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Erstes Kapitel.
verarbeitende und handelnde Gewerbsklasse. Die
erste begreift alle diejenigen Menschen in sich, die sich
mit der Gewinnung der Naturprodukte beschäftigen; die
zweite diejenigen, welche aus den Naturprodukten Kun st,
Produkte machen, d. h. solche Erzeugnisse, welche die
Hand des Menschen vermittelst der Verarbeitung der
roden Naturprodukte hervorbringt. Anstalten, worin
dies, unter der Leitung eines Unternehmers, ins Große ge-
schieht, und wo die einzeln Arbeiter einander in die
Hände arbeiten, heißen Fabriken oder Manufak-
turen, und die dadurch hervorgebrachten Gegenstände
Fabrikate, und Städte, deren Einwohner sich vor-
züglich damit beschäftigen , heißen Fabrikstädte. Die
handelnde Gewerbsklasse endlich nährt sich vom Kauf
und Verkaufe derjenigen Erzeugnisse, welche Gegen-
stände des Handels oder Waaren sind.
Verschiedenheit der Menschen in der Religion und
Regierungeverfassung.
§. 49. Zn Rücksicht der Religion (Vereh-
rung eines höchsten Wesens) theilen sich die Menschen
in Verehrer Eines Gottes, wozu die Christen, Ju-
den und Múdame dan er gehören, und in Anbeter
von mehrern Göttern, Heiden, davon ein Theil Men-
schen, ein Theil Kunst- und Naturprodukte, ein Theil
die Gestirne oder das Feuer als Gottheiten anbetet. Die
Christen theilen sich wieder in Katholiken, Evangelische
oder Protestanten, wozu die Lutheraner und Neformir-
ten gehören, und in Griechische Christen.
Zn Hinsicht der Regierungs-Verfassung findet wie,
der eine große Verschiedenheit unter den Menschen Statt,
indem sie entweder in gewissen Gesellschaften ohne Ge-
setze und ohne eine bestimmte Regierungs - Verfassung,
wobei bloß die Familienväter die Oberhäupter derselben
bilden — oder in einer bestimmten Regierungs »Verfas-
sung leben, die entweder despotisch, wo Einer über
Alle herscht und nach Willkühr, ohne an Gesetze ge-
bunden zu seyn, über das Leben, Eigenthum und Frei-
heit der Menschen verfügt — oder monar chisch, wo
zwar auch Einer über Alle, jedoch nach gewissen Ge-
setzen regiert — oder republikanisch ist, wo die
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
90
Kaaba, nimmt sich seiner an. Handelsreisen. Wittwe
Kadidscha. Neue Religion Islam, d. i. gläubige Erge-
bung; die Anhänger Moslemin, d. i. Gläubige. „Es
gibt nur Einen Gott, und Muhamed ist sein Prophetbo)
Am 15. Juli 622 Flucht von Mecka nach Medina
(Hedschra, mohamedanische Zeitrechnung«. 66lj Erobe-
rung von Mecka, 63! Angriff gegen das byzantini-
sche Reich, 632 Tod Muhameds, sein Grab in Medina.
Der Koran, d. i. Schrift. Sekten der Schiiten (Aliten)
und Snuiten.
Die ersten Kalifen (d. i. Statthalter) waren A-bu
Be kr (Schwiegervater des Propheten) und Omar. Die-
ser eroberte Palästina, Syrien und Persien, wäh-
rend sein Feldherr A m r u A e g y p t e n unterwarf, ä)
Bald wurde auch Afrika's Nordküste erobert.
711 Tarik setzt nach Spanien über,,wo ein maurisches
Reich gegründet wird.
Gibraltar — Gebet al Tarik, d. i. Fels des Tarik. Der
Westgothenkönig Roderich verliert die «L-chlacht bei
Lerez de la Frontera, Mnsa vollendet die Erobe-
rung Spaniens. Nur in den astliri scheu Gebirgen be-
hauptet sich ein kleines westgothisches Reich. Lon hier ans
kämpften die Christen fortwährend gegen die Mauren und
entrissen ihnen eine Provinz nach der andern e); aber erst
1492 ging die letzte maurische Besitzung, Granada, an
Ferdinand den Katholischen verloren.
