1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Königreich Preußen. 385
Südlich davon das Bad Seebruch in prächtiger Lage (Thalgrund); in der Nähe
Steinkohlenablagerung.
Südwestlich von Herford Bielefeld, selbständige Stadt und Bahnstation in präch-
tiger und fruchtbarer Landschaft an der Lutter und am Fuße des Teutoburger Waldes,
34931 Einwohner (9/10 evangelifch). Landratsamt für den Landkreis, Landgericht
nebst Kammer für Handelssachen und Schwurgericht; drei evangelische und eine
katholische Kirche; evangelisches Gymnasium mit Realgymnasium. Hauptsitz der West-
Mischen Leinwandindustrie (mehrere große Flachsspinnereien, eine derselben mit
22000 Feinspindeln; zahlreiche Leinwand- und Damastwebereien, großartige Bleich-
anstalten und Leinwandhandlungen, bedeutende Wäschefabrikation mit etwa 3000
Arbeiterinnen (neuerdings auch erfolgreiche Seiden-, Samt- und Plüschweberei;
auch in der näheren und weiteren Umgegend ist diese Industrie als Fabrik- oder als
Handbetrieb zu finden); außerdem großartige Eisenindustrie mit einigen 20 bedeu-
tenden Betrieben (Dampfmaschinen, Kessel, Geldschränke, Feilen, Nähmaschinen, Werk-
zengmaschinen :e.); Fabrikation von Möbeln, Zement, Zigarren, Leder, Dachfilz,
Glas; bedeutende Ziegeleien, Dampfmahlwerke; Garn-, Hanf- und Flachshandel;
Handelskammer, Reichsbankstelle, Westfälische Bank; Minden-Ravensberger landwirt-
schaftlicher Hauptverein; bedeutender Flachs- und Hanfbau in der Umgegend. Stadt
seit 1250, Hauptstadt der Grafschaft Ravensberg (bis 1346), dann Bestandteil des
Herzogtums Berg; nach dem Aussterben der Herzöge von Jülich-Kleve branden-
burgisch. Die schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts erhebliche Leinwandindustrie
kam durch die Einwanderung evangelischer Niederländer (im 16. Jahrhundert) zur
vollen Blüte. Auf dem nahen Sparrenberg alte Feste (1177 erbaut, jetzt Gefängnis);
schöne Anlagen und prächtige Aussicht auf dem Johannisberge.
Der Landkreis Bielefeld, zu beiden Seiten des Teutoburger Waldes, auf den
Höhen stark bewaldet, in der Ebene fruchtbares und wohlangebautes Land; starker
Flachs- und Hanfbau, Leinwandweberei; fast ganz evangelisch. Darin: Brackwede,
großes Dorf am Teutoburger Walde; 1700 Einwohner; mit reger Industrie (Eisen-
gießerei, Fabrikation von Chemikalien und Düngstoffen, Hohlglas, Leder, Leim und
fertiger Wäsche; Bleicherei, Ziegeleien und Kalköfen). — Gadderbaum-Sandhagen,
Sandhagen und Jsselhorst haben bedeutende Leinwandindustrie. In der Nähe
von Bielefeld auch die trefflichen Wohlthätigkeitsanstalten des Pastors v. Bodel-
schwingh (Arbeiterkolonie, Heilanstalt sür Epileptische, Asyl für Blödsinnige :e.). —
Helpen, Dorf an der Lutter, bedeutender Flachsbau, Leinwandweberei und Ziegelei-
betrieb. — Schildesche, großes Dorf im Norden von Bielefeld (3500 Einwohner);
Spinnerei, Leinwand- und Seidenweberei, Schinkenhandel; evangelisches Rettuugs-
haus; Eisenwerk.
Nordwestlich vom vorigen der Kreis Halle, am Teutoburger Walde; in den
nördlichen Teilen sehr fruchtbar, weniger in den südlichen; im Gebirge gute Stein-
brüche; Flachsbau und Weberei; Bevölkerung fast ganz evangelisch. Darin: Halle,
Kreisstadt in fchöner Gegend am Teutoburger Walde, 1712 Einwohner; Leinwand-
Weberei; Flachs- und Hanfbau; Wurstmachern, Seilerei und Zigarrenfabrikation.—
Südwestlich davon das Dorf Bokel; dabei das Schloß Tatenhausen (Besitz des
Grafen v. Korff-Schmiesing). — Brockhagen, großes Dorf auf der Südseite des
Gebirges, Hopfenbau und Leinwandweberei.— Werther, Stadt am nördlichen Ein-
gange des Querthales Halle-Werther und nordwestlich von Bielefeld, 1964 Ein-
wohner; bedeutender Flachsbau; Fabrikation von Zigarren und Kunstdünger; Schinken-
Handel. — Borgholzhausen, Stadt im Teutoburger Walde, nordwestlich von Halle,
1126 Einwohner. Segeltuchweberei, Wurstfabrikation, Hansbau. — In der Nähe
die Ruine der Ravensburg (Grafschaft Ravensberg). — Versmold, Stadt ganz im
Westen von Halle, schon im Münsterschen Tieflande, 1503 Einwohner; Fabrikation
feiner Flcifchwaren, Leinwandweberei (Segeltuch :e.).
Südlich vom vorigen der Kreis Wiedenbrück, an der oberen Ems; besteht aus
der ehemaligen Grafschaft Rietberg und der Herrschaft Rheda; der Boden ist zwar
sandig, aber ziemlich fruchtbar, an der Ems gute Wiesen; drei Viertel der Bevölkerung
katholisch. Darin: Wiedenbrück, Kreisstadt an der Ems, 2843 Einwohner (fast
ganz katholisch); bedeutende Seilerei, Fabrikation von feinen Fleischwaren und
Zigarren; Viehzucht. — Rheda, Stadt am linken Ufer der Ems, Hauptort der
Herrschaft Rheda, Bahnstation, 2848 Einwohner; bedeutende Fabrikation feiner
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Das Königreich Preußen. 337
Betrachten wir die Erhebungsverhältnisse der Provinz, so erkennen
wir die letztere als einen Teil des norddentschen Tieflandes. Es lassen sich
in der Oberflächenform drei von einander abweichende Teile unterscheiden:
1) das östliche, fruchtbare Hügelland, welches im Süden mit der mecklen-
burgischen Seenplatte zusammenhängt; 2) ein niedriges, fruchtbares Flachland,
die „Marsch", im Westen und 3) eiue schwachwellige, unfruchtbare Hochebene,
das Heideland, zwischen den beiden ersteren. Die Ostseeinseln gehören der
Hügel-, die Nordfeeinseln der Marsch- oder Geestlandschaft an. Die Wasser-
scheide zwischen der Ost- und Nordsee liegt in dem östlichen Hügellande, an der
Grenze des Heiderückens.
