80 Hi. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
Von großer Bedeutung ist für unser Vaterland, das auch
als Vierland Weltruf genießt, die Hopfenkultur. Das Haupt-
Hopfenland ist Bayern; Niederbayern und Oberbayern, aber
ganz besonders Mittelfranken mit den Hopfenmärkten Spalt
und Nürnberg stehen als Erzeugungsgebiete obenan. An Bauern
reiht sich Elsaß-Lothringen als Hopfenland an; mit dem Reichs-
land steht auf fast gleich hoher Stufe Württemberg, wo der
Schwarzwaldkreis den meisten Hopfen erbaut. Auch Baden
trägt seinen Teil zur Hopfenkultur bei. In Preußen kommen
hauptsächlich die Regierungsbezirke Posen, Magdeburg, Wiesbaden
und Sigmaringen in Betracht, Allenstein ist auch nicht zu über-
sehen. Die Hopfenernte ist ähnlichen Schwankungen im Ertrag
und Wert wie die Weinernte unterworfen. In den letzten zehn
Iahren schwankte die Anbaufläche des Hopfens zwischen 270 und
400 qkm und die Ernten zwischen 61000 und reichlich 290000 dz.
Beträgt die Ernte rund 200000 dz, wie 1910, so kann die Hälfte
davon im Werte von durchschnittlich 20 Mill. M. ausgeführt
werden, besonders nach Belgien, Großbritannien, Frankreich,
Holland und den Vereinigten Staaten. Für mehr oder weniger
als 10 Mill. M. wird jährlich Hopfen aus Österreich-Ungarn
eingeführt.
Mit dem stark betriebenen Ackerbau hat sich in Deutschland
eine hochansehnliche Viehzucht entwickelt. In Bezug auf
Anzahl der Pferde steht unter den europäischen Ländern nur
Rußland über Deutschland, bezüglich der Rinder auch nur Rußland.
Aber in der Schweinehaltung wird jetzt Deutschland von keinem
andern europäischen Land erreicht und von außereuropäischen
nur von den Vereinigten Staaten übertroffen. Auch in der
Ziegenhaltung steht Deutschland in Europa obenan. Dagegen
folgt es hinsichtlich seines Schafbestandes hinter England, Frank-
reich, Spanien, Italien, Osterreich-llngarn und Bulgarien.
Desgleichen steht es in der Esel- und Maultierzucht auffällig
hinter südeuropäischen Ländern und Frankreich zurück*).
Im großenganzen kann mit Ausnahme der Schafzucht eine
gedeihliche Entwicklung der Viehzucht feit der Gründung des
neuen Reichs festgestellt werden. Seit 1873 hat sich bis zur
letzten Viehzählung (1907) die Anzahl der Pferde und der Ziegen
um je 1 Million vermehrt, die der Rinder um 5 Millionen und
die der Schweine sogar um 15 Millionen Stück. Um letztere
Anzahl ist seit jener Zeit die Schafzucht zurückgegangen.
Die Pferdezucht (47s Millionen Pferde) hat im nord-
deutschen Tieflande die bedeutendsten Pflegestätten gefunden.
Hier züchtet man das deutsche Edelpferd, insonderheit im Ostsee-
gebiet bis nach Posen und Schlesien hinein, in Mecklenburg
und Holstein, Oldenburg, Hannover und Ostfriesland. Berühmte
*) Vgl. auch die Karte: Verbreitung der Haustiere auf der Erde;
Nr. 4 im Kleinen Atlas der Wirtschafts- und Verkehrsgeographie.
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TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T70: [Stadt Donau München Stuttgart Neckar Nürnberg Ulm Schloß Augsburg Regensburg]]
Extrahierte Ortsnamen: Niederbayern Oberbayern Nürnberg Elsaß-Lothringen Württemberg Baden Posen Magdeburg Wiesbaden Sigmaringen Allenstein Belgien Frankreich Holland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Europa England Frank- Spanien Italien Bulgarien Esel- Frankreich Posen Mecklenburg Holstein Oldenburg Hannover Ostfriesland
82 Iii. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
Die Ziegenhaltung (3^ Millionen Ziegen) ist von
keiner ausschlaggebenden Bedeutung für die deutsche Viehzucht.
Bezeichnungen, rvie „Kuh des kleinen Mannes", „Bergmannskuh",
kennzeichnen bereits die wirtschaftliche Bedeutung der Ziegen.
In der Ziegenzucht stehen die Gebiete der deutschen Klein-
staaten obenan.