732 Karl Martell schlägt die Araber bei Poitierö.
Dagobert 1. beherrschte eine Zeit lang das ganze fränkische
Reich, überließ aber die Regierung (622) dem Major
dornus Pipin von Landen. Nach ihm theilte sich
wieder das Reich in Austrasien, Neustrien und Burgund.
Sein Enkel Pi Pin von Heristal ward (687) durch
den Sieg bei Testri Major dornus über das ganze Reich.
Dessen Sohn Karl Martell (d. i. Hammer) befestigte
und erweiterte diese Herrschaft, nannte sich dux et prin-
ceps Francorum und kämpfte glücklich gegen Friesen, Ale-
inannen und Baiern.
Als die Araber unter Abderrahman mit 400000 Mann
von Spanien aus in Frankreich einsielen, schlug er sie iw
c Moses und Jesus betrachtete M. als seine Vorgänger.
d) Die angeblich auf Omars Befehl erfolgte Verbrennung der großen
Bibliothek zu Alexandria beruht wahrscheinlich auf Sage.
e) In diesen Kämpfen zeichnete sich im 11. Jahrhundert Don Rodrigo
von Vivar (genannt der Cid) aus.
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Extrahierte Personennamen: Kadidscha Mecka Mecka Palästina Gibraltar Roderich Mnsa Ferdinand Karl_Martell Karl Karl_Martell Karl Jesus M. Rodrigo
von_Vivar
337
Wunderbar ist es, wie Jerusalem, das so viele Zerstörungen erlebte, sich
immer wieder aus dem Schutt erhoben hat. Wer Judäa durchwandert, weiß
kaum, ob er es das Land der Verheißung oder des Fluches nennen soll. In keinem
Lande treten so wie hier die Güte und der Ernst Gottes ergreifend vor die mensch-
liche Seele.
6.
Betrachten wir nun noch die Weltlage des heiligen Landes, so tritt uns immer
klarer der Gedanke entgegen, daß keine Stätte geeigneter war zur Anzündung
des Lichtes, das die Welt erleuchten sollte. Palästina liegt nicht nur im Mittelpunkt
der Altenwelt, sondern auch in einer Gegend, wo vieleder großen Verkehrsstraßen
der Völker zusammentrafen und theilweise noch zusammentreffen, Straßen, die in
allen Richtungen bis in die entferntesten Länder führen. Außerdem lag es zur
Zeit des Heidenthums ui der Mitte der Nationen, welche am frühesten menschliche
Bildung angenommen hatten und zur höchsten Macht und Blüte gelangt waren:
ringsherum wohnten die Aegypter, die Babylonier und Assyrier, die Phönizier und
Syrer, die Griechen und die Römer und die Araber. So ist es denn wahr, was
Hes. 5, 5 geschrieben steht: „Das ist Jerusalem, die ich unter die Heiden gesetzt
habe und rings um sie her Länder." So war es diesen Völkern leicht, den Gott
Israels kennen zu lernen und seine Herrlichkeit zu sehen; und als nachher die
Apostel ausgingen, fanden sie gebahnte Wege, welche zu den entferntesten Gegenden
der bekannten Welt führten. Diese Straßen aber berührten das heilige Land selbst
nicht, sondern entweder im Norden die phönizischen oder im Süden die ägyptischen
Städte. Das heilige Land ist eine Friedensinsel mitten im Ocean
der Welt. Sie kann allem, was sie umgiebt, fremd bleiben, aber die ganze Erde
ist ihren Bewohnern offen. In heiliger Einsamkeit und Stille reifte hier der Same
des göttlichen Wortes, um dann mit wunderbarer Schnelligkeit unter alle Völker
getragen zu werden.
66. Blick in s Weltall.
Jes. 40, 20: Hebet eure Augen in die Höhe und sehet!
Wer hat solche Dinge geschaffen und führet ihr Heer
bei der Zahl heraus, der sie alle mit Namen rufet?
1. Die Erde und die Sonne.
Nach dem Augenscheine und nach dem allgemeinen Glauben wäre die Erde
mit allen ihren Bergen und Thälern eine große, runde Fläche, gleich einer unge-
heuren, großen Scheibe. Am Rande derselben weiter hinaus kommt nichts mehr,
dort ist gleichsam der Himmel an sie angefügt, der wie eine große, hohle Halbkugel
über ihr steht und sie bedeckt. Dort geht am Tage die Sonne auf und unter,
bald früher, bald später, bald links an einem gewissen bekannten Berg oder Haus,
bald rechts, und bringt Tag und Nacht, Sommer und Winter, und bei Nacht der
Mond und die Sterne, und sie scheinen nicht gar entsetzlich hoch über unsern
Häuptern zu stehen.
