309
nach Italien abgeführt; die Dalmatier mußten den rückständigen Tribut'
von zwanzig Jahren her nachzahlen, Ackechau treiben und Gold graben,
anstatt rauben und Beute machen.
Die förmliche Trennung des Antonius von seiner tugendhaften
Gattin Octavia brachte den längst verhaltenen Groll der beiden Macht-
haber zum Ausbruch. Beide verklagten sich beim Senate, wobei aber
natürlich Antonius als der schuldige Theil erschien. Zwar sprachen die
Consuln Domitius Ahenobarbus und Sosinus beim Antritt ihres Amtes
im Jan. 32 für ihn, allein der Sicherheit wegen verließen sie Rom
und gingen zum Antonius, der damals in Kleinarmenien stand. Er
kündigte von hier aus dem Octavian zuerst den Krieg an. Der Senat,
damals ein willenloses Werkzeug Octavians, verbot dem Antonius die
Ausübung seiner Gewalt, nahm ihm also den Oberbefehl über seine
Provinzen und erklärte den Krieg eigentlich gegen Kleopatra, nicht
gegen Antonius, der nur als Heerführer der ägyptischen Königin gegen
sein Vaterland erscheinen sollte, daher der Dichter Horatius (Epode. Ix,
11.) von jener schmachvollen Verbindung sang:
Ein Römersohn (ha! nimmer glaubt ihr, Enkel, das!)
Trägt, einer Frau Leibeigener,
Schanzpsahl' und Waffen ihr zum Streit, Verschnittnen selbst,
Den runzelvollen, frbhnet er;
Und unter Legionenadlern (o der Schmach!)
Bescheint die Sonn' ein Himmelbett!
Antonius eilte nun mit der Kleopatra aus Armenien nach Ephe-
sus, das er zum Sammelplatz seiner Flotte, welche ohne die Lastschiffe
aus achthundert Schiffen bestand, und seines Heeres bestimmte, wel-
ches fast alle Könige und Fürsten, die an die östlichen, dem Antonius
unterworfenen Provinzen grenzten, mit ihren Contingenten oder Hülfs-
truppen vergrößerten. Von Ephesus segelte Antonius mit der Kleo-
patra, welche nach Aegypten zurückzuschicken ihm vergebens gerathen
wurde, nach Samos, wo er große Festlichkeiten, wie mitten im Frie-
den, veranstaltete; dann begab er sich nach Athen, wo er wieder die
Zeit mit Schauspielen und Lustbarkeit zubrachte. Hier oder dort war
es, wo K eopatra durch den berüchtigten Perlentrank die Wette vom
Antonius gewann, der es für unmöglich hielt, daß sie bei einer ein-
zigen Mahlzeit zehn Millionen Sesterzien oder 600,000 Thaler ver-
schwenden konnte, obgleich sie sonst unermeßlichen Aufwand machte. Au
den Gegenständen ihrer Pracht- und Putzliebe gehörten auch Perlen.
In jedem Ohre trug sie eine Perle, die durch ihre Größe und Voll-
kommenheit, beide unschätzbar, einzig und mehr als ein Königreich
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Extrahierte Personennamen: Antonius Antonius Antonius Antonius Antonius Antonius Antonius Antonius Antonius Antonius
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Kleinarmenien Armenien Ephe- Ephesus Samos Athen
242
König, um nicht den Römern ausgeliefert,zu poerden, das Gift heraus,
das er an seinem Schwerte txug und mischte es. Zwei Töchter, noch
junge Mädchen, waren bei ihm, verlobt an die Könige von Aegypten
und Cypern. Sie wollten ihren Vater auch im Tode nicht verlassen;
sie drangen in ihn, daß er ihnen zuerst zu trinken gab. Sogleich
sanken sie entseelt zu Boden. Bei Mithridates schlug das Gift nicht
an, vielleicht weil sein Magen zu sehr an Gegengift gewöhnt, oder
weil der Rest für den starken Mann nicht hinreichend war. Daher
bat er flehentlich den Bitötus, einen gallischen Anführer, der noch bei
ihm war, seinen Qualen mit dem Schwerte ein Ende zu machen, und
dieser leistete ihm den letzten Dienst.
