20
§. 7. Die Inder.
Geschichte theils großartige religiöse Bauwerke, theils eine
reiche alte Literatur vielfache Andeutungen geben.
Zu jenen Bauwerken gehören die unterirdischen Grot-
tentempel mit ihren Bildwerken und Inschriften (z. B.
auf der Insel Elephante im Meerbusen von Bombay,
auf S a l se t t e bei Bombay, und vorzüglich zu E l l o r e
in der Mitte Vorderindiens, wo ein ganzer Porphyrberg
stockwerkartig ausgehöhlt und mit unzähligen, aus Felfen ge-
hauenen Tempeln angefüllt ist, an deren Vollendung Jahr-
hunderte gearbeitet haben); — ferner die über der Erde
in Felsen gehauenen Bauten, besonders die Palast-
und Tempel-Trümmer von Mavalipuram, einer ganz
in Felsen gehauenen Königsstadt auf der Küste Koromandel,
in der Nähe von Madras, die durch ein plötzliches Austreten
des Meeres verödet worden zu seyn scheint; — endlich gewisse
freistehende Pagoden, d. i. dunkle, von Lampen erhellte
Tempel mit mannigfaltigen, zur Bequemlichkeit der Wall-
fahrer eingerichteten Nebengebäuden (wie z.b. diemahadeva-
Pagode zu Benares).
Zu jener Literatur gehören vorzüglich die in der
Sanskritsprache geschriebenen heiligen und profanen Schrift-
werke. Die Sanskrit (deren ältere Mundarten Prakrit
und Pali heißen) ist zwar keine lebende Sprache mehr,
wird aber, wie bei uns das Latein, von den dortigen Priestern
noch heute studiert und verstanden, und hat in ihrem Baue
eine große Vollendung. In ihr sind besonders die vier ältesten
Religionsurkunden der Inder, die Vedas geschrieben, deren
Anlegung neuere Forscher in's 14. Jahrhundert v. Ehr., die
Inder selbst aber in eine noch höhere Zeit verlegen.
Die in diesen heiligen Büchern vorkommenden Gottheiten
sind Naturkräfte, und der ganzen Religion liegen, wie beim
Zendvolke, astronomische und astrologische Ideen zum Grunde.
Das höchste körperlose Urwesen ist Brahma (zu deutsch:
das Große), in welchem alle Dinge, als Ausflüsse von
ihm, ihren Grund und Bestand haben. Als der durch „sich selbst
Seyende" (parsisch: Choda) und nicht Darstellbare tritt er nie
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
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Extrahierte Ortsnamen: Bombay Bombay Madras Benares Prakrit
228 §. 82. Die slavischen Reiche Polen und Rußland.
S. Die slavischen Reiche Polen und Rußland.
§. 82. Jjte Slaven hatten sich, in Folge der Völkerwande-
rung , von Rußland und Polen aus zwischen dem 5. und 8.
Jahrhundert über den Nordosten und Westen Deutschlands
bis an die Elbe und Saale, und über Böhmen und Mähren
bis an das adriatische Meer und die Donau, ja über die
Donau bis an das Hämusgebirge verbreitet. Sie theilten
sich iw viele Stämme und Völker, denen allen kriegerische
Tapferkeit und wilder Freiheitssinn eigen war. Die in
Nord- und Ostdeutschland eingedrungenen Slaven wurden in
der Folge germanisirt; von den übrigen Slavenvölkern sind
die Polen und die Russen die mächtigsten geworden.
1. Polen wurde in der zweiten Hälfte des 9. Jahr-
hunderts von den Pi asten begründet, d. i. von den Nach-
kommen des Fürsten Piast, der die slavischen Stämme die-
ses Landes vereinigte. Miesko l (Miecislav) nahm sammt
seinem Volke 966 das Christenthum an und erkannte die
Oberhoheit des deutschen Kaisers. Sein tapferer Sohn Bo-
leslav I aber machte das Reich selbstständig, vereinigte die
Polen, Masovier, Krakovier und Schlesier zu Einem Volke,
und ließ sich 1025 zum König krönen. — Boleslav Ul
veranlaßte durch Theilung des Reiches einen innern Krieg,
in dessen Folge Schlesien unabhängig und nachher
germanisirt wurde. — Gegen das Ende des 12. Jahr-
hunderts führten Thronstreitigkeiten zu einem langen Bür-
gerkriege und dadurch zur Auflösung des Reiches in ver-
schiedene sich bekämpfende Staaten.
