306
194. Frisch gesungen. — 195. Die Hoffnung.
Wer in tiefen Gaffen gebaut,
Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut;
Glocken haben ihn nie erschüttert;
Über ihm ist's, wenn's gewittert;
Aber spät sein Morgen graut.
Höh' und Tiefe hat Lust und Leid.
Sag ihm ab, dem törichten Neid;
Andrer Gram bringt andre Wonne.
Dulde, gedulde dich sein!
Über ein Stündelein
Ist deine Kammer voll Sonne. Paul Heyie
194. Krisch
bsab' oft im Kreise der Lieben
In duftigem Grase geruht
Und mir ein Liedlein gesungen
Und alles war hübsch und gut.
ksab' einsam auch mich gehärmet
In bangem, düsterem lnut
Und habe wieder gesungen
Und alles war wieder gut.
gesungen.
Und manches, was ich erfahren,
verkocht sich in stiller Wut,
Und kam ich wieder zu singen,
war alles auch wieder gut.
Sollst nicht uns lange klagen,
was alles dir wehe tut,
Nur frisch, nur frisch gesungen!
Und alles wird wieder gut. Chamisso
195. Pie Koffnung.
Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung;
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein;
Sie umflattert den fröhlichen Knaben;
Den Jüngling locket ihr Zauberschein;
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn, beschließt er am Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er — die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne der Toren;
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Vesserm sind wir geboren.
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
Schiller.
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199. Der Taucher.
311
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt;
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt
Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.
Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt
Und schwarz aus dem weißen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als ging's in den Höllenraum;
Und reißend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.
Jetzt schnell, eh' die Brandung wiederkehrt,
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und — ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört
Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,
Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
Schließt sich der Rachen, — er zeigt sich nimmer.
Und stille wird's über dem Wasserschlund;
In der Tiefe nur brauset es hohl
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
„Hochherziger Jüngling, fahre wohl!"
Und hohler und hohler hört man's heulen
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.
Und wärfst du die Krone selber hinein
Und sprächst: „Wer mir bringet die Krön',
Er soll sie tragen und König sein!" —
Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.
Was die heulende Tiefe da unten verhehle,
Das erzählt keine lebende, glückliche Seele.
Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefaßt,
Schoß gäh' in die Tiefe hinab;
Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast
Hervor aus dem alles verschlingenden Grab. —
Und heller und heller, wie Sturmes Sausen,
Hört man's näher und immer näher brausen.
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt;
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt
Und Well' auf Well' sich ohn' Ende drängt
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße.
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199. Der Taucher.
313
Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch
Zn scheußlichen Klumpen geballt,
Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,
Des Hammers greuliche Ungestalt
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.
Und da hing ich und war's mir mit Grausen bewußt,
Von der menschlichen Hilfe so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der gräßlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede,
Bei den Ungeheuern der traurigen Ode.
Und schaudernd dacht' ich's; da kroch's heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir; in des Schreckens Wahn
Lass' ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben;
Doch es war mir zum Heil; er riß mich nach oben."
Der König darob sich verwundert schier
Und spricht: „Der Becher ist dein
Und diesen Ring noch bestimm' ich dir,
Geschmückt mit dem köstlichsten Edelstein,
Versuchst du's noch einmal und bringst mir Kunde,
Was du sah'st auf des Meeres tiefunterstem Grunde."
Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
„Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht;
Und könnt Ihr des Herzens Gelüste nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen."
Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn schleudert hinein:
„Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell',
So sollst du der trefflichste Ritter mir sein
Und sollst sie als Eh'gemahl heut' noch umarmen,
Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen."
Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn
Und er siehet erröten die schöne Gestalt
Und er sieht sie erbleichen und sinken hin, —
Da treibt's ihn den köstlichen Preis zu erwerben
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben. —
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201. Dercksprüche.
315
„Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?"
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.
Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm;
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß;
Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.
Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sänger-Greis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis;
An einer Marmorsäule da hat er sie zerschellt;
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:
„Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite, noch Gesang!
Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!
Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft'gen Tagen Versteint, verödet liegt.
Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms;
Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"
Der Alte hat's gerufen; der Himmel hat's gehört:
Die Mauern liegen nieder; die Hallen sind zerstört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.
Und rings statt duft'ger Gärten ein ödes Heideland;
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand;
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch:
Versunken und vergessen! Das ist des Säugers Fluch. uhland.
201. Ienksprüche.
Wer nicht vorwärts strebt, dem ist es nicht ernst mit sich selber.
*
An dir selbst, dir selbst arbeite unaufhörlich! Dein Herz sei jeden
Abend reiner, lebendiger, treuer und edler!
*
Ein unnütz Leben ist ein früher Tod.
*
Es ist nichts als die Tätigkeit
das Leben erträglich macht.
*
nach einem bestimmten Ziel, was
Gecrg-Ecfcqrt-lnstftut
für intornationalo
Sc! •.'Ibl'chfarschung
L -; wwchwslg
•Schufouohbiliicihek -
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201. Denksprüche.
317
Die Würdigkeit besteht nicht darin, daß man Ehren genießt, sondern
daß man ihrer würdig ist.
*•
Wenn ich schon kein gutes Haus habe, aber einen guten Namen, so bin
ich wohl bewohnt;
Wenn ich schon kein gutes Kleid habe, aber einen guten Namen, so bin
ich wohl bedeckt;
Wenn ich schon keine gute Tafel habe, aber einen guten Namen, so bin
ich wohl gespeist:
Ehrenpreis ist weit ein ander' Gewächs als Tausendgüldenkraut.
*
Der vollkommenste Sieg ist: sich selbst überwinden.
*
Das Rechte erkennen und nicht tun, ist Mangel an Mut.
*
Wer sündigt, versündigt sich an sich selbst.
*
Der Mensch reinen Herzens hat heitere Stirne.
*
Die Sünde der Jugend verfinstert das Antlitz der Menschen im Alter.
*
Handle so bei Tage, daß dein Schlaf in der Nacht ruhig sein kann,
in der Jugend so, daß dein Alter heiter sei!
*
Das Gewissen ist der einzige Spiegel, der weder betrügt noch
schmeichelt.
*
Wenn du zwischen Wahrheit und Lüge in die Enge kommst, ent-
scheide dich ohne Nachsinnen für die Wahrheit! Sie ist immer die bessere
gesagt zu werden.
*
Die Wahrheit ist einfach, schmucklos und natürlich.
*
Was du als wahr erkannt, verkünd es ohne Zagen!
Nur trachte Wahrheit stets mit mildem Wort zu sagen!
*
O weh der Lüge! Sie befreiet nicht
Wie jedes andre, wahr gesprochne Wort
Die Brust; sie macht uns nicht getrost;
Sie ängstet den, der sie heimlich schmiedet,
Und sie kehrt, ein losgedrückter Pfeil,
Von einem Gott gewendet und versagend,
Sich zurück und trifft den Schützen.
*
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