(Siehe die Abbildung Ns 53.)
So endete Mithridates der Große, auch Eupator oder Dionysos
genannt, acht und sechszig Jahre alt, im sieben und fünfzigsten der
Herrschaft, nachdem er vierzig Jahre hindurch mit weniger Unterbre-
chung den Römern den Besitz Asiens streitig gemacht hatte, einer der
größten Herrscher und Feldherren des Alterthums.
Pharnaces schickte den einbalsamirten Leichnam seines Vaters dem
Pompejus nach Amisus oder Sinope entgegen, wo die ganze römische
Armee sich um die Leiche drängte, um die Gesichtszüge und Narben
des großen Mannes zu sehen, worauf ihn Pompejus mit allen Ehren
in der königlichen Gruft beisetzen ließ. Pharnaces behielt das König-
reich Bosporus; Pontus bildete aber fortan mit Bithynien eine römische
Provinz. So bestimmte es Pompejus, der wie ein unbeschrankter Macht-
haber die Angelegenheiten der asiatischen Länder ordnete und in Kap-
padocien, Commagene, Galatien und Kolchis Könige und Fürsten nach
> Willkühr einsetzte. Vor seiner Rückkehr nach Italien vertheilte er noch
16,000 Talente unter seine Soldaten, so daß jeder Gemeine 1500 Drach-
men oder über vierhundert Thaler bekam. Außerdem brachte er noch
fünf und zwanzig Millionen Thaler baares Geld nach Rom und ver-
größerte die Einkünfte des Staates, die bisher nicht mehr als fünfzig
Millionen betragen hatten, auf fünf und achtzig Millionen, oder nach
einer englischen Berechnung von 416,666 Pf. Sterling auf 708,333 Pf.
Der Euphrat bildete nun die östliche Grenze des Reiches; bis an die
Ostküste des schwarzen Meeres, bis an das caspische Meer und an
den Kaukasus hatte Pompejus zuerst unter den Römern die siegreichen
Adler getragen.
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Extrahierte Personennamen: Pharnaces
Extrahierte Ortsnamen: Cypern Amisus Kap- Galatien Kolchis Italien Rom
Die Griechen.
59
§ 170. Mit dem Opfer war meistens ein festlicher Schmaus
verbunden; die Heroen liebten überhaupt die Freuden des Mahles, denn
der ganze Charakter der Nation ist ein heiterer, aber Unmäßigkeit, Trun-
kenheit rc. wurden verabscheut und als Kennzeichen von Wilden, z. B.
der Kentauren, des Kyklopen Polyphem, bezeichnet.
§ 171. In den homerischen Epen waltet überhaupt ein wunder-Aclteste Kul-
barer Sinn für das Schöne und Widerwille gegen das Häßliche.' Dietuc-
Kunst des Sängers ist hochgeehrt; er ist entweder zugleich der
Dichter der Lieder, welche er Göttern und Menschen singt, oder er singt
erlernte Lieder, wie z. B. die Rhapsoden homerische Gesänge von Stadt
zu Stadt wandernd vortrugen. Noch hat sich eine bildende Kunst
in Griechenland nicht entwickelt, denn selbst die nothwendige technische
Fertigkeit ist noch nicht ausgebildet (;. B. Bergbau ist unbekannt, Ar-
beiter in Metall sind sehr selten, aber hoch geschätzt), phönikische Erz-
arbeiten sind allgemein verbreitet; aber was die bildenden Künste in
voller Entfaltung Schönes und Herrliches zu schaffen vermögen, ahnt
Homer mit prophetischer Sicherheit. Dies bezeugt z. B. die Beschrei-
bung des Schildes des Achilleus; schon dieses einzige Lied beweist ge-
nügend, daß die Griechen von Aegypu'ern «md Phönikiern wohl technische
Fertigkeit erlernen konnten, an künstlerischen Ideen ihnen aber unendlich
überlegen waren.