Das wäre nun alles gut, wenn's niemand besser wüßte; aber die Sternseher
wissen's besser. Denn erstlich, wenn einer daheim weggeht und will reisen bis
an's Ende der Erde, an den Rand, wo man einen aufgehenden Stern mit der
Hand weghaschen und in die Tasche stecken kann, und er geht am ersten April vom
Haus aus, so hat er den rechten Tag gewählt. Denn er kann reisen, wohin er
will, durch Deutschland, durch Polen, durch Rußland, nach Asien hinein, durch
die Mohamedaner und Heiden, vom Land auf's Wasser, und vom Wasser wieder
auf's Land, und immer weiter. Aber endlich, wenn er ein Pfeiflein Taback ein-
füllt und will daran denken, wie lang' er schon von den Seinigen weg ist, und
wie weit er noch zu reisen hat an's Ende der Erde und wieder zurück, auf einmal
wird's ihm heimlich in seinem Gemüth, es wird nach und nach alles, wie es da-
Voterländisches Lesebuch. 22
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Ernst Palästina Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Gottes Jerusalem Israels Deutschland Polen Asien
484
13. Die Einführung der Reformation.
1. Der Aberglaube des Volkes.
In der katholischen Kirche waren im Laufe der Jahrhunderte viele
Mißbräuche aufgekommen. Der Pabft in Rom meinte der Statthalter
Christi auf Erden zu sein, und alle Völker glaubten an die Irrlehren,
welche seine Priester ihnen verkündigten. Auch in unserem Lande hatte
der ärgste Aberglaube tiefe Wurzeln gefaßt. Die Maria verehrte man
auf abgöttische Weise als Mutter Gottes und Königin des Himmels und
glaubte durch ihre Fürbitte Vergebung der Sünden zu erlangen. In
Nücheln in Holstein war ihr Bild aufgestellt, das viele Wunder verrichten
sollte und von vielen Pilgern besucht wurde. Im Kloster zu Bordesholm
wurden ihre Nählade, ihr Nähtuch und Nähkissen, ihre Flechten und
Krystalle, ja die Reste von ihrem Ohrenschmalz den Besuchern zur
Verehrung ausgestellt. Daneben ward ein Stück von dem Kreuze Christi
gezeigt, welches eine unendliche Menge von Löchern enthielt, die von
Herzögen und Grafen zur Bezeichnung ihrer Sünden hineingestochen
waren. Zu Klues in der Probstei Flensburg verehrte man das Bild der
heiligen Anna, der Mutter der Maria, die kranke Kühe und Pferde gesund
machen sollte, wenn man nur die „Klawen" und Halfter, woran sie
gebunden, der Heiligen darbrachte. Den Heiland und Erlöser nannte
man St. Helper und sein wunderthätiges Bild ward zu Ploen und
Klipplev gezeigt. Es hing hier in einer Kapelle am Kreuze, war mit einer
goldenen Krone, goldenen Handschuhen und Schuhen geschmückt und
konnte nur durch ein vergittertes Fenster gesehen werden. Krankes Vieh
führte man auch dahin und glaubte, daß es gesund würde. Auf dem
Kirchhofe zu Gottorf war eine geweihte Kapelle, in der das Bild des
heiligen Georg stand und von einer alten Frau bewacht wurde. Ihm
wurden Pferde, Kühe, Ochsen, Schweine, Wachs, Flachs, Korn und vieles
andere dargebracht. Aber alle diese inländischen Wallfahrtsörter, die
heiligen Quellen z.b. zu Süderbrarup, genügten kurz vor der Reformation
dem Volke nicht mehr. Sie pilgerten in ferne Länder, nach Rom,
Spanien, selbst nach Jerusalem, um daselbst die todten Knochen längst
verstorbener Männer anzubeten.
