Aelteste Verfaffung Deutschlands.
5
Heerzügen, die als eine den Göttern besonders angenehme Handlung angesehen wur-
den, trugen sie die Götterbilder in den Kampf, nährten die Begeisterung der Krieger,
handhabten als Diener der unsichtbar in der Schlacht anwesenden Gottheit die Zucht
und bestraften die Feigen.
B. Die älteste Verfassung Deutschlands beruhte auf der
Herrschaft der Volksgemeiude. Sowohl die Versammlung der
freien Grundbesitzer einer seden Gemeinde, als die größere Ver-
sammlung der Grundbesitzer eines aus mehrere-: Gemeinde-: beste-
henden Gaues hatte die Gesetzgebung, die Wahl der obrigkeitlichen
Personen (Fürsten und Herzoge), die richterliche Gewalt und die
Entscheidung über Krieg und Frieden.
Die Volksversammlungen waren theils regelmäßige, namentlich zur Zeit
des Neu- und Vollmonds, theils außerordentliche. Man versammelte sich bewaff-
net, am liebsten auf Bergen oder in einem heil. Haine; der König oder ein Priester
leitete die Verhandlungen, denen wahrscheinlich ein Opfer voranging und folgte.
Die Zustimmung zu dem Vorgeschlagenen gab man durch Zusammenschlagen der
Waffen, Mißbilligung durch Murren zu erkennen. Alle Rechtshändel wurden münd-
lich und öffentlich verhandelt und durch Geschworene entschieden nach gesetzlichen Be-
stimmungen, die lange Zeit blos durch Tradition fortgepflanzt und erst seit dem 5.
Jahrh. ausgezeichnet wurden. Die Strafen bestanden in Schadenersatz und andern
Bußen an Geld, Vieh u. s. w., selbst für Todtschlag; die Todesstrafe (Aufhängen)
traf Vaterlandsverräther und Feiglinge. Während der Zeit, wo die Gemeinde nicht
versammelt war, übte ein Graf mit Zuziehung eines Ausschusses von (100) Freien
(Schöffen) das Richteramt, und wahrscheinlich überhaupt die vollziehende Gewalt aus.
Das Köuigthum bestand Anfangs (zur Zeit des Tacitus) nur
bei den germanischen Stämmen im Osten (Markomannen, Quaden,
Gothen), doch haben die meisten Völkerschaften (mit Ausnahme der
Sachsen) später, wenn sie sich zu einer größer-: Herrschaft vereinig-
ten oder neue Wohnsitze aufsuchten, sich einen König gewählt, in des-
sen Familie dann auch diese Würde in der Regel blieb.
Der neue König wurde auf einen Schild gehoben und in der Volksversamm-
lung unter dem Beifall des Volks dreimal herumgetragen, damit ihn Jeder sehen
könnte. Die ältesten Könige zeichneten sich in Tracht und Kleidung wenig vor den
übrigen Freien des Volkes aus, hatten auch keine Insignien. Der König führte in
den Volksversammlungen und Gerichten den Vorsitz, bezog einen Antheil an den
Strafen und der Kriegsbeute, besaß eigene Ländereien, die sich erst durch Eroberun-
gen bedeutend vermehrten, legtr den besiegten Feinden Abgaben auf, empfing aber von
seinem Volke nichts als Geschenke bei feierlichen Gelegenheiten.
Das Volk bestaub aus vier Ständen:
1) Der Adel, wahrscheinlich Familien, deren Vorfahren sich
durch Tapferkeit ausgezeichnet hatten oder durch großen Grundbesitz
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Die Visconti und Sforza.
101
nischen Herrschaft. Der Freistaat erweiterte sein Gebiet durch Er-
oberungen in Dalmatien und erhob sich durch seinen rasch aufblühen-
deu Handel mit den beiden anstoßenden mächtigsten Reichen Europa's
zu einer der bedeutendsten Mächte Italiens, stieg aber erst durch die
Kreuzzüge und die Einnahme der meisten Inseln und Seeküsten des
byzantinischen Reiches H zu der ersten Handels- und Seemacht em-
por. Den höchsten Grad ihrer Blüte erreichte die Republik in der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, indem sie durch eintzn Vertrag
mit dem Sultan von Aegypten zum Monopol des Handels nach
Indien über Aegypten gelangte und zugleich theils durch Verträge,
tbeils durch Kriege ihr Gebiet in Oberitalien (über den ganzen
Osteir der Lombardei) und Dalmatien erweiterte und die Inseln
Corfu (schon 1387) und Cypern (1489) erwarb. Allein durch das
Vordringen der Osmaueu in Europa verlor sie den größten Theil
ihrer griechischen Besitzungen, und die Entdeckung eines neuen Han-
delsweges nach Ostindien führte den gänzlichen Verfall ihrer Macht
herbei.