Die mittlere Höhe des Hügellandes beträgt 35—70 in; es tritt oft mit hohen
Uferrändern gegen die See vor. Die höchsten Erhebungen desselben sind der
Bungsberg bei Eutin (159 m), der Pielsberg oder Hessenstein bei Lütjen-
bürg (127 m) und der Scheelsberg bei Eckernförde (109 in). Der Heiderückeu
verflacht sich gegen Westen und geht allmählich in die sogenannte Vorgeest über,
welche wiederum durch die Sandmarsch und Vormarsch zu der eigentlichen Marsch
hinführt. Die letztere besteht aus Alluvium, Niederschlägen des Meeres und der in
dasselbe mündenden Flüsse; die übrigen Teile des Landes gehören dem Diluvium an.
Das Heideland besteht gegen das Hügelland hin aus Geschiebesand, der noch zur
Forstwirtschaft und zum Kornbau ausreicht; weiter westwärts folgt ein weißer Sand,
welcher auf losem, braunem Sandstein ruht und als „Ahlformation" bezeichnet wird.
Die letztere läßt Ackerbau und Banmwnchs kaum zu und stellt daher, besonders in
Holstein, fast gänzlich unwirtbares, nur mit Heidekraut bedecktes Land dar, in welchem
übrigens auch größere Sümpfe und Torfmoore nicht selten sind. In der Nähe der
Marsch finden sich auch Anhäufungen von Flugsand, die sogenannten Binnenlands-
dünen. Feste Gesteinsmassen älterer Formation treten nur selten auf; unter anderm
findet sich bei Segeberg der Kalkberg (Anhydrit und Gips der Zechsteinformation,
unter dem Gips in geringer Tiefe ein großes Steinsalzlager), bei Elmshorn eine
mächtige Rötelschieferablagernng (durchwachsen mit Steinsalz und mit starker Sol-
quelle versehen); an einzelnen Punkten liegen Kreideschichten zu Tage (bei Heiligen-
Hasen und Itzehoe); tertiäre Gebilde sind weit verbreitet, bauwürdige Braunkohlen-
ablagerungen werden indes vermißt. Die Trinkwasserverhältnisse sind im ganzen
nicht günstig. Zwar findet sich in dem östlichen Hügellande meist gutes Wasser in
ausreichender Menge, auf der Geest ist dasselbe indes ziemlich spärlich und bisweilen
durch Eisen- und Moorteile verunreinigt, und noch ungünstiger steht es auf der
Marsch, wo man sich fast, allgemein mit Regenwasser behelsen muß; neuerdings sucht
man dem angedeuteten Übelstande mit mehr oder weniger Erfolg durch artesische
Brunnen abzuhelfen. — Im Jahre 1883 waren von dem Gesamtboden der Provinz
1097428 ha Acker- und Gartenland und Weinberg, 204083 ha Wiesen, 334522 ha
Weide, Hutung, Öd- und Unland, 119690 ha Forsten und Holzungen und 128463 ha
Haus- und Hofräume, Wege und Gewässer. Verhältnismäßig groß sind also die
Weiden :c. (17,. Proz. gegen 2,2 in Schlesien und 4,7 Proz. in der Provinz Sachsen),
sehr gering an Umfang dagegen die Forsten (mit 6,4 Proz. der geringste Stand in
der Monarchie; Brandenburg 32,5, Schlesien 28,g, Hessen-Nassau sogar 40 Proz.).
Hinsichtlich der Bewässerungsverhältnisse ergibt sich zunächst eine
weite Küste, und zwar ist dieselbe noch ausgedehnter an der Ostsee als an der
Nordsee; dort machen sich Ebbe und Flut fast gar nicht, hier stark geltend.
Unbedeutende Gewässer gehen in die Ostsee, entwickeltere in die Nordsee (die
Wasserscheide liegt in der Nähe der Ostsee); Überschwemmungen treten an
beiden Küsten auf. Abgesehen von der Elbe, welche nicht nnr die Provinz im
Südwesten begrenzt, sondern auch mehrere Flüsse aus derfelben aufnimmt, ist
die Eid er der Hanptflnß, welcher schon am Ende des vorigen Jahrhunderts
vermittelst eines Kanals zu eiuer Verbindung der Ost- und Nordsee benutzt
wordeu ist. Landseen finden sich besonders im östlichen Holstein ziemlich zahlreich.
Das Deutsche Reich. 99
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394
Erstes Kapitel.
Einwohner (gemeinsam auch Stadtberge genannt). In der Nähe stand die Eres-
bürg, von Karl dem Großen (772) und Otto 1/(938) erobert. — Bredelar, Gut
an der Hoppecke; ehemalige Benediklinerabtei, Eisenbergbau und Eisenhütte. — Win-
terberg, Stadt in rauher Gegend auf dem gleichnamigen Plateau, von dem Asten-
berge überragt, 1239 Einwohner; Ackerbau mit geringem Ertrage. Am Astenberge
der Ursprung der Lenne; nordöstlich davon entspringt die Ruhr. — Nordöstlich von
Winterberg die Stadt Medebach am Medebach, 2069 Einwohner; früher Hansestadt,
schon im 12. Jahrhundert mit bedeutendem Handel nach den nordischen Ländern;
jetzt bedeutungslos.
Westlich vom vorigen der Kreis Meschede, östlich vom Plateau von Winterberg
und zwischen Ruhr und Lenne, gleichfäffs sehr"reich an Waldungen (48 Proz.), ziem-
lich rauh und nicht sehr fruchtbar; Eisenindustrie. Die Bevölkerung fast ganz katho-
lisch. Darin: Meschede, Kreisstadt an der Mündung der Lenne in die Ruhr; Bahn-
Hof auf der andern Seite der Ruhr, 2943 Einwohner; Tilchfabrikation; Schiefer-
brüche; Eisenhammer, Fabrikation von Schuhleisten. — Nördlich von der Ruhr der
Flecken Eversberg, Bahnstation, in prächtiger Gegend; Eisengruben und Schiefer-
brüche, Eisenhammer; Burgruine. — Nuttlar, Dorf an der Ruhr; bedeutende
Schieferbrüche; Fabrikation von Schiefertafeln. — Ramsbeck, Dorf an der Valme
und südlich von Meschede; bedeutender Bergbau (Blei- und Zinkerze). In der Nähe
noch mehrfach Bergbau. — Schmallenberg, Stadt an der Lenne, 1500 Ein-
wohner-; Wollspinnerei und -Weberei, Eisenwerk (Werkzeugfabrikation) und Eisenerz-
grübe. — Östlich davon das Dorf Oberkirchen mit Eisenhammer. — Fredeburg,
Flecken am Ursprünge der Wenne; Fabrikation von Strumpfwaren, Feuerschwamm-
zundern und Dachschieserbrüche. — Bei dem Dorfe Eslohe und in weiterer Um-
gegend befinden sich Eisenhammerwerke. — Lenhausen, Dorf an der Lenne; Harn-
merwerk, Dampfsägewerke; Burgruine.