§ 172. Diesem Volkscharakter entsprechen auch die Götter des Religion der
heroischen Zeitalters; die wilden Mächte der Vorzeit sind gebän- Heroenzett.
digt, die seligen Götter walten vom Olymp herab über eine beruhigte
Welt. Sie bilden einen Staat, an dessen Spitze der Götterkönig Zeus
steht, dem zahlreiche Götter höheren und niederen Ranges beigesellt
sind, wie die Edlen und Bürger dem Könige. Es sind hehre Hellenen,
nicht nur an Wissen und Macht, sondern auch an körperlicher Schön-
heit; so erschienen sie im Homer, und er war es namentlich, der den
späteren Künstlern jene Ideale gab, die unveränderlich für die grie-
chische Kunst fortdauerten (typisch wurden, wie z. B. der Zeus des
Phidias rc.).
§ 173. Ein dunkler Schatten streift aber über die sonnenhelle grie-
chische Welt. Er entsteigt dem Reiche des Hades, d. h. der Unter-
welt; alle Menschen („die armen", „die unglücklichen", wie das ganze
Geschlecht oft heißt und mit den Baumblättern verglichen wird) müssen
hinabsteigen in dessen freudenloses Dunkel, daher sind seine Thore ihnen
verhaßt. Doch auch die Olympier sind nicht bloß für Frevler furcht-
bare Mächte; sie lieben den Menschen als solchen nicht, sondern bevor-
zugen willkürlich den einen oder andern; sie sind leidenschaftlich und
rachsüchtig, und lassen es auch Unschuldige entgelten; sie bethören manch-
mal den Menschen, versuchen ihn und strafen ihn dann als Schuldigen.
Unbefriedigt sucht der Grieche nach einer über diesen Göttern walten-
den Macht, stndet sie aber nicht, denn „das Schicksal" wird doch wieder
in die Hand des Zeus gelegt; es stößt als eine unpersönliche Macht,
die doch Alles regieren soll, den denkenden Menschen zurück, und bleibt
deßwegen von Homer an bis in die letzten Zeiten der griechischen Re-
ligion der undurchdringliche dunkle Hintergrund, welcher den traurigen
Ersatz für den Glauben an eine göttliche Allmacht und Vorsehung bildet.
Daher entwickelte sich der für die Griechen jedes Zeitalters geltende
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§. 103. Preußens Emporkommen.
307
höchst thätiger und sparsamer, dabei deutsch und christlich-
gesinnter Regent, durch feste Einrichtungen im Verwaltungs-
wesen, durch Verstärkung des Heeres und durch Beförde-
rung des Landbaus seine Staaten in eine solche Ordnung,
daß er außer den erhöhten jährlichen Einkünften einen
Schatz von neun Millionen Thaler und eine wohlgehaltene
Armee von 83,000 Mann hinterließ.
Mit diesen Mitteln gedachte sein Sohn Friedrich tl
(geb. 1712) seinen Staat auf eine noch höhere Stufe zu
erheben. Kaum hatte daher Maria Theresia (Gemahlin
des Herzogs Franz Stephan von Toscana) vermöge der
pragmatischen Sanction die österreichische Erbschaft angetre-
ten, als Friedrich Ansprüche auf vier schlesische Fürsten-
thümer hervorsnchte, und, weil Maria Theresia jene nicht
anerkannte,
1740 — 1742 den e r st e n s ch l e si s ch e n Krieg begann, der
durch Friedrichs Sieg über die Österreicher hierauf
1741 — 1748 den österreichischen Erbfolgekrieg veran-
laßte, indem nun Kurfürst Karl Albrecht von Bayern
wegen Verwandtschaft mit dem österreichischen Kaiserhause
auf den ganzen österreichischen Staat, Philipp V von
Spanien aber auf die Lombardei Anspruch machte, und
Frankreich, Preußen und Sachsen sich mit Bayern
verbündeten.