Seit 1172 war eine wesentliche Veränderung in der Verfassung eingetreten
durch die Einsetzung eines großen Nathes von 450 — 480 Mitgliedern. Dieser
bemächtigte sich der Besetzung fast aller Aemter und setzte dem Dogen einen Aus-
schuß, den kleinen Rath (Ia signoria), zur Seite, ohne dessen Zuziehung er keine
Staatsangelegenheiten entscheiden durfte. Durck die sogenannte Schließung des
großen Rathes wurde der Eintritt in denselben auf die damaligen Mitglieder
und deren Familien beschränkt, und so entstand eine erbliche Aristokratie. Unter
den mehrfachen Verschwörungen zum Umsturz dieser Verfassung ist am merkwürdig-
sten die, welche der 80jährige Doge Marino Falieri selbst veranlaßte und mit dem
Leben büßte (1355).
2. Ju Mailand ernannte Kaiser Heinrich Vii. den Matteo
Visconti zum kaiserlichen Statthalter (Vicar). Dieser begründete
durch Uitterwerfung benachbarter Städte die Macht seines Hauses,
welches unter Johann Galeazzo Visconti vom Kaiser Wenzel die
Herzogswürde von Mailand kaufte (1395). Nach dem Ausster-
den des Viscontischen Maunsstammes (1447) gelangte der von den
Mailändern in Sold genommene Condottiere Franz Sforza zur
Herrschaft, welcher (auch Genua eroberte und) die Regierung auf
»seine Nachkommen vererbte.
3. Die Republik Genua erlangte durch die Wiederherstellung
des griechischen,Kaiserthums außer einigen Seeplätzen große Haudels-
*) S. das 7. Blatt in v. Spruncr's historisch-geographischem Handatlas.
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Extrahierte Personennamen: Sforza Marino_Falieri Heinrich_Vii Heinrich Matteo
Visconti Johann_Galeazzo Johann Wenzel Franz_Sforza Franz
Die Schweiz. Die Staaten Amcrika's.
131
Halterschaft im nördlichen Deutschland vortheilhaft bekannt gewor-
denen) französischen Marschall Bernadotte, Prinzen von Pontecorvo,
zum Thronfolger bestimmten, der auch als König Karl Xiv.
Johann durch wesentliche Verbesserungen in allen Zweigen der
Staatsverwaltung das Vertrauen der Nation gerechtfertigt hat. Ihm
folgte (1844) sein Sohn Oscar I.
8- 59.
Die Schweiz.
Demokratische Bewegungen in den aristokratischen Cantoiten
nach der Pariser Julirevolution hatten die Umänderung mehrerer
aristokratischer Verfassungen in demokratischere und die Trennung
Basels in zwei Cantone, Stadt-Basel und Basel-Landschaft, zur
Folge.
Im Jahre 1848 ward die Bundesverfassung einer Revision
unterworfen und ein Zweikammersystem (Nationalrath und Stände-
rath) für die Gesetzgebung und für Bundesbeschlüsse eingeführt.
Die oberste vollziehende Gewalt ist der Bundesrath, bestehend aus
7 Mitgliedern (Ministern), welche von den vereinigten Räthen (auf
3 I.) gewählt werden, mit einem jährlich wechselnden, ebenfalls
von beiden Räthen gewählten, Bundespräsidenten. Diese Verfassung
wurde von 172/2 Cantonen genehmigt und als angenommen procla-
mirt. Bern ist Bundesstadt (Sitz des Bundesrathes).
8. 60.
Die Staaten Amerika's.
1. Die vereinigten Staaten Nordamerika's haben fort-
während theils durch freiwilligen Anschluß, theils durch Verträge
wie an äußerm Umfang und Bevölkerung so auch an innerer Kraft
zugenommen. Sie verbreiteten Anbau und Civilisation immer mehr
von O. nach W. und, besonders seit ihrer Ausdehnung bis zum
stillen Ocean, ihren Handel über alle Meere, so daß die Union nach
England der erste Handelsstaat der Welt ist. In den materiellen
Zweigen der Cultur, wie Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, eilte sie
sogar Europa voran.
2. Haiti oder St. Domingo hat nach Vertreibung der Fran-
zosen und später der Spanier einen mannichfaltigen Wechsel der
9 *
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt]]
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Extrahierte Personennamen: Marschall_Bernadotte Pontecorvo Karl Johann Haiti
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Stadt-Basel Basel-Landschaft W. England Europa
Stiftung neuer Republiken. Napoleon erster Cónsul. 101
die syrische Wüste nach Aegypten zurück. Hier vernichtete er das
gelandete türkische Heer bei Abnkir, und kehrte dann, auf die Kunde
von der kritischen Lage der Republik und, nachdem er dem General
Kleber den Oberbefehl in Aegypten übergeben hatte, nach Frankreich
zurück.