Die Provinz erstreckt sich im allgemeinen von dem Rhein und Main in
nordöstlicher Richtung bis zur Werra und Weser, liegt zwischen 49" 58' ltud
51° 38' nördl. Br., sowie 7° 35' und 10° 14' östl. L. v. Gr. und grenzt im
Nordwesten an die Provinz Westfalen, im Nordosten an die Provinzen Han-
nover und Sachsen, im Südosten an Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen und
Bayern, im Süden an die südliche Hälfte des Großherzogtums Hesseu und im
Südwesten an die Rheinprovinz.
Das beschriebene Hauptgebiet besteht aus folgenden früheren Gebieten: dem
Herzogtum Nassau, der freien Stadt Frankfurt, dem Kurfürstentum Hessen und
kleinen Stücken, die ehemals zum Großherzogtum Hessen und Königreich Bayern
gehört haben. Umschlossen werden die Provinz Oberhessen (des Großherzogtums
Hessen) und der (zur Rheinprovinz gehörige) Kreis Wetzlar. Zu der Provinz ge-
hören außerdem noch folgende kleinere Gebiete: I) der Kreis Rinteln, vormals zur
Grafschaft Schaumburg gehörig und am Deister, Süntel und der Weserkette gelegen;
2) der Kreis Schmalkalden auf dem Thüringer Walde; 3) die vom Herzogtum
Sachsen-Meiningen umschlossene Exklave Barchfeld (Kreis Schmalkalden), sowie die
vom Fürstentum Waldeck umschlossenen Exklaven Eimelrod und Höringhausen (Kreis
Frankenberg).
Die Provinz hat die beiden Bezirke Kassel und Wiesbaden; Hauptstadt
ist Kassel.
Werfen wir einen Blick auf die Geschichte der jetzigen Provinz Hessen-
Nassau, so sinden wir, daß in dem ehemaligen Kurhessen in früher Zeit der
germanische Stamm der Chatten hauste, bei der Bildung des großen Franken-
bundes verschwand und später wieder als Hassen oder Hessen erschien. Unter
den Gangrafen, welche während der Frankenherrschast in Hessen walteten,
12. Die Provinz Hessen-Nassau.
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Das Königreich Preußen, 397
Hofräume, Wege, Gewässer zc. Beachtenswert ist der Waldreichtum (40 Proz. der Ge-
samtfläche), an'welchem die Provinz alle übrigen des preußischen Staates übertrifft.
Von den früher erwähnten fruchtbaren Flußebenen sind besonders die südlichen als
ergiebige Gebiete zu bezeichnen; hier findet sich gesegnetes Weizen-, Obst- und Wein-
land (der Rheingau zwischen Main- und Nahemündung, das untere Mainthal von
Hanau bis Mainz und, nördlich hiervon, die Thäler der Kinzig und Nidda). Rauh
und unfruchtbar hingegen sind die höheren Gegenden der Rhön, des Thüringer- und
Westerwaldes. Von den Forsten sind 238455 ha Staats-, 217386 ha Gemeinde-,
105870 ha Privatforsten, der Rest (9276, bez. 37037 ha) Stistungs- und Genossen-
schaslssorsten. Der Bezirk Kassel allein besitzt im ganzen gegen 400000 ha, von
denen über die Hälfte dem Staate ganz oder teilweise gehört; im Bezirke Wiesbaden
hingegen tritt der Staatsforst sehr zurück. In den Forsten herrscht die Buche vor
und wird teilweise durch herrliche Bestände vertreten, außerdem gibt es Eichen,
Eschen, Ahorne, Ulmen, Birken und (neuerdings mehr als früher) auch Nadelholz
(Fichten und Kiefern). Das Laubholz beträgt 454932 ha (72,5 Proz.), wovon
304406 ha (48,5 Proz.) Buchen. Von dem Nadelholz (172592 ha) kommt die größere
Hälfte auf Kiefern.
Die Gewässer der Provinz gehören den Stromgebieten des Rheins und
der Weser an.
Der Rheinstrom selbst berührt die Provinz nur als Grenzfluß gegen Hessen-
Darmstadt und Rheinland im Südosten, zwischen Biebrich und Niederlahnstein, und
zwar mit einer schiffbaren Strecke von 90 km. Von den Nebenflüssen des Rheins
ist auch der Main von oberhalb Hanau bis zu seiner Mündung fast nur Grenzfluß
gegen Hessen-Darmstadt, aber wegen seiner Schiffbarkeit gleichfalls wichtig. Von den
Zuflüssen des Mains gehört die Kinzig der Provinz ganz, die Nidda nur im unteren
Laufe an (fruchtbare Thäler). Sehr weitgehenden Einfluß auf die Provinz hat der
Rheinfluß Lahn, welcher zwar seine Quellen in Westfalen hat und eine Strecke weit
heffen-darmstädtisches Gebiet und den Kreis Wetzlar (Rheinland) durchfließt, sonst
aber in seinem langen Laufe ausschließlich der Provinz Hessen-Nassau, besonders
dem Bezirke Wiesbaden, angehört. — Der Weserstrom bildet zunächst mit schiffbarem
Laufe zwischen Münden und Karlshafen die Grenze zwischen Hessen-Nassau und
Hannover und nimmt gegen Ende dieser Strecke die fischreiche Diemel aus, dereu
Unterlauf der Provinz angehört, sodann durchfließt der Strom auch den Kreis
Rinteln von unterhalb Hameln an. Von den Quellflüssen der Weser berührt die
Werra zunächst den Kreis Schmalkalden, aus welchem sie auch die Hasel empfängt,
dann die Kreise Hersfeld, Eschwege und Witzenhaufen; von Wanfried an wird sie
schiffbar. Noch bedeutsamer ist der Quellfluß Fulda, welcher von seiner Quelle auf
der Wasserkuppe an bis zu seiner Vereinigung mit der Werra bei Münden fast
immer der Provinz angehört. Bei Hersfeld wird die Fulda für kleine Fahrzeuge
schiffbar. Unter den Nebenflüssen der Fulda ist die Eder (welche freilich auch west-
sälisches und waldecksches Gebiet berührt) und deren Zufluß Schwalm (welcher in
Oberhessen entspringt) zu erwähnen. — Besonders reich ist die Provinz, namentlich
der Bezirk Wiesbaden, an Salz- und Mineralquellen (140 an Zahl); unter ihnen
sind die berühmtesten die zu Ems, Selters, Schwalbach, Homburg, Wiesbaden und
Schlangenbad. Stehende Gewässer von Bedeutung fehlen.