Karl Albrecht besetzte sogleich Österreich, ließ sich in
Prag huldigen und 1741 als Karl Vii zum deutschen
Kaiser in Frankfurt krönen. Unterdessen aber befreite
Maria Theresia mit Hülfe der Ungarn ihr Österreich
wieder, eroberte Bayern, und machte mit Friedrich, dem
sie Schlesien überließ, und mit Sachsen Frieden;
worauf dann die österreichischen Heere den Kaiser zur Flucht
aus Bayern nöthigten, und die Franzosen aus Böhmen
hinaus- und mit Hülfe der Engländer über den Rhein zu-
rücktrieben.
Diese raschen Fortschritte aber bewogen Friedrich in
Verbindung mit dem Kaiser und mit Frankreich zum zwei-
20*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Maria_Theresia Maria Theresia Franz_Stephan_von_Toscana Franz Friedrich_Ansprüche Friedrich Maria_Theresia Maria Theresia Friedrichs Karl_Albrecht_von_Bayern Karl Albrecht Philipp_V_von
Spanien Philipp Karl_Albrecht Karl Albrecht Karl_Vii Karl Maria_Theresia Maria Theresia Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Friedrichs Frankreich Sachsen Prag Frankfurt Ungarn Sachsen Bayern Rhein Frankreich
28
abgetheilt, in Landbauer, Handwerker und Adlige. Unter den letzteren wurden alle jene regierenden Familien aufgenommen, und nur aus diesen die Mitglieder des hohen Gerichtshofes und die Priester erwählt.
Diese Einrichtungen waren ein sehr wichtiger Schritt zur Bildung, ein Schritt, den die Landschaft Attika allen andern griechischen Staaten vorausthat. Bald gewann der athenische Staat ein Ansehen in ganz Griechenland. Theseus vereinigte auch das benachbarte Gebiet von M e -gara mit Athen, maß dann die Grenzen von Attika ab, und weil er neue Spiele und neue Feste einführte, zog er die nächsten Nachbarn nach Athen, die gern sich in einer so lebenslustigen Stadt ansiedelten.
Für den Krieg hatte sich Theseus den Oberbefehl ausbedungen; da aber jetzt Alles in Frieden lebte, beschloß er, an einem Heldenzuge seines großen Meisters und Vorbildes Herkules Theil zu nehmen. Herkules hatte eben damals den Auftrag bekommen, den Gürtel der Amazonenkömgin zu holen, und warb überall in Griechenland tapfere Jünglinge zu Gefährten auf dem weiten Zuge. Theseus schloß sich mit Freuden an und gewann so sehr die Liebe seines Meisters, daß ihm dieser die schönste Beute, nämlich die Amazone Antiope, schenkte.
Indem er wieder nach Hause zurückkehren wollte, traf er auf einen verwegenen Jüngling, Namens Pirithous, den Sohn des Lapithen-königs Jxion aus Thessalien; dieser war in die marathonischen Felder eingebrochen, um dort eine zahlreiche Heerde zu entführen. Es war nicht sowohl Raubsucht, als vielmehr ein Kitzel, sich durch irgend einen kühnen Streich hervorzuthun, denn auch in ihm brannte die Begierde, unter den Starken und Berühmten seiner Zeit genannt zu werden. Noch hatte er Herkules und Theseus nicht gesehen, aber er sehnte sich nach ihrem Anblick. Er hatte vielleicht den Einfall in Marathon nur deshalb gethan, um mit dem Theseus persönlich bekannt zu werden.
Mit geheimer Freude und Bewunderung sah er hierauf wirklich den Helden erscheinen, denn daß es Theseus war, verrieth ihm sogleich der ausgezeichnete Adel der Gestalt, die Würde des Ganges und der Stimme. So etwas hatte er nie gesehen; er stand bewundernd still, faßte sich und rief ihm entgegen, indem er ihm zum Zeichen des Friedens die Hand hinstreckte: „Würdigster Held, ich weiche dir ehrfurchtsvoll. Sei selbst mein Richter! Welche Genugthuung verlangst du?" — Theseus sah ihn mit Wohlgefallen an. „Daß du mein Waffenbruder werdest," antwortete er ihm. Freudig fiel ihm Pirithous um den Hals, und Beide wurden unzertrennliche Freunde.