Entsetzlicher aber war noch der Aberglaube, den die Priester und
Mönche verbreiteten, um Geld und Gut zu gewinnen; die heiligen
Sakramente reichten sie den Leuten für ein Pferd oder eine Kuh, und
Vergebung der Sünden ertheilten sie für Gold und Silber. Im Jahre
1516 kam ein Gesandter des Pabstes, Arcimbold, in's Land und bot allem
Volke Ablaß der Sünden an, mit der Verheißung, daß er vom Pabste die
Macht empfangen habe, für Geld die völlige Reinheit und Unschuld der
Seelen, wie zur Zeit der Taufe, wiederherzustellen, bis zum Tode zu
erhalten und dann die Thür des Himmels zu öffnen. Selbst Raubmördern
ertheilte er Ablaß ihrer Sünden, wenn sie ihm gut zahlten von ihrem
Raube. — Es gab ein Gebet, von dem gesagt wurde, daß der Kaiser Karl
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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249
bis er mich wieder zu sich gewöhnte. Die Mutter stäupte mich einmal um
einer geringen Nuß willen, daß das Blut danach floß; aber sie meinten es
herzlich gut." — 14jahre alt schickte ihn sein Vater nach Magdeburg und
1 Jabr später nach Eisenach, wo er seiner Mutter Freundschaft batte,
damit er es im Lernen weiter bringen könnte, als in Mannsfeld. Daselbst,
sonderlich zu Eisenach, hat er den Brotreigen vor den Thüren gesungen
und das Brot vor den Häusern genommen. 1501 ging er nach Erfurt
auf die hohe Schule. Obwohl von Natur ein hurtiger und fröhlicher Ge-
selle, fing er alle Morgen sein Lernen mit herzlichem Gebet und Kirchen-
gehen an, wie denn dies sein Sprichwort war: „Fleißig gebetet, ist über
die Hälfte studiert." Einmal, wie er die Bücher in der Universitäts-
Bibliothek fein nach einander besieht, kommt er über die lateinische Bibel.
Da vermerkt er mit großem Verwundern, daß viel mehr darin steht, als
man in den gewöhnlichen Postillen und auf den Kanzeln pflegte auszulegen.
Wie er sich im A.t. umsieht, kommt er über Samuelis und seiner Mutter
Hanna Geschichte, und weil ihm dies alles neu war, fängt er an von Grund
seines Herzens zu wünschen, unser getreuer Gott wolle ihm einst auch ein
solch Buch bescheren.
In großer Angst um seiner Seelen Seligkeit, insonderheit als ibm
sein guter Freund erstochen ward und ihn ein großes Wetter und gräu-
licher Donnerschlag hart erschreckte, so daß er zur Erde niederfiel, ging er
1505 in das Kloster, um dort mit Mönchswerken Gott zu dienen und die
Seligkeit zu erwerben. Aber obwohl er mit Wachen, Beten, Lesen und
anderer Arbeit sich fast zu Tode marterte, war er doch immer traurig; er
würde verzweifelt sein, wenn ihm Gott nicht in seiner Noth einen alten
Klosterbruder zugeschickt hatte. Dieser verwies ihn, als er ihm seine An-
fechtungen klagte,^auf die Worte: „Ich glaube eine Vergebung der Sün-
den." Es sei mcht genug, im allgemeinen zu glauben, daß etlichen ver-
geben werde, wie auch die Teufel glauben, daß dem David oder Petrus
vergeben fei, sondern das sei Gottes Wille, daß jeglicher glaube, daß ibm
vergeben werde.
Im Jahre 1508 kam Luther wegen seiner sonderlichen Geschicklichkeit
und ernstlichen Frömmigkeit als Lehrer an die neue Universität nach Wit-
tenberg. Er lehrte so gewaltig, daß sich verständige Männer sebr ver-
wunderten und einer sagte: „Diesermönch wird alle Doctoren irre machen
und eine neue Lehre aufbringen und die ganze römische Kirche reformieren;
denn er legt sich auf der Propheten und Apostel Schrift und stebet auf
Jesu Christi Wort."
1510 wurde er in Klostergeschäften nach Rom geschickt, davon er
später oftmals gesagt hat: „Ich wollte nicht 100,000 Gulden nehmen,
daß ich Rom nicht gesehen hätte." In Andacht war Luther nacb Rom
gekommen und hoffte dort, den Frieden für seine Seele zu finden. Aber
er entsetzte sich über die gotteslästerlichen Reden der Priester bei Tische.