Das Klima ist, wie bereits angedeutet, in den höheren Gegenden etwas
rauh, sonst jedoch dem des übrigen Mitteldeutschlands entsprechend, an den
Ufern des Rheins, Mains, der Lahn und der Werra zum Teil sogar sehr
mild und angenehm.
Durch die Bodenerhebungen und die Richtung der Gebirge wird das Klima
mannigfach beeinflußt, so daß nahe bei einander liegende Punkte bisweilen Vege-
tationsunterschiede von 8—14 Tagen zeigen. Sehr rauh sind die Hochflächen des
Westerwaldes und die Rhöngegenden, verhältnismäßig mild der Rheingau, das
Kinzig- und Niddathal, das Werrathal bei Witzenhausen. Kassel hat einen Jahres-
durchschnitt von 8, Frankfurt a./M. von 9 — 10° C. Die Niederschläge betragen
im Jahresdurchschnitte in Kassel nur 500 — 600, in Frankfurt a./M. dagegen 600
bis 700 mm.
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Das Königreich Preußen. 401
Schiffe gezählt worden. Für den Verkehr von der Mainmündung bis Frankfurt a./M.
war bisher der Umstand hinderlich, daß die Güter in Mainz umgeladen werden
mußten; nachdem die Strecke bis Frankfurt a./M. kanalisiert worden ist, hat sich der
Frachtenverkehr dahin auf dem Main bedeutend gehoben (statistische Angaben sind
noch nicht möglich). Die Schiffahrt auf der Fulda ist nach Eröffnung der Nord-
bahn im wesentlichen auf den Verkehr von Baumaterial beschränkt. — Die gut ge-
haltenen Kunststraßen hatten bereits zu Ende der siebziger Jahre im Bezirke Kassel
etwa 7000, im Bezirke Wiesbaden gegen 1400 km Länge. — Von den Eisenbahnen
ist vor allem die von Hannover kommende Linie zu erwähnen, welche über Göt-
tingen, Bebra, Fulda und Frankfurt a./M. zum Rheine (bei Kastell) führt; sodann
eine zweite, welche von Karlshafen über Kaffel, Marburg. Gießen, Weilburg, Lim-
bürg nach Oberlahnstein leitet und, den Rhein aufwärts gehend, sich mit der ersteren
Linie vereinigt. Beide Hauptstrecken sind miteinander verbunden: von der Halle-
Kasseler Bahn her durch die Strecke Eichenberg-Münden-Kassel; von der Thüringer
Bahn her durch die Strecke Bebra-Guntershausen, von der Leineselde-Gothaer Bahn
her durch die Linie Dingelstedt-Niederhohne-Kassel und Waldcappel-Treysa; außerdem
durch die Strecken Fulda-Gießen. Gelnhausen-Gießen, Frankfurt-Gießen, Höchst-
Limburg. Außerdem zweigen sich noch seitwärts mehrfache Bahnlinien ab (Elm-
Gmnnden, Hanau-Aschaffenburg, Hanau-Offenbach-Frankfurt a./M., Frankfurt a./M.-
Darmstadt-Heidelberg, Frankfurt a./M.-Mainz am linken Flußufer, Frankfurt a./M.-
Homburg, Höchst-Soden, Kastell-Wiesbaden , Kastell - Biebrich, Wetzlar-Betzdorf,
Hümme-Warburg-Altenbeken :c. Die gesamten Eisenbahnlinien hatten 1888/89 eine
Länge von 1422 km, wovon 1254 km unter Staatsverwaltung, 168 km unter
Privatverwaltung standen. — Das Postwesen entstand im Kurhessischen 1615—1618;
etwa 10 Jahre später trat die Thurn- und Taxissche Verwaltung ein, welche feit
1816 jährlich eine Abgabe von 42000 Thalern zahlte. Auch in Nassau war diese
Verwaltung, anfangs unentgeltlich, seit 1806 gegen eine Abgabe von 6000 Gulden.
In Frankfurt a./M. bestand seit 1722 neben städtischer Botenpost auch Thurn- und
Taxissche Verwaltung; seit 1811 war hier die Generaldirektion der Thurn- und
Taxisschen Verwaltung. Im Jahre 1867 wurde die Verwaltung überall preußisch.
Es bestehen jetzt Oberpostdirektionen in Kassel und in Frankfurt a./M.
In der Provinzialhanptstadt Kassel haben das Oberpräsidium, die Pro-
vinzialsteuerdirektion und das Generalkommando des Xi. Armeekorps ihren Sitz.
Für die Verwaltung der evangelischen Kirche bestehen Konsistorien zu Kassel
und Wiesbaden, für die der katholischen Kirche Bistümer zu Fulda und Lim-
bürg; eine Universität befindet sich zu Marburg. Jeder der beiden Bezirke
bildet auch einen kommunalständischen Verband, zu welchem gesonderte Pro-
vinzialstände gehören (Versammlung zu Kassel und Wiesbaden). Der kom-
munalständischen Verwaltung sind unterstellt: das Chansseebanwesen, die
Leih- und Pfandhäuser, die Landeshospitaler, Landkrankenhäuser, Taub-
stummeninstitnte, die Jrrenheil-, Korrektions- und Landarmenhäuser, sowie
die Schatzkommission und die Landeskreditkasse (in Kassel) und die Landesbank
(in Wiesbaden).
Regierungsbezirk Kassel.
Kassel, Hauptstadt der Provinz und des Regierungsbezirks, Stadtkreis und
Eisenbahnknotenpunkt in einem weiten Thalbecken, an der unteren Fulda, 64083
Einwohner (bis auf ca. 5000 Katholiken und 1800 Juden evangelisch). Oberpräsi-
dium, Oberlandes-, Land- und Schwurgericht, Oberpostdirektion, Provinzial-Steuer-
direktion, drei Eisenbahnbetriebsämter, Landratsamt für den Landkreis, Hauptsteuer-
amt, Bergrevier, Generalkommission zur Ablösung von Servituten. Unter den sechs
reformierten Kirchen ist die Martinskirche (Grabmal Philipps des Großmütigen);
Gymnasium, Realgymnasium, Realschule, Gewerbe- und Kriegsschule; Akademie der
bildenden Künste; Zeichenschule; bedeutende Sammlungen (Gewerbemuseum, Gemälde-
galerie?c.); Landesbibliothek (140000 Bände); Theater, Strafanstalt, Waisenhäuser).