Noch manches Abenteuer bestand Theseus mit seinen Freunden gegen seine Feinde. Aber auf heimliche Feinde in seiner Nähe hatte er nicht geachtet; dies waren die Söhne seines Oheims Pallas, die Pallantiden genannt. Sie benutzten jede Gelegenheit, um den Theseus beim Volke zu verdächtigen, als strebe er nach der Alleinherrschaft. Die Athener vergaßen schnell die Wohlthaten, die ihnen der Held erwiesen, und ver-
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bannten ihn aus der Stadt. Er floh auf die Insel Skyros zum König Lykomedes; dieser nahm ihn freundlich auf, aber in seinem Herzen war er falsch gesinnt und trachtete, wie er den gefährlichen Gast am besten los werden konnte, denn er fürchtete sich vor den Pallantiden in Athen. Als nun Theseus gar keine Anstalt machte, wieder abzureisen, führte ihn der hinterlistige Lykomedes auf eine Felsenspitze, um ihm die ganze Landschaft und das Meer zu zeigen. Als der Held, ohne Arges zu ahnen sich umschaut, stößt ihn Lykomedes hinab in den Abgrund des Meeres. — So schmählich endete ein Wohlthäter des Menschengeschlechts. Die Athener bereuelen bald ihre Undankbarkeit, baueten dem Theseus Tempel und Altäre, und holten später seine Gebeine von der Insel Skyros nach Athen. In der Schlacht bei Marathon erschien ihnen der Geist des Helden, und man sagte, er habe sich an die Spitze der Athener gestellt und tapfer auf die Perser eingehauen.
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44
zu Hülfe, und erst als Hephästos mit feinem Feuer die Bäume am Gestade anzündete, die Fische, von der Gluth erschreckt, angstvoll nach frischem Wasser schnappten, der Strom endlich selbst in lichten Flammen wogte, flehete er die Göttermutter Juno um Mitleid an, und aus deren Befehl löschte Hephästos die Gluth, der Skamander aber rollte in feine Ufer zurück.
7. Hektor und Andromache.
Als die Feldfchlacht vor Troja's Mauern so furchtbar tobte, eilte Hektor in die Stadt zurück, um feine Mutter Hekuba zu mahnen, sie möchte doch durch feierliche Gelübde die erzürnte Pallas Athene (Minerva) versöhnen, daß Achilles nicht mit übermenschlicher Kraft zum Siege gelange. Der treffliche Mann benutzte die Gelegenheit, nach Weib, Kind und Gesinde zu schauen, bevor er wieder in die tobende Feldschlacht eilte. Die Gattin aber war nicht zu Hause. „Als sie hörte" — sprach die Schaffnerin — „daß die Trojaner Noth leiden und der Sieg sich zu den Griechen neige, verließ sie angstvoll das Haus, um einen der Thürme zu besteigen. Die Wärterin mußte ihr aber das Kind nachtragen."
Schnell legte Hektor den Weg durch die Straßen Troja’s jetzt wieder zurück. Als er das Sküische Thor erreicht hatte, kam seine Gemahlin Andromache eilenden Laufes gegen ihn her; die Dienerin, ihr folgend, trug das unmündige Knäblein Astyanax, schön wie ein Stern, an der Brust. Mit stillem Lächeln betrachtete der Vater den lieblichen Knaben, Andromache aber trat weinend an feine Seite, drückte ihm zärtlich die Hand und sprach: „Entsetzlicher Manul Gewiß tödtet dich noch dein Muth, und du erbarmst dich weder deines stammelnden Kindes noch deines unglückseligen Weibes, das bald eine Wittwe fein wird. Sollte ich dich verlieren, so wäre es das Beste, ich sänke auch zur Unterwelt hinab. Den Vater hat mir Achilles getödtet, meine Mutter hat mir der Bogen Diana's erlegt, meine sieben Brüder hat auch der Pelide umgebracht. Ohne dich habe ich keinen Trost, mein Hektor, du bist mir Vater und Mutter und Bruder. Darum erbarme dich, bleibe hier auf dem Thurme; mache dein Kind nicht zur Waise, dein Weib nicht zur Wittwe! Stelle das Heer dort an den Feigenhügel, dort ist die Mauer zum Angriffe frei und am leichtesten zu ersteigen, dorthin haben die tapfersten Krieger, die Ajax beide, die Atriden (Menelaus und Agamemnon), Jdo-ineneus und Diomedes schon dreimal den Sturm gelenkt — fei es, daß ein Seher es ihnen offenbarte oder daß das eigene Herz sie trieb."