Bedauerlich ist der starke Rückgang, jährlich um rund
500000 Stück, der Schafhaltung (gegenwärtig nicht ganz
8 Millionen Schafe). Veranlassung zu diesem Rückgange ist neben
preiswerter Wolleinfuhr aus den Kolonialländern Australien,
Neuseeland, Argentinien und Südafrika die vorwärts schreitende
Technik der Landwirtschaft und der damit intensiver betriebene
Ackerbau. Zur Schafhaltung sind aber mehr extensive Betriebe
mit großen Weideflächen geeignet, so wie sie die ebengenannten
Kolonialländer aufweisen. Ganz ist die Schafzucht von unsrer
Landwirtschaft nicht zu trennen, da infolge der großen Anspruchs-
losigkeit des Schafes größere, wenig bringende Weideflächen aus-
genutzt werden können und die neuern hohen Fleischpreise die
Züchtung von Fleischrassen lohnend erscheinen lassen. Die stärkste
Schafzucht wird in Mecklenburg und dem Nachbarlande Pommern,
sodann in Schwarzburg-Sondershausen, Anhalt, Braunschweig
und Waldeck getrieben. Mit Ausnahme der Provinzen Rheinland
und Schlesien findet in allen preußischen Gebieten noch eine
verhältnismäßig bemerkenswerte Schafhaltung statt; Bayerns
Mittel- und Unterfranken reihen sich würdig an. Sonst ist in
ganz Süddeutschland die Schafzucht gering, desgleichen auch in
Sachsen, dem einst berühmten Lande der Merinoschafzucht. Auf-
fällig gering ist in Deutschland die Zucht von Maultier..
Maulesel und Esel, zusammen reichlich 11000 Stück.
Die Geflügelzucht ist wohl jetzt auch bedeutend in.
Deutschland, indessen werden wir darin von den großen Nachbar-
ländern übertroffen. Die letzte Zählung und Schätzung (1907)
ergab 69 Mill. Gänse, 2,8 Mill. Enten, 67 Mill. Hühner und
1i2 Mill. Truthühner. Für 40 bis 50 Mill. M. führen wir
jährlich lebendes Federvieh ein, und dazu für etwa 160 Mill. M.
Eier, in der Hauptsache aus Rußland und Österreich-Ungarn^
18. Der deutsche Wald.
Wenn wir jemand nach der Eigenart der deutschen Landschaft
fragen, so wird er den deutschen Wald als eine besondere
Eigenschaft mit nennen. Das mit Recht. Denn herrliche
Waldungen, von denen Lied und Sage künden, überziehen die
Kuppen und Rücken der Mittelgebirge, bekleiden verschwiegene
Talgelände und folgen als Auenwald den Flüssen entlang zur
Niederung. Jahrhundertelang war die deutsche Wirtschafts-
geschichte vom Waldreichtum bedingt. Bodenkultur und Bewohn-
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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Extrahierte Personennamen: Südafrika
Extrahierte Ortsnamen: Australien Neuseeland Argentinien Mecklenburg Pommern Schwarzburg-Sondershausen Rheinland Schlesien Sachsen Deutschland Deutschland Rußland
20. Die natürlichen Schatzkammern. 93
den Herzogtümern Braunschweig und Anhalt, in Thüringen, im
Königreich Sachsen und in Bayern.
Bergmännischer Spürsinn und wissenschaftliche Forschungen
haben es vermocht, die Steinkohlenvorräte wenigstens annähernd
zu schätzen. Das Saarrevier hat einen Kohlenvorrat von 5,63
Milliarden Tonnen, Westfalen 83,2, linke Rheinseite (Niederrhein
bis mit Aachen) 10,413, Oberschlesien 57,8 und Niederschlesien und
Sachsen 1,4 Milliarden Tonnen. Der gesamte deutsche
Steinkohlenvorrat beträgt also 158,4 Milliarden Ton-
nen und wird mutmaßlich für mehr als ein Jahrtausend reichen.
Im Gegensatz hierzu beträgt der englische Kohlenvorrat etwa 100
Milliarden, also noch nicht zwei Drittel des deutschen; er dürfte
in etwa 250 Jahren erschöpft sein. Frankreich verfügt nur über
18, Belgien über 15 Milliarden Tonnen. Wohl aber besitzen die
Vereinigten Staaten von Amerika einen Kohlenvorrat von rund
700 Milliarden Tonnen.
Ins schier Unermeßliche steigt die jährliche Produktion und
der jährliche Verbrauch von Kohle und Eisen; was Wunder,
wenn schon dann und wann init Unruhe an das Ende der
Produktion dieser wertvollen Mineralien gedacht wird und eine
ganze Reihe von Schätzungen über die uns zur Verfügung
stehenden Vorräte bereits aufgestellt worden ist. Auf alle Fälle
erscheint das Ende der Kohlenvorräte nicht so schlimm als das
der Eisenerze, obwohl das Eisen 4^ 0/0 der uns zugänglichen Erd-
rinde einnimmt, also einen ganz gewaltigen Teil, denn die
übrigen Metalle nehmen noch nicht 1j.2 % ein. Das Eisen kommt
leider in zuviel Legierungen und Verbindungen vor, die berg-
männisch keine Ausbeute gestatten und mithin keinen Nutzwert.