„Daneben ekelte mir sehr, daß sie so sicher und fein rips raps konnten
Messe halten, als trieben sie ein Gaukelspiel; denn ehe ich zum Evangelio
*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Hanna David_oder_Petrus David Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Magdeburg Eisenach Mannsfeld Eisenach Erfurt Gottes Christi Rom Rom Rom
52
3. Die Sternlein schön
am Himmel gehn;
die Glock’ schlägt zwei,
sie geh’n hinunter nach der Reih’.
4. Der Wind , der weht,
der Hahn, der kräht,
die Glock’ schlägt drei,
der Fuhrmann hebt sich von der
Streu.
5. Der Gaul, der scharrt,
die Stallthür knarrt.
Die Glock’ schlägt vier,
der Kutscher siebt den Hafer
schier.
6. Die Schwalbe lacht,
die Sonn’ erwacht.
Die Glock’ schlägt fün f;
der Wandrer macht sich auf die
Strümps.
7. Das Huhn gagackt,
die Ente quakt.
Die Glock’ schlägt sechs;
steh auf, steh auf, du faule Hex’!
8. Zum Bäcker lauf,
ein Semmlein kauf!
Die Glock’ schlägt sieben;
die Milch thu’ an das Feuer
schieben!
9. Thu’ Butter ’nein
und Semmel fein!
Die Glock’ schlägt acht;
geschwind dem Kind’ die Supp’ gebracht!
99. Wer ist denn mein Nächster?
Ein Kesselflicker in der Gegend von Halberstadt ging einst bei strenger
Kälte mit seinem Geräthe über Feld und fand an der Landstraße einen
Juden ganz erfroren. Neben ihm stand ein Körbchen mit Tüchern und
Bändern, mit denen er gehandelt hatte. Ein liebloser, unredlicher Mensch
hätte vielleicht die Waaren mit sich genommen und den Juden liegen lassen;
aber dem ehrlichen Kesselflicker blutete das Herz bei diesem Anblick. „Viel-
leicht", sprach er bei sich selbst, „lebt der arme Jude noch und kann sich
wieder erholen; ist er gleich ein Jude, so ist er doch ein Mensch, ist mein
Nächster, und ich muß ihm helfen." — So dachte er, verscharrte sogleich
seine und des Juden Sachen in den Schnee, nahm den Juden auf den
Rücken, trug ihn in das nächste Dorf und sorgte nun dafür, daß alle
Mittel angewendet wurden, ihn wieder zum Leben zu bringen. Nichts
glich seiner Freude, als er endlich sah, daß der Jude die Augen wieder
aufschlug und in's Leben zurückkam. „Gottlob!" rief er aus, „so war
doch meine Hülfe nicht vergebens!" — Hierauf gab er dem Wirth etwas
Geld zur Verpflegung des Juden, lief dann wieder auf das Feld und
brachte seine und des Juden Sachen aus dem Schnee herbei. Als er
zurückkam, fiel ihm der Jude voll dankbarer Rührung um den Hals, dankte
ihm herzlich für seine Errettung und bot ihm seinen ganzen Korb mit den
Waaren zum Geschenke an; aber der Kesselflicker nahm gar nichts. Ver-
gebens drang der Jude mit weinenden Augen in ihn, doch nur eine kleine
Erkenntlichkeit anzunehmen; sein Retter ließ ihn gar nicht zum Worte
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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101
gebäudc und Gärten. Und am Ende der Straße steht Francke's Stand-
bild; in Priesterkleidung segnet er zwei Waisenkinder. Ja, das alles ist
entstanden aus Francke's gesegneter Glaubensarbeit. In seiner Wohnung
hing eine Armenbüchse mit 1. Joh. 3, 17 und 2. Korinth. 9, 7. Einst
legte eine fromme Frau 7 Gulden auf einmal hinein. „Das ist ein ehrlich
Kapital," sprach Francke, „davon muß man was Rechts stiften; ich will
eine Armenschule damit anfangen." Und diese Armenschule war der Grund-
stein zu den großen Francke'schen Stiftungen in Halle. Wie war aber
solch großes Werk dem armen Pfarrer möglich? Nun, der Herr half ja
mitbauen, indem er die Herzen seiner Gläubigen rührte, daß sie reiche Ga-
den zum frommen Werke spendeten. Francke sagt selbst: „Zum Baue des
Waisenhauses mußte ich nun von Woche zu Woche von der guten Hand
Gottes erwarten, was sie darreichen würde. Einmal war äußerster Geld-