Liebreich antwortete Hektor feiner Gemahlin: „Auch mich härmt alles dieses, Geliebteste! Aber ich müßte mich ja vor Troja's Männern und Frauen schämen, wenn ich hier aus der Ferne feig und erschlafft dem Kampfe zuschauen wollte. Auch treibt mich mein Muth, in den vordersten Reihen zu kämpfen. Wohl sagt es mir eine Stimme im Herzen: Einst wird kommen der Tag, wo das heilige Ilion hinsinkt, und Priamus und all fein Volk: aber das Leid meiner Brüder und meines Volkes ist nicht so bitter, als wenn das Weib Hektors, fortgeführt in die Gefangenschaft,
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68
von dem man wisse, daß er frisch und gesund im Lande der Thesprotier sich aufhalte und bald in die Heimath zurückkehren werde.
Diese Erzählung klang so wahrscheinlich, daß Penelope, im Herzen darüber erfreut, dem armen Bettler sehr gewogen war und ihrer Schaffnerin Euryklea gebot, dem Gaste die Füße zu waschen. Die gute Eury-klea holte schnell eine Wanne, goß warmes Wasser hinein, fühlte sich aber von einer freudigen Ahnung bewegt, denn sie hatte an dem fremden Manne bekannte Züge entdeckt. Als sie aber die Wanne dem Gaste unter die Füße schob und an dem Bein des Fremden die ihr wohlbekannte Narbe gewahrte, erschrak sie so sehr, daß sie das Gefäß umwarf und alles Wasser verschüttete. Penelope war schon hinausgegangen und bemerkte das nicht; aber Odysseus gebot der hocherfreuten Schaffnerin mit strenger Miene, zu schweigen.
Nachdem noch der Jüngling Telemach die Waffen gebracht hatte, hüllte sich Odysseus in eine Stierhaut und streckte sich auf den Fußboden des Saales zur Ruhe hin; aber der Schlaf kam nicht in seine Augen.
10.
Mit dem andern Morgen brach der Tag der Entscheidung an. Die Freier kamen und begannen ihr wüstes Treiben noch ärger als sonst, ohne sich durch die Zeichen des nahen Verderbens warnen zu lassen; sie aßen blutbesudeltes Fleisch und die Thränen standen ihnen in den Augen. Doch sie achteten nicht darauf, denn Minerva hatte ihre Augen mit Blindheit geschlagen.
Penelope veranstaltete nun einen Kampf und versprach dem Sieger ihre Hand zu geben. Sie stellte zwölf Beile hinter einander im Saale auf und gebot den Freiern, einen Pfeil mit dem gewaltigen Bogen des Odysseus durch die zwölf Oehre der Beile zu schießen. Die Freier nahmen den Kamps an, doch keiner vermochte den schweren Bogen zu spannen, obschon sie ihn durch Salbe und Wärme geschmeidig zu machen suchten. Da wurden die Männer ungeduldig und sprachen: „Lasten wir die Sache bis morgen!" Doch Odysseus bat sie in aller Demuth, daß sie ihm doch auch einmal den Bogen überlassen möchten. Die Freier lachten und ergrimmten über die Unverschämtheit des Bettlers, aber Telemach reichte ihm die Waffe. Eine Weile betrachtete der Held kunstverständig den ihm wohlbekannten Bogen, dann faßte er mit kräftiger Hand die Sehne und spannte sie — es krachte und der Pfeil flog durch die Oehre der Veile, ohne ein einziges zu verfehlen.