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in diesen Gegenden das politische Leben der Nation (Rense, Aachen). Selbst die
traurigen Zeiten des Faustrechts, des Dreißigjährigen Krieges, der französischen
Raub- und Revolutionskriege konnten die Bedeutung und den Wohlstand der Rhein-
lande nicht tilgen; dieselben haben sich indes erst zu einer wahren Blüte entwickeln
können, seitdem sie zur preußischen Rheinprovinz vereinigt worden sind. Im Jahre
1867 ist der Provinz noch das Hessen-Homburgische Oberamt Meisenheim hinzugefügt
worden (Bezirk Koblenz). — Hohenzollern, wo zu Anfang der Regierung Kaiser
Heinrichs Iv. zuerst Grafen von Zollern auftraten, war seit 1576 in die Linien
Hechingen und Sigmaringen geteilt; denselben wurde 1623, bez. 1638 die Reichs-
fürstenwürde verliehen. Vergrößerungen traten 1803 (Reichsdeputationshauptschluß)
und 1806 (Rheinbundsakle) ein; 1849 gingen beide Fürstentümer durch Staats-
vertrag an Preußen über.
Die Rheinprovinz ist bis auf ihren nördlichen Teil gebirgig, und zwar
gehören ihre Erhebungen zu dem rheinisch-westfälischen Gebirgssystem. Das
Gebiet des Niederrheins besteht aus Tiefland, von welchem sich eine Seiten-
bucht den Strom aufwärts bis in die Nähe von Bonn erstreckt. Hohenzollern
ist auch ein Gebirgsland.
Auf dem linken Ufer des Rheinstromes' breitet sich zwischen Rhein, Nahe, Saar
und Mosel der Huusrück aus, eine Hochebene, welche aus Grauwacke- und Schiefer-
massen besteht und nach den Thälern zu ziemlich steil abfällt. Auf der Hochebene
streichen mehrere Bergkämme, welche- in der Richtung von Südwesten nach Nord-
osten hin die Namen Hochwald (mit dem Erbeskopf, 814 m), Jdarwald (mit dem
Jdarkopf, 714 m) und Soonwald führen. Ganz im Südwesten dieses Gebirgslandes
liegt ein Steinkohlengebirge mit reichhaltigen Flözen (Saarbecken). Nordwärts von
dem Hnnsrück breitet sich zwischen den Flüssen Mosel, Our, Ahr und Rhein das
rauhe, unfruchtbare Hochland der Eifel aus, welches in die Hobe Eifel (mit der
Hohen Acht, 760 ml, die Vordereifel und die Schneeeifel (Schneifel, im Nordwesten)
zerfällt. Das Gebirge besteht vorherrschend aus devonischen Schichten, die aber viel-
fach, besonders in der Hohen Eisel, von vulkanischen Gesteinen (Basalt, Phonolith,
Trachyt und Lavamassen) durchbrochen werden. Hier ist das Gebirge reich an schön
gebildeten Bulkauen, Kraterseen (Maare genannt) und Mineralquellen. Zwischen
Mosel, Elz und Nette senkt sich die Hochebene zu dem fruchtbaren und milden Mai-
felde. Durch den Zitterwald (mit dem Weißenstein, 686 m hoch) ist die Eifel gegen
Nordwesten hin mit dem Hohen Venn verbunden. Das letztere reicht nordwärts bis
in die Gegend von Montjoie und Eupen, geht westwärts nach Belgien hinüber und
besteht aus einer unwegsamen, rauhen, an tiefen Torflagern reichen Hochebene (bis
672 m hoch), deren vorherrschendes Gestein versteinerungsloser kristallinischer Schiefer
(„Ardennenschiefer") ist. — Von dem östlichen Flügel des rheinisch-westfälischen Systems
erstreckt sich zunächst der nördliche Teil des Westerwedes in die Provinz hinein
(vgl. die Provinz Hessen-Nassau). Hier befindet sich im Osten ein Stück des Wester-
Waldes (bis zu dem Siegzufluffe Nister) und im Westen das durch seine schönen
vulkanischen Berge ausgezeichnete Siebeugebirge mit der Löwenburg (440), dem Öl-
berge (460) und dem Drachenfels (325 m). Nördlich von der Sieg folgt das Sauer-
land, ein Bergland, welches nach der breiten Rheinebene abfällt und zu dessen nörd-
lichsten Teilen der Haarstrang und das Ruhrkohlengebirge gehören. Das letztere reicht
anch in die Rheinprovinz hinein. — Im Bezirke Sigmaringen befinden sich Teile der
Rauhen Alp (durchschnittlich 555 m hoch), welcher unter andern Bergen auch der
Hohenzollern (7öl m) vorgelagert ist, und des Schwarzwaldes (mit Triasgestein).
Hinsichtlich der Bewässerung gehört die Provinz in einem schmalen
nordwestlichen Streifen zum Gebiete der Maas, weit überwiegeud jedoch zu
demjenigen des Rheins. — Durch den südlichen Teil des Bezirks Sigmaringen
fließt die Donan (noch nicht schiffbar).
Der Rhein bildet von der Nahemündnng bei Bingen an zunächst bis Hoch-
heim bei Koblenz die Grenze zwischen den Provinzen Heffen-Nafsan und Rheinland,
durchströmt dann die Bezirke Koblenz, Köln und Düsseldorf in nordwestlicher Rich-
tnng und verläßt die Provinz und zugleich Deutschland wenig unterhalb Emmerich.
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Das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. 481
1816 erhielt es (als erstes deutsches Land) eine Verfassung. Die glänzendste Zeit des
Landes ist die des Großherzogs Karl August (1775—1828) durch die großen Dichter
(Goethe, Schiller, Herder, Wieland ?e.), auch Karl Friedrich (1828—53) und Karl
Alexander (seit 1853) haben die Kunst und Wissenschaft, sowie die sonstige Wohlfahrt
des Landes gepflegt.
Das Gebiet des Großherzogtums ist überwiegend gebirgig. Der Eise-
nacher Kreis wird vom Thüringer Walde und der Rhön durchzogen, der
Weimarsche Kreis gehört meist dem thüringischen Hochlande an, der Neustädter
Kreis ist hügelig.