mangel. Da ich bei schönem Wetter ausgegangen war," erzählt Francke,
„und den klaren Himmel betrachtete, ward mein Herz sehr im Glauben
gestärkt, also, daß ich bei mir selbst gedachte: wie herrlich ist es doch, wenn
man nichts hat und sich auf nichts verlassen kann, kennt aber den lebendigen
Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, und setzet auf ihn allein sein
Vertrauen. Kaum war ich nach Hause zurückgekehrt, so kommt der Bau-
aufseher und verlangt Geld für die Arbeitsleute. ,Jst was gekommen/
fragte er. Ich antwortete: ,Nein, aber ich habe Glauben an Gott/ Kaum
hatte ich das Wort ausgeredet, so ließ sich ein Student bei mir melden,
welcher 30 Thaler von jemand, den er nicht nennen wollte, brachte. Da
ging ich wieder in die Stube und fragte den andern, wie viel er diesmal
zur Bezahlung der Bauleute bedürfte? Er antwortete: , Dreißig Thaler/
Ich sagte: ,Hier sind sie / fragte dabei, ob er mehr brauchte? Er sagte:
,Nein/ was denn uns beide sehr stärkte, indem wir so gar augenscheinlich
die Hand Gottes erkannten, die es in dem Augenblicke gab, da es von
Nöthen war." So wunderbar und gnädig half der Herr unzählige Mal.
Das Haus wurde fertig, obgleich ein ungläubiger Mensch gesagt hatte:
„Wenn die Mauer in die Höhe kommt, will ich mich dran hängenlassen!"
Wie bei der Erbauung, so ging es auch bei der Erhaltung her: „Von
Woche zu Woche, vonmouat zu Monat," sagt Francke, „hat mir der Herr
zugebröckelt, wie man den kleinen Küchlein das Brot zubröckelt, was die
Nothdurft erfordert." Immerhin ging's nicht selten durch großes Ge-
dränge, und doch konnte Francke auf die Frage: „Habt ihr auch je
Mangel gehabt?" in Wahrheit mit den Jüngern des Herrn antworten:
„Herr, nie keinen!" Zur Zeit seines Todes 1727 waren im Waisenhause
143 Waisenkinder unter 10 Aufsehern, 2207 Kinder und Jünglinge, die
in den verschiedenen Schulen von 175 Lehrern meist unentgeltlich unter-
richt wurden. 150 Schüler und 225 arme Studenten wurden aus der
Kasse des Waisenhauses täglich gespeist! — Die Francke'schen Stiftungen
übten einen gesegneten Einfluß auf Verbesserung des Schul- und
Erziehungswesens bei Arm und Reich in der Nähe und Ferne aus.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
169
teilweise der Same zu keimen beginnt, der in die Herzen einer zahllojen
heidnischen Jugend ausgestreut wird. Auch Israel erwacht aus seinem
Schlafe, und viele aus ihm haben Jesum als ihren Messias erkannt und
bekannt. „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die da
Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu
Zion: dein Gott ist König! Der Herr hat geoffenbaret seinen heiligen
Arm vor den Augen aller Heiden, daß aller Welt Ende sieht das Heil
unseres Gottes." (Jes. 52.) Sichtbar nahet mit Macht die Zeit, wo alle
Reiche der Welt Gottes und seines Heilandes werden, aller Kniee sich
beugen sollen in dem Namen Jesu Christi, in welchem allein das Heil ist,
und alle Zungen bekennen, daß Jesus Christus der Herr lei, zur Ehre
Gottes des Vaters.
Noch aber ist der Heiden Zahl nebst der der Jünger Muhamed's und
der Zerstreuten aus Israel fast dreimal so groß, als die der Christen, und
welche Bollwerke des Satans sind noch zu überwältigen, bis jene herrliche
Zeit erscheint! Ja, wenn noch die ganze Christenheit ein Mis-
sionsvolk wäre! Aber Unzählige, die sich Christen nennen, sind lau
und kalt und feindselig dem heiligen Werk gegenüber, das Christi Ehre und
das Heil der Welt fördern will. Kein wahrer Menschenfreund kann bei
dieser großen Liebesarbeit unbethciligt bleiben; wie viel weniger darf, wer
sich für einen Jünger Jesu hält, ihr seine lebendige Theilnahme ver-
sagen, sich weigern, sie durch Opfer, Arbeit und Gebet zu unterstützen !