Jetzt aber war auch Telemach bereit; auf einen Wink des Odysseus gürtete er sein Schwert um, trat zu dem Vater heran und beide stellten sich auf die Schwelle des Saales. Daun die Pfeile aus dem Köcher schüttend, rief Odysseus mit lauter Stimme zu den Freiern: „Ein Wettkamps ist vollendet, aber ein anderer kommt noch. Jetzt wähle ich ein Ziel, das noch kein Schütze getroffen hat!" Kaum hatte er die Worte gesprochen, so flog sein Pfeil dem Antinous in die Kehle; der sank
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136
um die Unternehmungen der Athener zu vereiteln. Dies geschah und mit solchem Erfolge, daß der anfangs für Athen glückliche Feldzug den schlimmsten Ausgang hatte. Nach vielen Verlusten mußten sich die Athener den Syrakusern ergeben, die Gefangenen wurden in die Steinbrüche von Syrakus geworfen, wo sie elend verschmachteten. Nicias wurde nebst seinem Mitfeldherrn auf dem Markte zu Syrakus öffentlich enthauptet. Nun waren die Hülfsmittel der Athener erschöpft und Verzweiflung bemächtigte sich aller Gemüther. Alcibiades hatte sich gerächt.
Dieser wetterwendische Mann nahm in Sparta ganz die Sitten des spartanischen Volkes an; er badete im Eurotas, ward mäßig und aß die schwarze Suppe, wie ein echter Lakone. Bald war er auch hier der Liebling von Alt und Jung. Doch die Regierung schöpfte Mißtrauen, und als er noch obendrein den König Agis beleidigt hatte, war er in Sparta nicht mehr sicher und ging nach Asien zum persischen Statthalter Tissaphernes. Auch diesen wußte er für sich zu gewinnen, daß derselbe nicht mehr wie bisher den Lacedämoniern, sondern den Athenern Hülfe versprach. Hierdurch söhnte sich Alcibiades wieder mit seinen Landsleuten aus und bewirkte seine Zurückberufung. Ehe er aber in seine Vaterstadt zurückkehrte, wollte er erst rühmliche Thaten verrichten; nur als ruhmgekrönter Sieger wollte er in Athen einziehen. So ging er denn zuerst nach Samos, wo die athenische Flotte lag, und mit ihm kehrte das Glück zu den Athenern zurück. Sie schlugen die Spartaner zu Wasser und zu Lande und eroberten alle verlorenen Städte und Inseln wieder. Der Name Alcibiades verbreitete bei den Freunden Siegesmuth, bei den Feinden Furcht und Schrecken. Die gedemüthigten Spartaner schrieben in ihrer gewohnten Kürze nach Hause: „Unser Glück ist dahin, der Anführer ist getödtet, die Soldaten hungern, wir wissen nicht, was zu thun." In dieser Noth schickte Sparta eiligst Gesandte nach Athen, die demüthigst um Frieden baten; aber das übermüthige Volk der Athener wies alle Anträge stolz zurück.
Alcibiades segelte mit reicher Beute beladen und mit den Trümmern von 200 zerstörten Schiffen als Siegeszeichen zu seiner Vaterstadt zurück. Als er sich dem Piräus näherte, erwartete ihn eine zahllose Menge Volkes; doch stieg der Held nicht eher aus, als bis er seine Verwandten am Ufer erblickte. Nun landete er; das Volk richtete alle seine Blicke nur auf ihn und schien für die andern Feldherren, die ihn begleiteten, gar kein Auge zu haben. Alcibiades ging in die Volksversammlung und vertheidigte sich hier gegen alle ihm zur Last gelegten Beschuldigungen, klagte jedoch nicht das Volk, sondern nur sein Mißgeschick an, und am Schluffe seiner Rede feuerte er die Athener zur kräftigen Fortsetzung des Krieges an. Das Volk gab ihm sein Vermögen zurück, widerrief den über ihn ausgesprochenen Fluch und ernannte ihn zum unumschränkten Anführer zu Wasser und zu Lande. Weinend empfing Alcibiades die Beweise des Wohlwollens seiner Mitbürger und unter der Menge selbst beweinten Viele sein herbes Mißgeschick.