In dem weimarischen Anteil der Rhön sind Erhebungen bis über 800 m (der
hohe Rain und die Sachsenburg 700, der Bayer 710 und der Ellenbogen etwas
über 800 m hoch); ans dem Thüringer Walde erhebt sich im Weimarischen der
Glöckner (700 m) und der Kickelhahn (bei Ilmenau, 862 m hoch). Als Erhebung
des thüringer Hochlandes ist nördlich von Weimar der Ettersberg zu nennen (410 m);
einige Pnnkle des Neustädter Kreises steigen etwas höher (565 m). — In geognostischer
Hinsicht gehört die weimarische Rhön der Triasgruppe (besonders dem Muschelkalk
und Buntsandstein) an, mehrere der bedeutenderen Erhebungen (z. B. der Bayer)
bestehen aus Basalt; der betreffende Teil des Thüringer Waldes enthält Rotliegendes,
das stellenweise von Porphyr durchbrochen wird. In der thüringischen Hochebene
herrschen Schichten der Triasgruppe vor, im Kreise Neustadt Rotliegendes und pri-
märes Schiesergestein. Ein Steinsalzlager findet sich in dem weimarischen Hauptteile
(bei Stotterheim), außerdem werden Eisenerze, Manganerze, Steinkohlen (nur wenig
bei Ilmenau), Braunkohlen (bei Kaltennordheim) und Braunstein gewonnen.
Der Boden ist am fruchtbarsten im weimarischen, am wenigsten frucht-
bar im Eisenacher Gebiete; der Neustädter Kreis hat eine mittlere Güte; der
Thüringer Wald, das Rhöngebiet und die höhereu Teile des Neustädter Kreises
sind gnt bewaldet, im thüringischen Hochlande tritt der Wald zurück.
Im Jahre 1883 waren vorhanden: Acker-, Garten- und Weinland 203155,
Wiesen 31762, Weiden Hutnngen, Öd- und Unland 18235, Forsten und Holzungen
93188, Haus- und Hofräume 14655 ha; also von dem ersterwähnten Boden 56,z,
vom Forstboden 25,8 Proz. der Gesamtfläche.
Von den Gewässern sind die Werra und Saale die bedeutendsten und
zum Flußgebiete derselben gehören die kleineren Gewässer fast ausnahmslos.
Die Werra kommt für das Eisenacher Gebiet in Betracht, von ihren Zuflüssen
die Neffe und Hörsel; die Saale durchfließt den östlichen Teil des weimarischen
Kreises in einem romantischen und fruchtbaren Thale und ihr Zufluß Ilm gehört
bis zu ihrer Mündung hin größerenteils demselben Gebiete an. Im Neustädter
Kreise finden sich die Weiße Elster mir der Weida und der Saaleflnß Orla; für
kleinere Gebiete kommen noch andre Flüsse in Betracht (z. B. die Unstrut für All-
stedt und Oldisleben). Im Süden des Neustädter Gebietes sind viele Teiche vorhanden.
Das Klima des Landes ist im Saalthale ziemlich mild, in den Gebirgs-
gegenden, besonders auf der Rhön. rauh.
Die mittlere Jahreswärme ist für Weimar über 9, Eisenach gegen 9, Jena 8,g,
Ilmenau 8" C. Die meisten Niederschläge hat der Thüringer Wald (gegen 1000 mm),
i" der Hochebene betragen dieselben 600—700 mm. Die reine, gesunde Luft des
Thüringer Waldes und des thüringischen Hochlandes hat zahlreiche klimatische Kur-
orte entstehen lassen, besonders Berka a. d. Ilm, Frauensee, Ilmenau, Rastenberg,
Ruhla, Stadtsulza, Stotternheim; mehrere derselben haben auch Mineralquelleu.
Die Bewohner gehören besonders dem thüringischen und obersächsischen
(Kreis Neustadt), im südlichen Teile des Kreises Eisenach auch dem fränkischen
Stamme an; es überwiegt der evangelische Glaube bei weitem. Die Ein-
wohner beschäftigen sich am meisten mit Landwirtschast, demnächst mit Industrie,
einschließlich Bergbau und Bauwesen, am wenigsten mit Handel.
Das Deutsche Reich.
1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
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488 Zweites Kapitel.
und Pösneck quer über den Thüringer Wald und wird (bei Lehesten) von dem
Frankenwalde berührt. Andre Teile gehören dem Thüringer Hochlande an.
Die Ausläufer des Thüringer Waldes bestehen aus Rotliegendem, Granit und
Zechstein, die Borberge der Rhön ans Triasgestein, das vielfach von Basalt durch-
krochen und überlagert ist. Von den Bergen des Thüringer Waldes sind der
Gerberstein (728 m), die Birkenheide (717 m), von denen der Rhön der Gebaberg
(751 m), die Tisburg (709 m) zc. zu erwähnen. Im Südwesten des Landes wird
der Thüringer Wald mit der Rhön durch die Henneberger Höhen verknüpft, welche
aus Muschelkalk nebst Basalteinlagernugen bestehen und die beiden Gleichberge (678,
bez. 640 m) tragen. Auch von dem Nordrande des fränkischen Terrassenlandes wird
das Herzogtum noch erreicht; hier findet sich Keupergestein mit steilen Basaltkuppen
(Strauchhain 449, die Feste Heldburg 397 m). Der im südöstlichen Teile des Herzog-
tums gelegene Teil des Thüringer Waldes besteht aus Thonfchiefer und Grauwacke
und erhebt sich bis über 800 m (der Kieferle 806, der oberländer Bleß 864 in)' in
dem bezüglichen Teile des Frankcnwaldcs liegt der Wetzstein (815 m); in dem thü-
ringer Hochlande erhebt sich bei Kranichfeld der Riechheimer Berg (513 ml
Das Land hat das mildeste Klima in der Saalegegend, ist aber sonst
im ganzen ziemlich rauh; trotzdem kann man dasselbe als gesnnd bezeichnen.
Die mittlere Jahrestemperatur wird in Kamburg auf 8—9°, in Meiningen
dagegen nur auf 7", in Gräfenthal sogar nur auf 6" C. angegeben. Die Regen-
menge ist in den gebirgigen Teilen am größten und steigt dort auf etwa 1000 mm.
Als besonders gesund gelten Heldburg, Römhild, Saalfeld, Kamburg; als Kurorte
dienen Liebenstein und Salzungen.
Die Gewässer des Landes gehören der Elbe, der Weser und dem Main
an; der wichtigste Fluß ist die zur Weser gehörende Werra.
Dem Elbgebiete gehören Gewässer an, welche den Saalselder Bezirk und die
Exklave Kamburg durchfließen, nämlich die Saale, in welche hier die Loquitz mit der
Sormitz und die Schwarza gehen. Die Werra entspringt im Westen des Kieferle
und durchfließt den westlichen Teil des Hauptgebietes in nordwestlicher Richtung;
sie nimmt besonders von rechts her eine Anzahl Gebirgsflüßchen auf (Schwabach,
Schleuse. Hasel, Schwarza, Schmalkalde und Truse), doch auch von links her wird
ihr Gewässer vermehrt (Jüchse, Herps, Katze, Schwarzbach und Rose). Dem Main-
gebiete gehen zu: die Dobra vom Wetzstein, in die Rodach fließend, die Jtz vom
Bleß und die Miltz von den Gleichbergen; die letztere zur fränkischen Saale gehend.