Endlich brachte Wladislav Iv 1309 Polen und Kra-
kovien wieder zur Vereinigung und empfieng 1320 zu Kra-
kau die Krone, die fortan bei Polen blieb. — Sein Sohn
Casimir Iu der Große, fügte Gallizien zu seinem
Reiche, schützte seine Bauern gegen die Willkühr des hohen
Adels, hemmte aber durch die große Begünsti-
gung des niedern Adels und der Juden die
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236
§. 86. Das Reich der Osmanen.
Io Das Reich der Osmanen.
§. 86. ^Äls von den Mongolen auch das obengenannte Seld-
schuckenreich (§. 85) vernichtet wurde, gründete Osmarr,
ein Vasall des seldschuckischen Sultans, in Bithpnien
1289 die osmanische oder türkische Herrschaft. Schon
Osman selbst eroberte Brusa; sein Sohn Urchan schuf
das mehrere Jahrhunderte hindurch stets siegreiche Fuß-
volk der I a n i t sch ar e n, diesen Kern des osmanischen
Kriegswesens, und faßte durch die Einnahme von Galli-
poli 1357 den ersten Fuß in Europa.
Dessen Nachfolger Murad l nahm 1361 Adrianopel
und dehnte seine Eroberungen bis Servien und Bulgarien
aus; Bajaftld I unterwarf dann die übrigen slavischen
Länder an der Donau, besiegte die Ungarn und drang so-
gar bis Steyermark vor. Als er seine Eroberungen in
Asien weiter fortsetzen wollte, stieß er auf T i m u r' s furcht-
bare Macht, erlag ihr 1402 und starb in der Gefangen-
- schaft.
Nach dem Verfall der tartarisch-mongolischen Herrschaft
stellte im osmanischen Reiche der wilde Muhammed I die
Einheit und Ordnung wieder her. Sein Sohn Murad Ii
legte dem griechischen Kaiser Tribut auf und besiegte die
Ungarn und Polen in der entscheidenden Schlacht bei
Varna (1444), durch welche der Grund aller osmanischen
Größe gelegt wurde; aber sein Versuch, weiter in das Land
der Christenheit vorzudringen, scheiterte an dem ausdauernden
Muthe Iohann's Hunpades (s. §. 83) und an
der ruhmvollen Tapferkeit des Georg Caftriota oder
Scanderbeg, der den königlichen Thron seiner Väter in
Albanien (Epirus) wieder aufgerichtet hatte, und sich nach
Murad's Tode gegen dessen Sohn und Nachfolger, den
wilden Muhammed Ii, noch lange als ein Hauptschild der
Christen wider die Türken erwies, obgleich er selbst im Islam
erzogen worden war. (Er hatte nämlich unter jene Christen-
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Extrahierte Personennamen: Muhammed Georg_Caftriota Muhammed
Extrahierte Ortsnamen: Bithpnien Europa Bulgarien Donau Ungarn Steyermark Asien Ungarn Polen Varna Albanien Epirus
312
H. 105. Die Fürsten und Völker
reich reizte die Türken zum Kriege gegen Rußland an. Die-
ser war Rußland darum erwünscht, weil dadurch den Polen,
deren Unterjochung es sich zum geheimen Ziele gesetzt hatte,
die türkische Hülfe entzogen wurde. Als die Russen siegreich
in der Türkei vordrangen und die Krimm, Wallach ei
und Moldau eroberten, und dabei sowohl Frankreich, als
England unthätig zusah, so fand es Friedrich für gut,
sich Katharinen zu nähern, und so geschah's, daß
Rußland ungehemmt Polen besetzen konnte. Da nun Österreich
einseitig keinen Krieg gegen Rußland wagen konnte, so
„folgte es der preußischen Politik, wie Preußen der russischen
folgte", die nun einmal Polen wollte. Auf den
Grund alter Ansprüche brachte man
1772 die (erste) Theilrurg Polens in Vorschlag, und Öster-
reich nahm den dargebotenen Vortheil an. Die drei Mächte
besetzten den dritten Theil Polens in der Art, daß Österreich
davon Ostgallizien und Lodomirien, Preußen West-
Preußen und den polnischen Netzdistrict, Rußland
endlich (gegen die Herausgabe der Moldau und Wallachei)
das Land bis an die Düna und den Dnjepr sich zu-
eignete. Damit aber die Form des Rechts nicht fehle, so
wurde der polnische Reichstag gezwungen, seine Einwilli-
gung dazu zu geben.