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o König, es nahen sich beide, die Fürsten der Trojaner und der Griechen, sie rufen dich hinab ins Gefilde, damit du dort einen heiligen Vertrag beschwörest. Dein Sohn Paris und König Menelaus werden mit dem Speere kämpfen um das Weib; wer im Kampfe siegt, dem folgt sie mit den Schätzen. Alsdann schiffen die Danaer mit allen ihren Mannen nach Griechenland zurück!"
Der König erschrak; doch befahl er seinen Gefährten, die Rosse anzuschirren, und mit ihm bestieg Antenor den Wagen. Priamus ergriff die Zügel, und die Rosse flogen hinaus auf's Blachfeld nach dem Lager. Als sie zwischen den beiden Völkern angekommen waren, verließ der König mit seinem Begleiter den Wagen und schritt hervor in die Mitte. Nun eilten auch Agamemnon und Odysseus herbei. Die Herolde führten die Bundesopfer heran, mischten den Wein im Kruge und besprengten die beiden Könige mit dem Weihwasser. Dann zog der Atride Menelaus das Opfermesser, das er immer neben der Scheide seines großen Schwertes trug, schnitt den Lämmern das Stirnhaar ab, und rief den Göttervater an zum Zeugen des Bundes. Hierauf durchschnitt er den Lämmern die Kehlen und legte die geopferten zur Erde nieder. Die Herolde gossen unter Gebet den Wein aus goldenen Bechern und alles Volk von Troja und von Griechenland flehete dazu laut: „Jupiter und ihr unsterblichen Götter alle! Welche von uns zuerst den Eidschwur brechen, deren Gehirn fließe auf den Boden wie dieser Wein!"
Priamus aber sprach: „Jetzt, ihr Trojaner und Griechen, laßt mich wieder zu Jlion's hoher Burg zurückkehren, denn ich kann es unmöglich mit meinen Augen ansehen, wie hier mein Sohn auf Leben und Tod mit dem erzürnten Fürsten Menelaus kämpft: weiß es doch Zeus allein, welchem von Beiden der Untergang bestimmt ist!" So sprach der Greis, als seine Opferlämmer in den Staub gelegt waren, bestieg mit seinem Begleiter den Wagen und lenkte die Rosse wieder der Stadt Troja zu.
Nun maßen Hektor und Odysseus den Raum des Kampfplatzes ab und schüttelten in einem ehernen Helm zwei Loose, zu entscheiden, welcher der beiden Gegner zuerst die Lanze werfen sollte. Hektor, rückwärts gewandt, schwenkte den Helm, da sprang das Loos des Paris heraus. Beide Helden waffneten sich jetzt und wandelten im Panzer und Helm, die mächtigen Lanzen in der Hand, in der Mitte ihrer Völker, drohenden Blickes und von den Ihrigen angestaunt. Endlich traten sie in den abgemessenen Kampfraum einander gegenüber und schwangen zornig ihre Speere. Durch das Loos berechtigt, entsandte zuerst Paris den seinen; der traf dem Menelaus den Schild, aber die Lanzenspitze bog sich am Erz und sank zurück. Nun erhob Menelaus seinen Speer und betete dazu mit lauter Stimme: „Zeus, laß mich den strafen, der mich zuerst beleidigt hat, daß man noch unter den späten Enkeln sich scheue, Dent Gastfreunde Böses zu thun!" Schnell flog der Speer, durchschmetterte dem Paris den Schild, drang auch noch durch den Harnisch und durchschnitt auch den Leibrock an der Weiche. Darauf riß der furchtbare
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Extrahierte Personennamen: Priamus
Extrahierte Ortsnamen: Paris Griechenland Troja Griechenland Troja Paris Paris Paris