Desgleichen darf ein Menschenfreund, geschweige ein wahrer Christ
der inneren Mission nicht fremd stehen. Sie hat zum Ziel, das
heidnische Wesen innerhalb der Christenheit auf dem Wege evan-
gelischer Belehrung und Vereinigung zu bekämpfen und auszurotten, und
der sittlichen Verkommenheit, der Armuth, dem Elende aller Art zu steuern.
Sie bildet Enthaltsamkeits-, Erziehungs-, Jünglingsvereine,
Vereine zur Verbreitung guter Schriften, Gefängnißgesell-
schaften; sie stiftet R e t t u n g s -, K r a n k e n -, A r m e nhäuser, Asyle
zur Besserung entlassener Sträflinge, Diakonen - und Diakonissen-
Anstalten, Kleinkinder-, Armen- und Sonntags schulen ; sie
sucht die in der Zerstreuung (Diaspora) lebenden Glaubens-
genossen auf, bringt ihnen christliche Erbauung, und sammelt sie zu
kirchlichen Gemeinden, während die Gustav-Adolfs-Vereine bemüht
sind, ihnen Kirchen und Schulen, Prediger und Lehrer zu geben. Sowohl
die innere, als die äußere Mission schließen sich enge an die Bibelgesell-
schaften und an die seit 1799 entstandenen Traktat gesell schäften
an. Alle diese christlichen Vereinigungen sind unwidersprechliche Zeugnisse,
daß in der evangelischen Kirche der Geist des Herrn wieder mit Macht wehet
und waltet. Und du sollst diesem Zuge des heiligen Geistes nicht wider-
streben, sondern fragen: „Herr, was willst du, daß ich thun soll?" und
mit willigem Herzen auf seine Antwort lauschen.
Denk' nicht mit Kain: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?" —
Bist du ein Christ, bist du aus Gott geboren, so liebst du die alle, für
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
161
macht in deinen Sünden, und hast mir Mühe gemacht
in deinen Missethaten. — Im Andenken an diese Zeit singt
die Kirche: „O Haupt voll Blut und Wunden rc." und „O Lamm
Gottes, unschuldig w."
3. Es nahet der Herbst. Er ist die Frucht - und Erntezeit. Da
steht der Segen Gottes auf den Feldern; es reift das, was ausge-
säet ist; die Früchte werden eingesammelt. Mit dieser Jahreszeit ist
die Zeit des Kirchenjahres zu vergleichen, welche den ersten Theil der
Trinitatiszeit umfaßt. Die Kirche läßt uns an die Früchte erinnern,
welche wir dem Herrn darbringen sollen. Dieser hat alles gethan,
um das Fruchtfcld unseres Herzens zuzubereiten. Darum wird uns
am Trinitatisfeste zugerufen: Esseidenn,daßdu von neuem
geboren werdest, kannst du nicht in das Reich Gottes
kommen. An den folgenden Sonntagen wird uns vorgehalten,
welche Früchte im Besonderen wir nach der Wiedergeburt zu
bringen haben. In aller Trübsal soll unser Wandel im Himmel sein;
das predigt uns der arme Lazarus. Hüten sollen wir uns vor der
Heuchelei, die den Herrn mit dem Munde bekennt, aber mit Herz und
Wandel ferne von ihm bleibt; das ersehen wir aus dem Gleichniß
vom großen Abendmahl. Bon der Liebe und Treue Christi im Suchen
der Sünder sollen wir uns finden lassen; daran erinnert uns das
Evangelium vom verlornen Schaf und vom verlornen Groschen. Durcb
sein ernstes Wort vom Splitterrichten will der Herr Hochmüthige de-
müthigen und zum Gericht über sich selbst führen. So weist er nach,
wie auf jedem Herzensacker Früchte der Gerechtigkeit wachsen sollen.
An jeden Einzelnen von uns richtet diese Zeit die Frage:
O Mensch, wie ist dein Herz bestellt?
Hab Achtung auf dein Leben!