Heiz- und Brennstoffe gibt es außer Kohle bereits in größerer
Anzahl, dazu werden fast jährlich neue gefunden und erfunden.
Hingegen läßt sich das Eisen durch andere Stoffe schlecht oder
überhaupt nicht ersetzen. Wie der Verbrauch von Eisen gestiegen
ist, zeigt am besten die Entwicklung der Gewinnung von
Roheisen im 19. Jahrhundert. 1800 wurden 0,8 Mill. Ton-
nen Roheisen erzeugt, 1850: 4,8 Mill. Tonnen; 1871: 12,9 Mill.
Tonnen; 1901: 41,2 Mill. Tonnen und 1910 bereits 67 Mill.
Tonnen. (Vgl. stat. Anh. Xv b.)
^ Unser Eifenerzreichtum enthebt uns größtenteils bis jetzt der
Sorge für die Zukunft. Ganz bedeutende Vorräte stecken in den
Eisenerzlagern, die hu deutschen Boden ruhen und deren Be-
deutung erst der Zukunft zugute kommt. In dem lothringischen
Eisenerzvorkommen, dem „Minettegebiet", besitzt Deutsch-
land gegenwärtig seine bedeutendsten Eisenerzlager. Von
den 3608 Mill. Tonnen Eisenerzen, die in deutschen Lagerstätten
gegenwärtig zum Abbau bestimmt sind, entfallen 2330 Mill. Tonnen
allein auf das Minettegebiet in Lothringen. Zu den andern
wichtigsten deutschen Eisenerzgebieten gehören der Lahn- und Dill-
distrikt. Das Sieger land ist gegenwärtig der zweitbedeutendste
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: Braunschweig Sachsen Bayern Westfalen Aachen Oberschlesien Niederschlesien Sachsen Frankreich Belgien Amerika Lothringen
172 V. Das Deutschtum im Auslande.
Menschenmaterial verloren, sondern auch ein be-
deutender Kapitalwert. Rechnet man den Kapitalwert
jedes Auswanderers auf durchschnittlich 2500 bis 2600 M., sein
mitgenommenes Barvermögen auf 600 bis 700 M., so beträgt
der Schaden, der dem Reiche durch die 6 Millionen Auswanderer
seit 1821 entstanden, über 20 Milliarden Mark.
Fragen wir nach der Herkunft der deutschen Aus-
Wanderer i. I. 1910, d. h. nach den Teilen des Reichs, aus denen
sie abwanderten, so steht Bayern obenan (vgl. stat. Anh. Xxxve);
es folgen Brandenburg mit Berlin, Hannover, Westfalen, König-
reich Sachsen, Rheinland, Posen, Württemberg, Schleswig-Holstein,
Westpreußen, Hamburg, Baden usw. Beleuchten wir jedoch die
Auswanderer im Verhältnis zu der Einwohnerzahl der Gebiets-
teile, aus denen sie abgewandert sind, so treten bei einem Ver-
hältnis zu 100000 Einwohnern Bremen und Hamburg an die
Spitze. Alsdann reihen sich Hannover, Reuß älterer Linie, Posen,
Oldenburg, Schleswig-Holstein, Westpreußen, Württemberg, West-
falen und Reuß jüngerer Linie an. Wenn sich auch bei dieser
richtigem Würdigung der Auswandererziffer das Bild gegenüber
der alleinigen Berücksichtigung der Grundzahlen verschiebt, so
lassen doch beide Betrachtungsweisen sehr wohl erkennen, daß der
deutsche Norden noch immer wie in den frühern Jahren die größte
Anzahl der deutschen Auswanderer stellt. In Süddeutschland ist
besonders in Württemberg die Abwanderung sehr stark.
Während in frühern Jahren die Landleute den größten
Teil unter den Auswanderern ausmachten, stellen seit 1909 die
in Industrie und Bauwesen Beschäftigten die größere Anzahl
an Auswanderern (vgl. stat. Anh. Xxxvd). Die nächsten Be-
rufsgruppen, die bei der Auswanderung noch stark beteiligt sind,
gehören dem Handelsgewerbe, auch Versicherungsgewerbe, den
häuslichen Dienstboten, dem Bergbau, Hütten- und Salinen-
wesen an.