Das übrige Polen blieb durch die bedrückende Will-
kür seines Adels, so wie überhaupt durch seine schlechte
Verfassung stets in abhängiger Stellung und einer spä-
tern weitern Zerstückelung Vorbehalten. — Zm fortgesetzten
Kriege Rußlands mit der Türkei errang ersteres die freie
Schifffahrt auf allen türkischen Meeren.
Die deutsche Kaiserwürde bekleidete seit 1764
Joseph !l, indessen seine Mutter, die edle Maria The-
resia , nach ihres Gemahls Tode die Regierung der österrei-
chischen Erblande zum Wohl ihrer Unterthanen bis an ihr
Ende behielt.
Joseph H, der sich Friedrich den Großen zum Muster
nahm, war von dem thätigsten Eifer belebt, seine Unter-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Joseph_!l Maria_The- Maria Joseph_H Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Polen Frankreich England Theilrurg_Polens Polens
tz. 95. Die Reformation in den skandinavischen Reichen. 279
der reinen lutherischen Lehre gegen jeden calvinistischen und
jesuitischen Einfluß. (Christians Versuche, auch die abgöttischen
Finnen dem Evangelium näher zu führen, hatten indeß
keinen wesentlichen Erfolg, und noch über ein Jahrhundert
lang blieben sie im Schatten des Todes sitzen.)
Außerdem hatte die lutherische Reformation durch den
deutschen Orden, der sie seit 1525 in Preußen ein-
geführt hatte, auch in Liefland, E st hl and und Kur-
land Eingang gefunden.
Auch in Polen, Ungarn und Siebenbürgen
bekannten sich Viele theils zur lutherischen, theils zur refor-
mirten Lehre. — Die Reformation würde sich überhaupt in
Europa noch weiter verbreitet haben, wenn sie nicht in S p a-
n i e n und Italien, wo sie bereits tief eingedrungen war,
durch die Inquisition vertilgt, in F r a n k r e i ch durch den
Rücktritt Heinrichsiv aufgehalten; in den Niederlanden
durch die abgegränzte Scheidung der Nord- und Südprovinzeck
zum Stillstand gebracht; in D eutschl.and theils durch die
Zerwürfnisse der Protestanten unter einander selbst gestört,
theils durch die gegenreformirenden Bemühungen der katho-
lischen Fürsten zurückgedrückt; in Polen, wo durch die
Conföderation den Protestanten schon gleicher Schutz mit den
Katholiken zugesichert war, durch die rücksichtslosen Schritte
König Sigmunds Iii größtentheils verdrängt; — überall
aber in diesen Ländern durch die vom Tridentiner Concilium
hervorgebrachte Neubelebung der römischen Kirche und durch
die einmüthigen und thätigen Bestrebungen ihrer Congrega-
tionen, vorzüglich aber des schon oben genannten Jesuiten-
ordens, theils gehemmt, theils wieder vernichtet worden
worden wäre. Allenthalben in Europa, so wie in den übrigen
Welttheilen hatte am Ende des 16. und im Anfänge des
17. Jahrhunderts der Katholicismus die Oberhand.
I
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Extrahierte Personennamen: Christians
Extrahierte Ortsnamen: Polen Ungarn Europa Italien Polen Europa
§. 107. Gründung der englischen Herrschaft in Ostindien. 319
Ñ. Die Gründung der englischen Herrschaft
in Ostindien.