4. Endlich kommt der Winter. Wie er aussieht in der natür-
lichen Welt, im natürlichen Jahr, das weißt du wohl. Die Sense ist
über die Felder gegangen; die Stoppeln stehen da. Oede und still ist
es draußen; die Stürme nur singen ihr Winterlied. Gott streuet den
Schnee über die Felder hin und decket die Erde zu mit einem weißen
Grabtuche; aber unter demselben liegt die Aussaat auf Hoffnung.
Aehnliches zeigt uns.ein Theil des Kirchenjahres. In den letzten
Sonntagen der Trinitatiszeit handelt alle Predigt von den letzten
Dingen: von dem Tode, von der Wiederkunft des Herrn zum Gericht,
von der Auferstehung, vom jüngsten Gericht, vom ewigen Leben und von
der ewigen Derdammniß. Da singt die Kirche: „Alle Menschen müssen
sterben"; aber auch : „Jesus, meine Zuversicht."—Dann ist im Kirchen-
jahr ein solcher Lauf beendet, wie ihn die Erde alle Jahre um die Sonne
zurücklegt. Dann sollen uns im geistlichen Leben alle die Segnungen
widerfahren sein, welche Gott der Herr im Reiche der Gnade uns dar-
bietet in dem, der da ist das A und das O, der da ist, der da war, der
da kommen wird.
Vaterländisches Lesebuch. i1
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Extrahierte Personennamen: Lazarus
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Gottes Christi
52
3. Die Sternlein schün
am Himmel gehn;
die Glock’ schlägt zwei,
sie geh’n hinunter nach der Reih’.
4. Der Wind , der weht,
der Hahn, der kräht,
die Glock’ schlägt drei,
der Fuhrmann hebt sich von der
Streu.
5. Der Gaul, der scharrt,
die Stallthür knarrt.
Die Glock’ schlägt vier,
der Kutscher siebt den Hafer
schier.
6. Die Schwalbe lacht,
die Sonn’ erwacht.
Die Glock’ schlägt fünf;
der Wandrer macht sich auf die
Strümps.
7. Das Huhn gagackt,
die Ente quakt.
Die Glock’ schlägt sechs;
steh auf, steh auf, du faule Hex’!
8. Zum Bäcker lauf,
ein Semmlein kauf’!
Die Glock’ schlägt sieben ;
die Milch thu’ an das Feuer
schieben!
9. Thu’ Butter ’nein
und Semmel fein!
Die Glock’ schlägt acht;
geschwind dem Kind’ die'supp’ gebracht!
99. Wer ist denn mein Nächster?
Ein Kesselflicker in der Gegend von Halberstadt ging einst bei strenger
Kalte mit seinem Geräthe über Feld und fand an der Landstraße einen
Juden ganz erfroren. Neben ihm stand ein Körbchen mit Tüchern und
Bändern, mit denen er gehandelt hatte. Ein liebloser, unredlicher Mensch
hätte vielleicht die Waaren mit sich genommen und den Juden liegen lassen ;
aber dem ehrlichen Kesselflicker blutete das Herz bei diesem Anblick. „Viel-
leicht", sprach er bei sich selbst, „lebt der arme Jude noch und kann sich
wieder erholen; ist er gleich ein Jude, so ist er doch ein Mensch, ist mein
Nächster, und ich muß ihm helfen." — So dachte er, verscharrte sogleich
seine und des Juden Sachen in den Schnee, nahm den Juden auf den
Rücken, trug ihn in das nächste Dorf und sorgte nun dafür, daß alle
Mittel angewendet wurden, ihn wieder zum Leben zu bringen. Nichts
glich seiner Freude, als er endlich sah, daß der Jude die Augen wieder
aufschlug und in's Leben zurückkam. „Gottlob!" rief er aus, „so war
doch meine Hülfe nicht vergebens!" —- Hierauf gab er dem Wirth etwas
Geld zur Verpflegung des Inden, lief dann wieder auf das Feld und
brachte seine und des Juden Sachen aus dem Schnee herbei. Als er
zurückkam, fiel ihm der Jude voll dankbarer Rührung um den Hals, dankte
ihm herzlich für seine Errettung und bot ihm seinen ganzen Korb mit den
Waaren zum Geschenke an; aber der Kesselflicker nahm gar nichts. Ver-
gebens drang der Jude mit weinenden Augen in ihn, doch nur eine kleine
Erkenntlichkeit anzunehmen; sein Retter ließ ihn gar nicht zum Worte
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