Der Hauptstrom der deutschen Auswanderung ist
nach wie vor nach den Vereinigten Staaten von Amerika
gerichtet (vgl. stat. Anh. Xxxv fr). An dieser Auswanderung
sind alle Reichsgebiete beteiligt, in den letzten Jahren am meisten
Bayern, Hannover, Brandenburg mit Berlin; auch Posen, West-
falen, Rheinland, Königreich Sachsen und Württemberg stellen
hierzu erhebliche Teile. Gegen die Vereinigten Staaten spielen
die übrigen außereuropäischen Bestimmungsländer, vor allem
Asien und Afrika, nur eine unbedeutende Rolle. Die Aus-
Wanderung nach den deutschen Schutzgebieten berück-
sichtigen wir hier nicht, da Personen, die sich dorthin begeben,
nicht als Auswanderer im Sinne des Gesetzes über das Aus-
wanderungswesen gelten.
Die meisten deutschen Auswanderer, auch die fremden, die
ihren Weg über deutsche Häfen nehmen, gehen über Bremen,
alsdann folgt Hamburg. Von 1871 bis 1910 sind über Bremen
TM Hauptwörter (50): [T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: Brandenburg Berlin Hannover Westfalen Sachsen Rheinland Posen Württemberg Schleswig-Holstein Westpreußen Hamburg Baden Hamburg Posen Oldenburg Schleswig-Holstein Württemberg Süddeutschland Württemberg Amerika Hannover Brandenburg Berlin Posen Rheinland Königreich_Sachsen Afrika Hamburg
130 Iv. Die geistigen Grundlagen der deutschen Kultur.
Aber innerhalb der Reichsgrenzen und in den alten mehr oder
minder angrenzenden mitteleuropäischen Ansiedelungsgebieten
macht sich infolge der verschiedenen deutschen Volksstämme doch
eine große Reihe von Unterschieden geltend, die zwar weniger
dem fremden bemerkbar sind, bei dem Einheimischen dagegen
stark ins Gewicht fallen. Im Dialekt und in verschiedenen Charakter-
eigenschaften unterscheidet sich der Ostpreuße von dem Rhein-
länder ebenso so sehr wie der Sachsen-Thüringer von dem
Schwaben oder der Schleswig-Holsteiner von dem Bayer; ja,
viele Gegenden Deutschlands erhalten durch den alt eingesessenen
deutschen Stamm ein besonderes vertrautes Gepräge.
Das Wohn- und Siedlungsgebiet der deutschen Stämme
hat im Laufe der Jahrhunderte mannigfaltige Veränderungen
und Verschiebungen erlitten. Seit vorchristlicher Zeit nehmen
Friesen, Niedersachsen, Thüringer, Hessen das
Gebiet ein, das sie noch heute bewohnen. Ihnen gesellen sich
als Alteingesessene in den Alpen und den alpinen Vorländern
die Bayern und Schwaben bei. Ganz reine Volks st ämme,
d. h. die von jeglicher Beimischung fremder Volksteile frei sind,
gibt es nicht mehr in Deutschland; selbst die Friesen, die bisher
als ein Typus reinsten Volksstammes galten, haben hauptsächlich
durch neuere Verkehrseinflüsse Bereicherungen ihres Stammes,
erfahren, die ihnen ursprünglich nicht eigen waren.
Von außerdeutschen Völkern haben auf deutsche Stämme
die Slaven den größten Einfluß gehabt. Im Osten von
Saale und Elbe bis an die polnisch-russische Grenze, also im
Königreich Sachsen, in der Provinz Sachsen, in Brandenburg und
Mecklenburg, noch mehr in den preußischen Provinzen Pommern,
Schlesien, Posen, West- und Ostpreußen, erkennt man noch die
slavischen Siedelungen teils an der Form, teils an dem Namen.
Daselbst hat sich das germanische langgesichtige Be-
Völkerungselement stark mit dem breitgesichtigen slavischen
Typus gemischt. Von der Niedern Elbe an, wo die germanischen
Langgesichter vorherrschen, nehmen nach Osten zu die slavischen
Breitgesichter immer mehr zu, an der Saale aber und weiter
nach Süden greift der breitgesichtige Slaventypus weit nach
Thüringen und Franken hinein. Hier im Südwesten des Misch-
gebietes ist die Heimat des breitgesichtigen deutsch-slavischen Typus.
Luthers, dort im niederelbischen Grenzgebiet entstammen die
germanischen Langgesichter, wie wir sie an Moltke und
Bismarck kennen.
Unter den deutschen Volksstämmen, die am meisten in
Deutschland nach der eigentlichen Völkerwanderung gewandert
und von größtem Einfluß auf die Mischung und den Charakter
verschiedener Stämme geworden sind, steht der fränkische obenan.
Ein großer Teil der Franken wohnt heute noch in der alten
Heimat am Niederrhein, d. i. in der heutigen Rheinprovinz.