§. 107. den Verlust in Nordamerila wußte sich jedoch Eng-
land in Asien zu entschädigen. Denn die Überlegenheit,
welche eö schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Ost-
indien über Frankreich errungen hatte, gab der e n g l i sch -
0 st i n d i s ch e n Handelscompagnie (§. 93 a. E.)
daselbst Gelegenheit zur Stiftung eines Reiches, welches an
Größe das Mutterland weit übertrifft und diesem zur höchsten
Machtentwickelung verhalf.
Schon 1652 hatte sich diese Compagnie in Bengalen
niedergelassen, 1685 eine eigene Waffenmacht aufgestellt,
1698 Calcutta zu einer Präsidentschaft erhoben und durch
glückliche Kriege im Dekan erweitert. Als darauf das Mogul-
reich im Kampfe mit den Mahratten und zuletzt durch den Ein-
fall des wilden persischen Radirschah's, welcher 1737 Delhi
verwüstete, rasch zu sinken anfieng, und sich die auf ihre
eigenen Kräfte verwiesenen Statthalterschaften dieses Reichs
zu eigenen mächtigen Reichen ausbildeten: so griff der Statt-
halter von Bengalen Calcutta an, um die wachsende
Macht der Britten zu vernichten. Aber eben dieses Ereigniß
war in der Hand Gottes „das Mittel, ihr in Indien festere
Grundlagen und eben damit der Predigt des Evangeliums
an mehr als 100 Millionen Heiden und Muhammedaner
eine Sicherung zu geben, wie sie dieselbe nur in wenigen
Ländern außer Europa sich zu erfreuen hat." Die Compagnie
schlug durch den aus Madras herbeieilenden Clive (ihren
nachmaligen ersten Generalgouverneur von Indien) den Ra-
bob zurück, vertrieb auch die Franzosen aus Bengalen, und
ließ sich von dem Großmogul gegen eine jährliche Rente von
1 Mill. Pfd. Sterling
1763 die Hoheit über Bengalen abtreten, und übte
von da an die eigentlicke Herrschaft über dieses Land aus.
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Extrahierte Ortsnamen: Ostindien Ostindien Nordamerila Asien Frankreich Bengalen Calcutta Bengalen_Calcutta Gottes Indien Europa Madras Indien Bengalen Bengalen
§. 108. Die französische Revolution. 321
der Mahratten, durch die neueste Eroberung einiger
Provinzen des Birmanenreichs und der Jndusmündungen
erstreckt sich heut zu Tag die britische Macht in Ostindien vom
Himalaya bis nach Ceylon, vom Indus bis zum Irawaddy,
und gebietet dort über mehr als 100 Millionen steuer- und
50 Millionen tributpflichtiger Menschen. Diese lassen sich
ihre Herrschaft um so mehr gefallen, da die Tyrannei der
alten Rajahs und Nabobs so unerträglich und zerstörend
war, daß die englische Gesetzgebung und Verwaltung mit
ihrer erhaltenden und schaffenden Richtung „eine wahre
Wohlthat für diese Völker" wurde.
Was die ostindische Handelsgesellschaft selbst betrifft, so
mußte sie 1773 die Oberaufsicht über die ostindischen Ange-
legenheiten der Krone England einräumen, und ihre drei
Präsidentschaften Calcutta, Madras und Bombay
einem gemeinschaftlichen Generalgouverneur unter-
stellen , den sie jedoch vorschlagen darf.
3 Die französische Revolution.
L. Fall des Königthums und Errichtung der Republik.
Z. 108. Allmählig war die Zeit gekommen, da die im Laufe
des 18. Jahrhunderts am Horizonte der Politik und Re-
ligion in bösen Dünsten aufgestiegenen Wolken in einem
furchtbaren Gewitterorkan sich entladen sollten.