Der Boden des Herzogtums ist im allgemeinen nicht sehr ergiebig, am
besten verhältnismäßig in dem Gebiet der Saale und im Grabfeld.
Im Jahre 1883 waren vorhanden an Acker-, Garten- und Weinland 103iib,
an Wiesen 27 229, an Weiden, Hntungen, Od- und Unland 5274, an Forsten und
Holzungen 103352, an Haus- und Hofräumen, Wegen, Gewässern ?e. 7877 ha,.
Hiernach ergibt sich besonders ein großer Waldbestand (41,g Proz.), während die
Wiesen nur wenig über den Durchschnitt des Reiches hinausgehen, Ackerland und
Weiden erheblich hinter demselben zurückbleiben.
An mineralischen Schätzen sind Eisenerze, Steinkohlen, Salz, Farben-
erden, Dach- und Tafelschiefer und Porzellanerde vorhanden.
Steinkohlen werden bei Sonneberg und Eisfeld (nur 4500 — 5000 Tonnen),
Salz in Salzungen und Oberneusulza (in den letzten Jahren etwa 20000 Tonnen
durchschnittlich), Farbenerden bei Gräfenthal, Sonneberg und Eisfeld, Schiefer bei
Lehesten, Gräfenthal und Steinach, Porzellanerde an mehreren Stellen, Eisenerze
ziemlich häufig (Produktion im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 35000 Tonnen
Roheisen) gewonnen.
Die Bevölkerung gehört dem thüringischen und dem fränkischen Stamme
an, spricht die thüringisch-sächsische und ostfränkische Mundart und ist weit über-
wiegend evangelisch. Dieselbe betreibt zwar allenthalben den Ackerbau, doch hat im
ganzen die Viehzucht größere Bedeutung; auch ist der Gewerbfleiß stark entwickelt.
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454 Zweites Kapitel.
französischen Zeit furchtbar, zumal die Hauptschlachten des Freiheitskrieges in Sachsen
geschlagen wurden. Nach Napoleons Sturz erlangte Preußen von Sachsen 367%
Quadratmeilen und 864400 Einwohner, während die Mark Meißen (mit Ausnahme
des nördlichsten Striches), der größte Teil der Oberlansitz und das Gebiet zwischen
Mulde und Elster (das Pleißnerland und der südliche Teil des Osterlandes), im ganzen
27172 Quadratmeilen mit 1182744 Einwohnern dem Könige Friedrich August I.
verblieben. Derselbe that fortan viel für die Hebung des Landes. König Anton
(1827—36) gab dem Lande (1831) eine Verfassung. Unter König Johann (1854—73)
trat Sachsen dem Norddeutschen Bunde bei, welcher 1871 sich zu dem Deutschen
Reiche erweiterte. Im Jahre 1866 Bundesgenosse Österreichs gegen-Preußen, trug
König Johann im französischen Kriege thatkräftig zur Niederwerfung des Erbfeindes
und zur Neugestaltung nnsres Vaterlandes bei; der jetzige König, Albert, aber war
als Kronprinz einer der ruhmreichsten Heerführer gegen Frankreich.
Betrachten wir die Erhebungsverhältnisse des Landes, so finden wir, daß
die südliche Hälfte desselben Gebirgsland ist, woran sich nordwärts Hügel-
land (^/z) und erst an dieses wiederum Flachland (V6) schließt. In dem Ge-
birgslande treten von Osten nach Westen zu das Lausitzer, Elbsandstein-, Erz-
und Elstergebirge hervor; das Erzgebirge ist das Hauptgebirge.
Das Lausitzer Gebirge reicht bis zur Südostgrenze Sachsens und besteht aus
zahlreichen Berggruppen; die höchsten Punkte (die Lausche und der Oybin, der Hoch-
wald, der Czorneboh bei Bautzen ?e.) übersteigen nicht eine Höhe von 830 in; es
besteht vorherrschend aus Granit, daneben ans Sandstein und Basalt. Das West-
wärts folgende Elbfandsteingebirge (die „Sächsische Schweiz"), zu beiden Seiten der
Elbe, besteht aus Quadersandstein, welcher an einzelnen Stellen durch Basaltmassen
durchbrochen wird. Gegen Südwesten folgt dann das Erzgebirge, ein ausgevräates
Kammgebirge, welches gegen Süden steil abfällt, dagegen nach Norden hin sich alt-
mählich abstuft. Es ist in seinem südwestlichen Teile am höchsten (sein Kamm bis
zu 1000 m und seine höchsten Kuppen, Fichtelberg, Keilberg, Auersberg, über 1200 m
hoch). Dem Erzgebirge ist das sächsische Mittelgebirge vorgelagert, welches von
Glauchau au 60 km weit östlich zieht und am Ostende mit dem Erzgebirge zu-
sammenhängt; noch weiter nördlich folgt das sächsische Bergland bis an die Linie
Meißen-Ofchatz-Grimma-Altenburg hin. Der östliche Teil des Erzgebirges besteht
bis zur Zschopau hin hauptsächlich aus Gneis, stellenweise auch aus Granit, der
südwestliche aus Glimmer- und Thonschiefer sowie gleichfalls aus Granit. Die Ur-
gesteine werden vielfach von Basalt, Phonolith, Porphyr und Melaphyr durchsetzt
(besonders an der unteren Zschopau und in der Nähe des Zwickauer Beckens). An
dem Nordrande der Urgebirgsschichten tritt Steinkohlengebirge mit stellenweise sehr
reichhaltigen Flözen auf; das nördliche Bergland enthält Brannkohlenlager (bei
Grimma, Oschatz, Bautzen). Das Erzgebirge ist reich an Erzen, besonders an Blei,
Silber, Zinn und Eisen.