Stiftung neuer Republiken.
Das Directorium hatte durch eine Reihe gewaltsamer Umwäl-
zungen eine neue Coalition der europäischen Mächte gegen Frankreich
herbeigeführt. So gab die Ermordung eines französischeil Generals
(Duphot) bei einem Volksaustaufe in Rom einen Vorwand, unr den
Kirchenstaat in eine römische Republik zu verwandeln, der Papst
Pius Vi. ward nach Frankreich gebracht, wo er (1799) starb. Eben
so gewaltsam war die Umgestaltung der schweizerischen Eidgenossen-
schaft in eine helvetische Republik (herbeigeführt durch Ein-
mischung in Streitigkeiten zwischen Bern und Waadtland). Nachdem
auch Neapel zur parthenopeischell Republik erklärt (s. §. 40),
der König von Sardinien zur Abtretung Piemonts genöthigt und
der Großherzog von Toscana (wegen eines Bündnisses mit Neapel)
aus seinem Lande vertrieben worden, war ganz Italien republika-
nisirt.
Der Krieg der zweiten Coalition gegen Frankreich s. §. 40.
Auflösung des Direktoriums. Unter der unfähigen und
despotischen Directorial-Regierung stieg die illnere Zerrüttung und
Auflösung der Republik immer höher, und als Bonaparte, von die-
sem Zustande Frankreichs und dessen vielfacher Bedrohung von Außen
unterrichtet, aus Aegypten zurückkehrte, stürzte er als Oberbefehls-
haber der bewaffneten Macht das Directorium am 18. Brumaire
(9. Nov.) 1799 und ließ zufolge einer neuen (der 4ten) Constitu-
tion die Regierung sich als erstem Cónsul auf 10 Jahre über-
tragen; Cambacöres und Lebrun, seine beiden Mitconsulen hatten
nur eine berathende Stimme, die Gesetze wurden von den Consulen
einem Tribunate (von 100 Männern) zur Berathung und einem
gesetzgebenden Corps (von 300) zur Bestätigung vorgeschlageil.
8- 40.
Der Krieg der zweiten Coalition gegen Frankreich
1799 — 1802.
Um die Zeit, als Bonaparte sich zur Abreise nach Aegypten
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Lebrun
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Rom Frankreich Bern Neapel Sardinien Neapel Italien Frankreich Frankreichs Frankreich
72
Die Aegyptier. Verfassung. §. 26.
2) Verfassung. Das absolute Königthum erbte auch in
weiblicher Linie fort. Beim Erlöschen oder Sturz einer Dynastie
wurde der neue König aus einer der beiden herrschenden Kasten,
aus den Priestern oder Kriegern, gewählt, und ein zum Könige
gewählter Krieger wurde sofort in die Priesterkaste aufgenommen;
denn die königliche Gewalt war nicht blos eine gesetzgebende,
vollziehende und militärische, sondern auch eine priesterliche, und
ihr Inhaber genoss göttliche Verehrung. Die richterliche Gewalt
wurde durch einen besondern, aus (31) Mitgliedern der 3 vor-
nehmsten Priestercollegien zusammengesetzten Gerichtshof ausgeübt,
der sich streng an das Gesetzbuch zu halten hatte.
Die freie Bevölkerung Aegyptens zerfiel in zwei Stämme:
einen hellfarbigen herrschenden Stamm, welcher in den frühesten
Zeiten das Land erobert hatte, und die dunkelfarbig^Urhevölkerung.
Der herrschende Stamm bestand aus den beiden Kasten der Priester
und Krieger; sie allein hatten den Grundbesitz (jede */3 des
eroberten Landes, der König ebenfalls ein Drittel) und die Ver-
waltung aller Staatsämter für sich behalten; die übrige Menge oder
die Ureinwohner werden bald als eine Kaste (der Nährstand)
aufgefasst, bald wieder in mehrere Kasten geschieden nach der
Verschiedenheit ihrer Beschäftigung (Künstler, Handwerker, Kauf-
leute, Nilschiffer, Ackerbauer, d. h. Pächter, Hirten).
Die Priesterkaste hatte, als nächste Ralhgeber des Königs, als
Deuter der Orakel und Vorzeichen und als einzig berechtigte Pfleger der
Wissenschaften, einen bedeutenden politischen Einfluss. Die angesehen-
sten Priestercollegien waren bei den Haupttempeln zu Theben, Memphis
und Heliopolis. Die Söhne der Priester mussten nicht allein bei dem-
selben Tempel und also im Dienste desselben Gottes bleiben, sondern
auch die einzelnen Würden und Abstufungen gingen von dem Vater auf
den Sohn über, der zu den besonderen Verrichtungen und wissenschaft-
lichen Beschäftigungen der Kaste herangebildet wurde.