Nicht die leiseste Spur einer natürlichen Grenze trennt die Provinzen
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T44: [Preußen Polen Brandenburg Provinz Land Schlesien Sachsen Pommer Friedrich Schweden]]
Extrahierte Ortsnamen: Rhein- Schwaben Deutschlands Niedersachsen Hessen Schwaben Deutschland Sachsen Provinz_Sachsen Brandenburg Mecklenburg Pommern Schlesien Posen Deutschland Niederrhein Rheinprovinz
146 Iv. Die geistigen Grundlagen der deutschen Kultur.
gezwungen, entweder auszuwandern, oder sich irgendwelchen
industriellen Beschäftigungen zuzuwenden. Die alte Scholle
war aber dem Erzgebirgler zu lieb, als daß er sie ver-
lassen sollte und so lernte er eine Anzahl Gewerbe (siehe S. 57
u. 58), die ihm gestatteten, auf heimischer Erde sein Brot zu
erwerben. Damit stehen wir vor der bemerkenswerten Erscheinung,
daß trotz der Höhenlage eine beträchtliche Bevölkerungsdichte und
in 600 bis 800 m Höhe eine Reihe ansehnlicher Städte anzutreffen
ist. Schon V. Cotta bemerkte bei einer Betrachtung von
„Deutschlands Boden" (1854): „Die stärksten Bevölkerungszahlen
finden sich in Deutschland in der Tat nicht in den fruchtbaren
Niederungen, sondern in den Gebirgen von mittlerer Höhe, so
z. B. in dem Gebirgszuge des Thüringerwaldes und des Erz-
gebirges".
Die Bevölkerungszunahme beträgt in Deutschland zur-
zeit 1,4 °/0 im Jahre. Über l°/0 beträgt sie gleichfalls in den
Niederlanden, der Schweiz, Dänemark, nahezu 1 °/o in Belgien
und England. Dagegen erreicht sie kaum 0,15 % in Frankreich.
Mehr als alles andere beweist dieser außerordentliche Prozentsatz
der Volksvermehrung, daß sich Frankreich in seiner Volks-
entwicklung auf absteigender Bahn befindet. Innerhalb der deutschen
Neichsgrenze haben nach der letzten Volkszählung den größten
Bevölkerungszuwachs, und zwar mit mehr als 20 Köpfen
auf 1000 Einwohner, die Regierungsbezirke Potsdam, Münster,
Düsseldorf, Arnsberg, Cöln, Trier und Wiesbaden, sodann Olden-
bürg und Hessen Markenburg). Einen Zuwachs von 15 bis 20
Köpfen auf 1000 Einwohner weisen der Regierungsbezirk Oppeln
und die sächsischen Kreishauptmannschaften Leipzig und Zwickau
auf, ferner Schleswig-Holstein, Lothringen, von Württemberg der
Neckarkreis und von Baden die Kreise Mannheim und Karlsruhe.
Zu den Gebieten mit geringster Zunahme, nur 1 bis 5 Köpfe
auf 1000 Einwohner, zählen die Regierungsbezierke Gumbinnen,
Königsberg, Frankfurt a. O. und Stralsund, fernerhin Mecklen-
burg-Strelitz. Im ganzen West- und Mitteldeutschland ist kein
derartiges Gebiet weiter zu finden und nur in Süddeutschland
gehören der Jagstkreis Württembergs und Hohenzollern hierher.
Seit der Aufrichtung des neuen Reichs ist die Bevölkerungs-
ziffer von 40 auf 65 Millionen i. I. 1910 gestiegen; also inner-
halb von vier Jahrzehnten hat die Bevölkerungszahl um rund
60% zugenommen. Würde die Zunahme mit gleicher Stetigkeit
weiter vor sich gehen, so hätte das Deutsche Reich nach Ablauf von
weitern vierzig Jahren eine Einwohnerzahl von 100 Millionen.
Und für diese riesige Menge, die uns m dem kommenden Menschen-
alter zuwächst, muß Bewegungs-, Arbeits- und Lebens-
Möglichkeit geschaffen werden. Wir müssen darum beizeiten
an die Ausdehnung unsers Reichsgebietes denken. Schon
ist von einer Übervölkerung Deutschlands gesprochen worden;
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Extrahierte Personennamen: Cotta
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Niederlanden Schweiz Dänemark Belgien England Frankreich Frankreich Potsdam Düsseldorf Arnsberg Wiesbaden Hessen_Markenburg Leipzig Zwickau Schleswig-Holstein Lothringen Baden Mannheim Karlsruhe Königsberg Frankfurt Stralsund Mitteldeutschland Süddeutschland Jagstkreis_Württembergs Deutschlands
27. Volksdichte, Volkswachstum, Berufsarten:c. in Deutschland. 149
Hälfte der Bevölkerung. In dieser Verschiebung der Bevölkerungs-
berufe erkennt man vorzugsweise den Ubergang aus einem
Agrarstaat in einen Industriestaat (vgl. S. 147). Der jährliche
Zuwachs der deutschen Bevölkerung kommt nicht der landwirt-
schaftlichen, sondern der Jndustriebevölkerung zu gute. Ganz
wesentlich ist auch die Zunahme der berufslosen Vevöl-
kerung, also der Rentner und Armen, die in einem Viertel-
jahrhundert von 2*/± auf nahezu 8^/2 Millionen Köpfe an-
gewachsen ist.