In Frankreich hatte die Schuldenlast, welche Lud-
wigs Xiv Eroberungssucht und Ludwigs Xv (1715 —
1774) Verschwendungssucht bis auf 1000 Millionen Fran-
ken aufgehäuft hatte, den größten Abgabendruck, und dieser
die bitterste Unzufriedenheit hervorgerufen. Zugleich hatte
das schandbare Leben am Hofe Ludwigs Xv das König-
thum in Verachtung gebracht, und die freigeistischen Schriften
21
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Ostindien Ceylon Irawaddy England Calcutta Madras Bombay Frankreich Ludwigs Ludwigs König-
326 §. 109. Die französischen Revolutionskriege.
Stand und warf in den Jahren 1795 und 1796 durch seinen
Erzherzogkarl jedesmal zwei in Süddeutschland ein-
dringende französische Heere über den Rhein zurück.
Die Freiheitskriege Nordamerikas und Frankreichs hatten
auch in Polen Anklang gefunden. Sein Versuch, sich dem
drückenden russischen Einflüsse durch eine neue Verfassung, die
es sich 1791 gab, zu entziehen, und das in Polen sich ver-
breitende Jakobinerwesen hatten 1793 Preußen und Rußland
die Veranlassung zur zw eiten Theilung Polens ge-
geben. Die Erbitterung darüber, so wie die fortwährende
Besetzung Warschaus durch die Russen, brachte schon im
folgenden Jahre die Polen unter Kosziusko zum
allgemeinen Aufstand; aber Preußens, Rußlands
und Österreichs Heere dämpften ihn bald, und nach der Be-
siegung und Gefangenschaft des heldenmüthigen Kosziusko,
der Erstürmung Praga's und der Kapitulation Warschaus
erfolgte
1793 die dritte und letzte Theilung Polens und mit
ihr der Verlust seiner politischen Selbststän-
digkeit.— An dem so tapfern Volke der Polen ist übrigens
zu sehen, wie die beständige, oft bis zur Anarchie gehende
Verwirrung der Negierungsgewalten, die wechselseitige An-
feindung der Parteien, die Unterdrückung des Bürger - und
Bauernstandes, die Vernachlässigung alles Rechts, aller
Wissenschaft, aller Kunst, aller Industrie, verbunden mit dem
steten Trieb, die Nachbarn zu beunruhigen, sich mit dem
vollkommenen Sturz des Staates rächt.—
Während die Franzosen in Deutschland gegen Österreich
nichts ausrichteten, führte 1796 in Italien der französische
Obergeneral Napoleon Bonaparte (geb. 1768 zu
Ajaccio aufcorsica) die Franzosen von Sieg zu Sieg. Sar-
dinien, Neapel und der Papst mußten mit schweren
Opfern den Frieden erkaufen, die alte Republik Venedig
sich vernichten lassen und Österreich
1797 im Frieden zu Campoformio Belgien und die Lom-
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_Bonaparte Napoleon
h. 10 J. Schwedens Fall und Rußlands Erhebung. 299
ßenden Hülle feiner Bildung, jener Geist sittlicher Unrein-
heit, völliger Gleichgültigkeit gegen das Heilige, despotischer
Willkühr, leichtsinniger Verschwendung, launenhafter Mode-
sucht, welcher von Paris aus nicht nur ganz Frankreich,
sondern auch fast alle Völker und Staaten Europa's seuchen-
artig ergriff und die sittlichreligiösen Stützen des Völker-
glücks und Staatenbeftandes untergrub.
L. Schwedens Fall und Rußlands Erhebung.
§. 101. Mährend dieser Bewegungen und Veränderungen im
Westen Europa's war auch der Norden und Osten in Er-
schütterung : denn dort war Schweden mit Dänemark,
Rußland und Polen im Kampf.
