zeigte auf einen großen Kochtopf und sagte mit seinem feinen Stimmchen: „Da, Kleine, trage diesen Topf flink zu deiner Mutter, daß sie euch morgen zum heiligen Ostertag einen Reis- brei kochen kann. Wenn ihr ihn genug gebraucht habt, bringe ihn wieder." Erschreckt und erfreut lief das Mädchen mit deni Kochtopf davon. Sie erzählte zu Hause, was sie erlebt hatte. Der Reisbrei aus dem Topf der Heinzelmännchen aber schmeckte noch einmal so gut. Einen Rest der Speise ließ man aus Dankbarkeit für die Heinzelmännchen zurück. Fortan. *

9. Bergische Sagen - S. 24

1911 - Elberfeld : Bacmeister
— 24 — sich die barmherzige Bäuerin des Unglücklichen an. Sie schickte ihm täglich Speise und Trank aufs Schloß, bis er starb. Doch auch nach dem Tode sollte er noch nicht Ruhe finden. Manche wollen ihn gesehen haben, wie er, vor dem Burgtore sitzend, Brei aus einem Topfe aß. (Brei nannte man in jener Gegend „Zopp".) Das Schloß zerfiel. Die Überreste führten noch lange den Namen „Zoppsmauer". Der Bäuerin aber waren die drei Waldjungfern hold. So oft sie in den Wald trat, flogen drei wunderschöne Vöglein vor ihr her. Sie zeigten der Frau den Weg und sangen die schönsten Weisen. Die Leute, die die Bäuerin begleiteten, hörten den Gesang, sahen aber die Tierlein nicht. Eines Tages herrschte in dem Bauernhause große Freude. Kmdtaufe sollte gefeiert werden, und schon stand der Kindtaufs- schmaus bereit. Da traten plötzlich die drei Waldjungfern in die Kammer. Freundlich begrüßten sie die erschreckte Bäuerin. Sie nahmen das Kind aus der Wiege, zogen ihm ein feines Kleidchen an, das sie außer andern Geschenken mitgebracht hatten, und spielten mit dem Kleinen. Jedesmal nun, wenn der Bauernfamilie ein Kind geschenkt wurde, erschienen die drei Jungfrauen zum Kindtaufsschmaus. Sie brachten Windeln und Kleidchen aus der allerseinsten Lein- wand mit. Die Kindlein blieben darin von Krankheiten ver- schont, und Wunden, die man mit dieser Leinwand bedeckte, heilten. — Auch andere Geschenke wundersamer Art erhielten die Kinder. Ein Knabe bekam eine Flöte, die erklang so lieblich, daß alle Waldvögelein herbeiflogen und sich wie zahme Tierchen fangen ließen. Ein anderer Knabe erhielt einen Bogen, mit dem er das schnellste Reh erlegen konnte. Dem dritten schenkten sie ein Netz, in das die Fische von selbst hineingingen, sobald er es in die Wupper legte. Das älteste Mädchen befaß ein Spinn- rad, das sich von selber drehte und die feinsten Fäden spann. Dem zweiten Mädchen schenkten die freundlichen Jungfrauen einen Webstuhl, auf dem sie kunstvoll gemusterte Stoffe anfertigen konnte. Dem jüngsten Töchterchen, das zur schönsten Jungfrau an der ganzen Wupper erblühte, hatten sie einen silbernen Spiegel gebracht. In diesem konnte man alles sehen, was die Leute dachten. Wenn die Wassernixen das Bauernhaus verließen, segneten sie die Kindlein und sagten dabei allerlei Sprüchlein, die die

10. Bergische Sagen - S. 26

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 26 - So verging Jahr um Jahr, und die Bauersleute vom Ober- büscherhofe lebten in Freude und Überfluß bis an ihr Ende. Da erhielt der jüngste Sohn die Landwirtschaft. Dieser aber zürnte den Waldjungfrauen, weil sie ihn nicht wie seine Geschwister mit allerlei Gaben beschenkt hatten. Er zerschlug die Näpfchen und Töpfchen, in denen seine Mutter den unsichtbaren Geistern Nahrung dargebracht hatte. „Katzen, Vögel und Mäuse", sagte er, „haben die Speisen immer weggefressen. Niemand soll diese unnützen Tiere hinfort füttern." Die Strafe für die Nichtachtung blieb nicht aus. Der junge Bauer arbeitete von früh bis spät. Der Acker aber trug wenig Frucht. Mäuse, Schnecken, Engerlinge nahmen überhand und vernichteten oft die ganze Ernte. Das Vieh in den Ställen wurde von Krankheiten dahingerafft. Speicher und Keller leerten sich. Wo früher Wohlstand geherrscht, trat Armut ein. Zuletzt mußte der junge Bauer als Bettelmann den Oberbüscherhof verlassen. 17. Der Kleine von Remscheid. In Remscheid wohnte vor langer Zeit ein Mann; der war so klein, daß die Leute auf der Straße sich nach ihm umguckten. Wenn zwei zusammen gingen, so stießen sie wohl einander an und sagten: „Sieh mal, da geht ein Zwerg!" Darüber grämte sich allemal der kleine Mann und wollte zuletzt gar nicht mehr aus dem Hause gehen, nicht einmal Sonntags zur Kirche. Nur nachts, wenn die andern Leute schliefen, schlich er sich vors Haus, um frische Luft zu schöpfen. Dann wanderte er stundenlang im Dunkeln umher und redete sich ein, er sei so groß wie die andern Leute. Einstmals ging er so durch einen Eichwald und stellte wieder traurige Betrachtungen an über seine Kleinheit. Da trat hinter einem Steinhaufen ein großer, schwarzer Mann hervor. Zuerst erschrak der nächtliche Wanderer. Als der Schwarze ihn aber freundlich fragte, warum er so traurig sei, da bekam er Mut und erzählte ihm sein Leid. „Ach, wie glücklich wollte ich sein, wenn ich groß wäre?" schloß der Kleine und seufzte tief. „Der Wunsch kann dir erfüllt werden", meinte der Lange, „aber glaubst du denn wirklich, daß du als großer Mann glücklicher würdest?" „Ganz gewiß!" rief eifrig der Gefragte, „ich wäre der glücklichste Mann in ganz Remscheid." „Nun, so sei dein Wunsch erfüllt!"
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