Zu den landwirtschaftlichen Berufen zählt man auch
Gärtnerei, Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei; man spricht
kurzweg von den land- und forstwirtschaftlichen Berufen. Sie
sind am stärksten in Hohenzollern, Posen, Ost- und Westpreußen,
Waldeck und Pommern vertreten, am geringsten in den großen
Industriegebieten, wie z. B. im Königreich Sachsen. Die Fischerei-
bevölkerung wohnt am dichtesten in Ostfriesland und an der
Ostseeküste, weniger dicht im Dithmarschen und Westschleswig.
Die industriellen Berufe treten am meisten in den beiden
Reuß, im Königreich Sachsen, in Berlin, Westfalen, Rheinland
und Sachsen-Altenburg auf. Die geringste industrielle Bevölkerung
haben Waldeck, die beiden Mecklenburg, Pommern, Westpreußen,
Posen, Hohenzollern und Ostpreußen.
Das Handels- und Verkehrsgewerbe ist am stärksten
in den Hansestädten und in Berlin vertreten. Es reihen sich
sodann das Königreich Sachsen und Schleswig-Holstein an, und
erst in weitem Abstand Lippe, Ost- und Westpreußen, Posen,
Württemberg und Waldeck.
Zum Schluß sei einwortnoch dem deutschen Volksvermögen,
d. h. der Gesamtmenge der dem Volke zur Verfügung stehenden
Güter, gewidmet. Rein äußerlich stellt das Volksvermögen wol)l
ein materielles Gut dar; aber es ist zuletzt nicht bloß das Ergebnis
der materiellen Grundlagen, sondern in weit höherm Maße der
geistigen Grundlagen eines Volkes. „Das kolossale Anschwellen
des Nationalvermögens, welches die verblüffende Vergrößerung
der Bevölkerungsstatistik von 1871—1911 noch überbot, ist der
beste Beweis dafür, daß der Krieg von 1870/71 nebenbei die
glücklichste Kapitalanlage gewesen ist, welche ein Volk je gemacht
hat" (Carlpeters: Zur Weltpolitik). Das deutsche Volksvermögen
wird auf 250 Milliarden Mark geschätzt. Mithin entfallen gegen
4000 M. auf je einen Reichsbewohner. Das deutsche Volksein-
kommen beträgt jetzt jährlich gegen 35 Milliarden oder rund
600 M. auf je einen Bewohner.
^ Die Eink 0 mm ensteuerstatistik erweist, daß in den
Jndustriebezirken viel mehr und reichere Steuerzahler leben als
in den Bezirken mit ausschließlichem Landwirtschaftsbetrieb. Die
ostelbischen Landschaften sind die steuerärmsten Gebiete Deutschlands.
Die Rheinprovinz allein bringt jährlich an Einkommensteuer
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
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Extrahierte Personennamen: Carlpeters
Extrahierte Ortsnamen: Volkswachstum Deutschland Posen Sachsen Ostfriesland Dithmarschen Westschleswig Königreich_Sachsen Berlin Westfalen Rheinland Sachsen-Altenburg Pommern Westpreußen Posen Hansestädten Berlin Sachsen Schleswig-Holstein Posen Württemberg Deutschlands
150 Iv. Die geistigen Grundlagen der deutschen Kultur.
mehr auf als Schlesien, Schleswig-Holstein, Pommern, Posen,
Ost- und Westpreußen zusammen.
Wenn rvir nach der geographischen Verbreitung der orts-
üblichen Tage löhne schauen, so unterscheiden rvir drei nord-
südliche Zonen: die ärmere und bedürfnislosere Ostzone
(West- und Ostpreußen, Posen und Schlesien) mit rund 2 M.
Tageslohn für den erwachsenen männlichen Arbeiter, die wohl-
habende Mittelzone (Pommern, Brandenburg, Provinz und
Königreich Sachsen, Thüringen, Bayern mit der Pfalz, Groß-
Herzogtum Hessen und Westfalen) mit rund 3 M. und die
reichere Westzone (Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Hannover,
Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Hessen-Nassau, Rheinland,
Elsaß-Lothringen, Baden und Württemberg) mit 3 und über
3 M. ortsüblichem Tagelohn. Die Großstädte des Westens,
vorzugsweise die Seestädte und Berlin zahlen 4 M. und mehr.