Schweden war unter der Regierung C h r i st i n a' s,
der geistvollen, aber ganz unweiblichen Tochter Gustav
Adolfs, die erste nordische Macht geworden. Unter
Karl X (von Pfalz-Zweibrücken, Gustav Adolfs Schwe-
stersohne, zu dessen Gunsten Christina die Krone nie-
derlegte, um in Frankreich katholisch zu werden und in
Italien ein ungebundenes Leben zu führen) hatte sich diese
Macht in einem Kriege mit Polen durch Eroberung
Liefland's und mehrerer dänischen Znseln erweitert und
sich auch unter Karl Xi in dem gleichen Umfang erhalten:
— als die Minderjährigkeit Karl Xii, welcher 1697 seinem
Vater auf dem Throne folgte, den Feinden Schwedens die
beste Gelegenheit zu seiner Schmälerung zu bieten schien.
Diese Gelegenheit erfaßte nun zunächst Rußland.
Rußland hatte auch unter den Nachfolgern Zwan's
Wasil jewitsch ( §. 81 a. E.) sich weiter entwickelt.
Wasilei Iv (1505 — 1534), der zuerst den Czaarstitel
annahm, hatte durch die Errichtung der S t r e l i tz e n (einer
Leibgarde) den Grund zu einem stehenden Heere gelegt,
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Extrahierte Personennamen: L._Schwedens Gustav
Adolfs Gustav Adolfs Karl_X Karl Gustav_Adolfs_Schwe- Gustav Adolfs Christina Karl_Xi Karl Karl_Xii Karl
Extrahierte Ortsnamen: Schwedens Paris Frankreich Westen_Europa's Polen Frankreich Italien Schwedens
300 ß. 101. Schwedens Fall und Rußlands Erhebung.
das stets sich empörende Kasan wieder zur Lehnspflicht
gebracht und Astrachan erobert. Da aber mit seinem
Sohne Feodor 1588 der Mannsstamm Rurik's erlosch,
so wurde das Reich durch Thronstreitigkeiten erschüttert,
bis durch die vereinigten russischen Großen
1613 das Geschlecht der Romanow zur Erbfolge berufen
und die Ruhe hergestellt wurde.
Der Enkel des Stifters dieser neuen Czaarendynastie,
Peter der Große, faßte, als er 1689 die Regierung
selbst übernahm, den fruchtbaren Gedanken, die Macht sei-
nes Reiches durch Einführung europäischer Kultur zu he-
den. Er gab die Reisen ins Ausland frei, setzte das See-
und Kriegswesen auf europäischen Fuß, gab der Staats-
verwaltung europäische Formen, zog zur Beförderung der
Industrie geschickte Ausländer ins Land, gründete Bildungs-
schulen und machte sich zum Haupt der russisch-griechischen
Kirche.
Nachdem er in einem glücklichen Kriege mit den Türken,
deren Schwäche seit längerer Zeit zugenommen hatte, Asow
erobert und den freien Handel auf dem schwarzen
Meere errungen hatte, machte er, nach Dämpfung einer
Strelitzenempörung, selbst Reisen zu seiner Ausbildung ins
Ausland, und lernte in Holland Schiffe bauen, in England
aber das Schiffswesen in seiner Vollkommenheit kennen. Als
ihn ein Aufstand der Strelitzen zurückgerufen und er diese
stets aufrührerische Leibwache nach furchtbarer Bestrafung
aufgehoben hatte, dachte er darauf, sich durch Eroberung
der schwedischen Ostseeländer auch eine Seemacht im
baltischen Meere zu gründen, und zu diesem Zwecke >
verband er sich, die minderjährige Regierung Karl's Xii
benützend, mit Dänemark und Polen.
Polen, — das unter den letzten beiden Zagellonen
(§. 81) durch Erwerbung von Masovien, Kurland und
Litthauen den Gipfel seiner Macht erreicht, aber nach dem
Aussterben des jagellonischen Man ns st am m 's
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Extrahierte Personennamen: Feodor Peter_der_Große
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