^ Die Bewässerung des Königreichs Sachsen ist sehr günstig. Zahlreiche
Flüsse und Bäche entspringen den im Südeu des Landes liegenden Gebirgen,
nm sich größtenteils in den Elbstrom zu ergießeu, welcher den Hanptstrom
Sachsens bildet. __
Nur die Lausitzer Neiße, welche, nachdem sie in Böhmen ihren Ursprung ge-
funden hat, nach Sachsen übertritt, gehört der Oder an. Die Elbe tritt als 130 m
breiter, schiffbarer Strom in das Königreich, durchbricht zunächst das Elbsandstein-
gebirge, fließt dann durch den Thalkessel von Dresden, wird bis Meißen von Höhen-
zügen begleitet und verläßt Sachsen oberhalb Mühlberg (bei Strehla); sie hat in
diesem Lande eine schiffbare Strecke von 117 km. Von den linken Nebenflüssen der
Elbe find links die Mulde, welche sich aus der Zwickauer und Freiberger Mulde
(Zufluß Zschopau) bei Kolditz bildet, und die zur Saale gehende Weiße Elster mit
der Pleiße und Parthe, von den rechten Nebenflüssen die Spree und die Schwarze
Elster mit der Röder zu nennen. Außerdem sind viele kleinere Flüßchen, Flöß-
graben, Bergbaugräben, an stehenden Gewässern indes nur größere deiche (bei
Moritzburg, Wermsdors ?e.), aber keine eigentlichen Landseen vorhanden. An Mineral-
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Die übrigen Staaten in Mittel- und Norddeutschland. 457
Der Verkehr an diesem Platze ist freilich infolge der vermehrten Eisenbahnverbiu-
düngen in letzter Zeit nicht unerheblich zurückgegangen. Von den Steinkohlen werden
etwa 74 Proz. ausgeführt; sehr stark ist auch die Einfuhr, beziehentlich Durchfuhr
böhmischer Braunkohlen. Abgesehen von Steinkohlen, sowie von andern Produkten
des Bergbaues, gelangen besonders Gewebestoffe und Holzwaren zur Ausfuhr, teil-
weise in die fernsten Gegenden, während Rohstoffe für die Industrie (Wolle, Baum-
wolle, Flachs :e.), Kolonialwaren und Getreide eingeführt werden. Handels- und
Gewerbekammern sind in den wichtigsten Handelsplätzen (Zittau, Dresden, Chemnitz,
Plauen, Leipzig); auch das Bank- und Kreditwesen findet geeignete Vertretung. Die
Reichsbank hat eine Hauptstelle in Leipzig und Nebenstellen in mehreren bedeuten-
deren Plätzen. An sonstigen Bankinstituten find zu nennen: die Leipziger Bank, die
Allgemeine Deutsche Kreditanstalt, der Leipziger Kassenverein, die Leipziger Vereins-
bank (sämtlich in Leipzig); die Sächsische Bank, die Dresdener Bank, die Sächsische
Lombard- und die Sächsische Kreditbank (in Dresden), die Stadtbank (in Chemnitz),
die Landständische Bank (in Bautzen) :c. • Auch das Sparkassenwesen ist hoch ent-
wickelt. In Leipzig ist die Zahl der buchhändlerischen Firmen 1833—1883 von 92
auf 523 gestiegen; außerdem waren 1883 in Leipzig noch 5574 auswärtige Firmen
vertreten, von denen etwa '/z in Leipzig stehendes Lager hatten; 1882 wurden hier
2628 Werke publiziert.
Das Verkehrswesen ist der Bedeutung des sächsischen Handels ange-
messen. Als Wasserweg dient die Elbe; die Landstraßen sind zahlreich und
in gutem Zustande, das Eisenbahnwesen besitzt ein sehr verzweigtes System
und auch Post und Telegraphie haben eine entsprechende Entwickelung erhalten.
In Schandau gingen 1888 zu Thal 8015 beladene Schiffe mit einer Ladung
von 2175500 Tonnen und 305 800 Tonnen Floßholz, und zu Berg >177 beladene
und 6363 unbeladene Schiffe mit 199200 Tonnen Ladung durch. Es verkehren
einige 20 Personen- und ebensoviel Schleppdampfer, beziehentlich Kettendampfer und
Güterdampfer. Im Eisenbahnwesen ist, wie in Preußen, das System der Staats-
bahnen zum Durchbruche gekommen. Im Jahre 1888/89 waren 2135 km Eisen-
bahnen (sämtlich unter Staatsverwaltung) vorhanden. Im Personenverkehr ist die
Strecke Dresden-Potschappel, im Güterverkehr (wegen der Kohlenabfuhr) die Strecke
Eainsdorf-Zwickau-Werdau die freqnenteste. Die' Staatsstraßen haben eine Länge
von ca. 3800 km, wovon rund 2800 km kunstmäßig ausgebaut sind. — Das sächsische
Postwesen ist am l. Jan. 1868 auf den Norddeutschen Bund, 1872 auf das Deutsche
Reich übergegangen; es sind Oberpostdirektionen zu Dresden und Leipzig vorhanden.
Bei dem, wie erwähnt, durchschnittlich recht guten Boden wird ziemlich
viel Getreide erzeugt, doch erfordert die zahlreiche Jndustriebevölkerung fast
ein Drittel mehr Getreide als geerntet wird. Die Viehzucht ist sehr be-
deutend; namentlich stark ist der Bestand an Rindvieh, demnächst an Pferden
und Schweinen, verhältnismäßig am schwächsten der an Schafen, doch ist die
Rasse derselben noch immer sehr gut.
Im Jahre 1882 (5. Juni) gab es landwirtschaftliche Betriebe überhaupt
192921, davon nur auf eigenem Lande 121433 (Gesamtfläche: 994714 ha), auf
eigenem und gepachtetem 51508 und nur auf gepachtetem 19880 (Gesamtfläche des
Pachtlandes: 139482 ha). Am verbreitetften sind die mittleren Betriebe (von
l0 100 ha), welche 57,„ Proz. betragen, kleine Betriebe (von 1 — 10 ha) gibt es
25.7 Proz-, große Betriebe (von über 100 ha) 14., Proz. Im Jahre 1888 waren
bestellt mit Roggen 212104 (Ernteertrag: 289126 Tonnen), mit Weizen 50500
^Ernteertrag: 97 796 Tonnen), mit Gerste 32 652 (Ernteertrag: 49 349 Tonnen), mit
Kartoffeln 118846 (Ernteertrag: 1218748 Tonnen), mit Hafer 183233 (Ernteertrag:
285672 Tonnen) und mit Wiesenbau 276 984 ha (Ernteertrag: 453359 Tonnen). —
Der Zuckerrübenbau ist verhältnismäßig gering; im Jahre 1888/89 wurden von drei
Zuckerfabriken 70 669 Tonnen Rüben zu 8829 Tounen Rohzucker und 1925 Tonnen
Melasse verarbeitet. In demselben Verwaltnngsjahre waren 592 Brennereien im
Gange, von denen 116000 Tonnen Kartoffeln, 12400 Tonnen Getreide und 5000
sonnen andre Stoffe verarbeitet wurden. — Bei den Forsten überwiegen die