Ein Aufsteigen des Wohlstandes ist fast überall zu beobachten.
Das beruht auf vielerlei Gründen, besonders in der Vervoll-
kommnung der Arbeitsmittel und Arbeitsmethoden, in der Arbeits-
teilung und in der gesteigerten Konsumtionskraft des deutschen
Volkes.
28. Die Erziehung des deutschen Volkes.
Die geistigen und materiellen Güter sind das Ergebnis der
Erziehung eines Volkes. Dadurch, daß Deutschland eine Welt-
macht geworden und in dem großen wirtschaftlichen Wettkampf
der Weltvölker auf dem Weltmarkt, der die Volkskräfte mannig-
faltig bewegt und aufs äußerste anspannt, eingetreten ist, sind
die geistigen Anforderungen außerordentlich gesteigert worden.
Nur eine gediegene und vielseitige Erziehung und Bildung kann
unser Volk in diesem Kampf dauernd stark erhalten. Für die
Erziehung unsers Volkes dürfen wir selbst die größten
Opfer nicht scheuen, denn in unserer Jugend liegt die
Zukunft unsers Vaterlandes, und nur die beste Erziehung
schafft das Volk, das in der Weltwirtschaft und Weltkultur geistig,
politisch und wirtschaftlich tonangebend ist. Deutschland wird
nur solange Weltmacht sein als es Kulturmacht ist.
Volksbildung ist Volkskraft. Noch sind wir in der Volks-
bildung von keinem Volke überflügelt worden. Mögen
fremde Nationen auch über die „Potsdamer Wachtparade" und
den „deutschen Schulmeister" spotten, wir wissen, beide im Bunde
haben das heutige Deutsche Reich geschaffen. Was neidet man
uns mehr, unsere Armee oder unsere Schule. Beides sind die
Geburtsstätten deutscher Männer.
Die Erziehungsmächte des deutschen Volkes sind Familie
(S. 126), Schule, außerschulmäßige Einrichtungen und Kirche.
Der regelmäßige Schulbesuch wurde von den deutschen Staaten
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Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Pommern Posen Posen Schlesien Pommern Brandenburg Sachsen Bayern Groß-
Herzogtum_Hessen Westfalen Schleswig-Holstein Mecklenburg Hannover Oldenburg Braunschweig Hessen-Nassau Rheinland Elsaß-Lothringen Baden Berlin Deutschland Deutschland
28. Die Erziehung des deutschen Volkes. 159
durch das deutsche Volkstum beeinflußt worden. Deutschland
ist das Land der Reformation. Daß heute noch die Ent-
Wicklung unsers Volkes das Gepräge davon hat, ist nicht zu ver-
kennen. Der Protestantismus brachte uns die Befreiung
des Gewissens von der Bevormundung durch bloße Autoritäten.
Der Geist Luthers hat die deutsche Kultur befruchtet wie es
vor und nach ihm von keinem andern wieder geschehen ist. Aber
auch der Katholizismus ist ein mitbestimmender Faktor unserer
Kultur und geschichtlichen Entwicklung. Das in unserm großen
Königsberger Philosophen Kant zur Geltung gelangte Luthersche
Verständnis der Freiheit und Notwendigkeit des Pflichtgefühls
jedes Einzelnen hat das deutsche Volk befähigt, die Befreiungs-
kriege wider Napoleon und feine Herrschaft zu wagen.
Die Reformation führte die religiöse Spaltung des
deutschen Volkes herbei, indem die katholische Kirche sich in
der Hauptsache in Süddeutschland festsetzte und die evangelische
Kirche in Mittel- und Norddeutschland. Die Verteilung der
Konfessionen entspricht noch heute den in den Zeiten der Reformation
und Gegenreformation bis zum Westfälischen Frieden geschaffenen
Zuständen; und so wird uns die Verteilung der Bruchstücke der
Konfessionen, die uns jetzt regellos erscheint, nach dem alten
Grundsatz „cujus regio, ejus religio" erklärlich, indem die Bruch-
stücke mit Gebietsteilen ehemaliger protestantischer oder katholischer
Herrschergebiete zusammenfallen. So ist Württemberg bei weitem
protestantisch, dagegen sind Rheinland, Posen und Westpreußen
mehr katholisch. Nach der Aufnahme der religiösen Verhältnisse
in Deutschland vom 1. Dezember 1905 entfallen auf 1000 Be-
wohner 900 bis 1000 Evangelische in den Provinzen Brandenburg,
Pommern und Sachsen, im Königreich und Großherzogtum
Sachsen, in beiden Mecklenburg, sowie in allen deutschen Herzog-
und Fürstentümern und in den drei Hansestädten. Nur das kleine
Hohenzollern hat mehr als 900 Katholiken auf 1000 Bewohner,
sonst kein übriger Gebietsteil des Deutschen Reichs. In Bayern
und Elsaß-Lothringen zählt man reichlich 700 Katholiken auf
1000 Bewohner. Selbst diese Zahl wird von keinem andern
deutschen Land erreicht, nicht einmal von Rheinland, Posen oder
Baden, je mit 600 bis 700 katholischen Angehörigen. Ein wenig
im Ubergewicht ist die katholische Einwohnerschaft noch in West-
preußen, Schlesien und Westfalen.
Im Deutschen Reiche sind die Evangelischen bei weitem
in der Überzahl. Während 1905 nur 22 Millionen Katholiken
gezählt t wurden, verfügten die evangelischen Christen über
38 Millionen Angehörige. Von 1870 bis 1900 war die katholische
Bevölkerung prozentuarisch etwas zurückgegangen, von dem letzt
genannten Jahre ab bis 1905 hat sie um 0,6% der Gesamt-
bevölkerung zugenommen, während die Evangelischen ein Minus
von 0,5% zu verzeichnen haben (vgl. stat. Anh. Xxxiv).
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Reichsverfassung und Verfassung der einzelnen deutschen Staaten. 249
deutsche Reichsflotte. Er leitet die Post- und Telegraphen-
Verwaltung. Die Staatsgeroalt in Elsaß-Lothringen und die
Schutzgeroalt in den Deutschen Kolonien gehören zu den Ve-
fugnissen des deutschen Kaisers. Der Kaiser ist unverantwortlich.
Verantwortlich ist nur der Reichskanzler, der alle kaiserlichen
Anordnungen und Verfügungen zu ihrer Gültigkeit gegenzeichnen
muß. In der Person des Kaisers, die unverletzlich
ist, sieht unser gesamtes Volk seine Einheit ver-
körpert.
Der Bundesrat besteht aus den 60 Bevollmächtigten
aller deutscher Regierungen. Preußen stellt 17 Vevoll-
mächtigte, Bayern 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden,
Hessen und Elsaß-Lothringen je 3, Braunschweig und Mecklenburg-
Schwerin je 2, die übrigen 16 Staaten je 1; die Gesamtzahl
beträgt also 60 Stimmen. Die Abstimmung der nicht öffentlichen
Verhandlungen erfolgt nach einfacher Mehrheit. Preußen kann
darum unter Umständen überstimmt werden. Im Bundesrat
übt die Gesamtheit der Bundesstaaten die Reichsgewalt aus.
Der Bundesrat hat nicht bloß bei der Reichsgesetzgebung mit-
zuwirken, sondern die Reichsgesetze auch vorzubereiten und für
Ausführung, soweit sie nicht dem Kaiser besonders zugewiesen
ist, Sorge zu tragen. Der Kaiser beruft und schließt den Bundesrat.
Den Vorsitz bei den Verhandlungen führt der vom Kaiser
ernannte Reichskanzler oder dessen Stellvertreter.
Der Reichstag bildet die einheitliche Vertretung des ganzen
deutschen Volkes. Die Anzahl der gewählten Vertreter beträgt
397. Wähler ist jeder männliche Deutsche, der das 25. Lebens-
jähr zurückgelegt hat, sich nicht unter Vormundschaft oder im
Konkurse befindet, keine Armenunterstützung empfängt und im
Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist. Für die aktiven Militär-
Personen ruht das aktive Wahlrecht, um von der Armee jegliches
Parteigetriebe fernzuhalten. Wählbar ist jeder Wähler, der
einem Bundesstaate mindestens einem Jahre angehört hat.
Jeder Reichstagsabgeordnete wird in einem besondern
Wahlkreis gewählt. Das Deutsche Reich ist in 397 Wahlkreise
geteilt, von denen jeder t bei Erlaß des Wahlrechts (der von
1869 war für die Folgezeit maßgebend) etwa 100000 Einwohner
zählte. Darnach entfallen an Abgeordneten auf Preußen 236,
Bayern 48, Sachsen 23, Württemberg 17, Elsaß-Lothringen 15,
Baden 14, Hessen 9, Mecklenburg-Schwerin 6, Sachsen-Weimar,
Oldenburg, Braunschweig und Hamburg je 3, Sachsen-Meiningen,
Sachsen-Coburg-Gotha und Anhalt je 2 und auf die übrigen
11 Bundesstaaten je 1. Zur Ausführung der Wahlen werden
die Wahlkreise in Wahlbezirke, von denen keiner über 3500 Seelen
zählen darf, zerlegt und Wahlvorstände für diese gebildet. Die
Wahl ist allgemein (jeder Deutsche kann wählen), gleich
(alle Stimmen gelten einzeln gleich viel), direkt (der Abgeordnete
wird unmittelbar gewählt) und geheim (wählbar durch Abgabe
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark]]