Die Krieger kaste war vorzugsweise in Unteraegypten angesiedelt,
weil dieses den feindlichen Einfällen am meisten ausgesetzt war. Es gab
keine Reiterei, sondern nur Fussvolk (Bogenschützen, Lanzenlräger,
Schleuderer und Keulenträger) und zweiraderige Streitwagen, d^ren
jeder einen Wagenlenker und einen Kämpfer trug.
3) Die Litteratur der Aegyptier, theils in unzähligen In-
schriften auf den Denkmälern, theils auf Papyrusrollen und Mumien-
leinwand erhalten, ist eine der jnlialtreichsten des Alterthums, und
zwar weniger die poetische, welche sich auf lyrische Dichtungen
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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80
Die Karthager. Staatsverfassung. §. 30.
Römer, entriss den Karthagern, welche dem letzten Frieden zufolge
keinen Krieg ohne Erlaubniss der Römer anfangen durften, zwei
Provinzen ihres Gebietes (Emporia und Tyska) und erkaufte sich
zugleich in Karthago selbst eine Partei. Als diese aus der Stadt
vertrieben wurde, brach der Krieg aus, Masinissa schlug das Heer
der Karthager, schloss dasselbe in seinem Lager ein und zwang
es zur Uebergabe. Dieser Krieg, von den Karthagern ohne Er-
laubniss der Römer begonnen, gab Rom einen willkommenen
Vorwand zur Erneuerung der Feindseligkeiten.
Dritter Krieg mitrom, 149 —146, undüntergang
der Stadt, s. §. 101.
Nachdem C. Gracchus schon 24 J. nach der Zerstörung der Stadt
eine Golonie römischer Bürger dahin geführt' hatte, ward unter Caesar *)
auf dem Südende der Halbinsel eine neue Stadt erbaut, die als römische
Colonie unter den Kaisern aufblühte, später Hauptstadt des vandalischen
Reiches, dann Sitz des byzantinischen Statthalters war, und 706 von
den Arabern zerstört wurde. Aus den Ruinen ward das neue Tunis
erbaut.
1) Die Religio n der Karthager war im Allgemeinen dieselbe,
wie die des Mutterstaates Tyrus (s. §. 11, 11: alle Greuel des
phönizischen Cultus, besonders die Kinderopfer, waren mit nach
Karthago gewandert. Ausser den mit dem Mutterlande gemein-
schaftlichen Gottheiten hatten die Karthager später auch fremde
Culte angenommen, namentlich die Verehrung der sicilischen
Göttinnen Ceres und Proserpina. Rein karthagisch war die Ver-
ehrung der Dido und der Brüder Philaeni.
2) Staatsverfassung. Die Regierung war in den Händen
Anfangs eines2), später zweier aus den vornehmsten und reichsten
Familien (wahrscheinlich auf Lebenszeit) gewählten Könige (Suffeten)
und des Senates, welcher aus den (300) Repräsentanten aller
Zünfte der Bürger bestand und in den kleinen (ysgovoia) und
grossen Rath (77 avyydrjrog) zerfiel, jener, wie es scheint, für die
auswärtigen Angelegenheiten, dieser später für die inneren hinzu-
gefügt. Waren die Suffeten und der Senat verschiedener Meinung,
§. 30.
Cultur der Karthager.
’) Nach Drumann, Gesch. Roms, Iii., 672 f., nicht erst unter Augustus.
2) Ygl. Aristotelis Politica ed. Göttling. Excurs Iii.
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Extrahierte Personennamen: C._Gracchus Caesar Augustus Aristotelis_Politica
Extrahierte Ortsnamen: Emporia Karthago Masinissa Rom Tunis Tyrus Karthago
Erster Krieg mit den Samnitem. §.87.
247
er die Normen angab, nach welchen er in solchen Fällen verfahren
werde, für welche die gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichten.
Von diesen Anordnungen wiederholte der folgende Praetor in seinem
edictum nur das, was er selbst billigte. So bildete sich im Laufe der
Zeit ein fester Kern stets wiederholter praetorischer Verordnungen, und
dieses ediclum perpeluum ward eine Rechtsquelle, so gut, wie die
leges und die plebiscita. Die Vermehrung der Praetoren s. §. 105.
Die Weigerung der plebejischen Aedilen, zur Feier der Ein-
tracht beider Stände Spiele mit vermehrtem Aufwaude zu veran-
stalten, führte die Einsetzung einer neuen patricischen Magistratur,
der 2 Aediles curules, herbei, doch wurde es bald Sitte, ab-
wecliselnd 2 Patricier und 2 Plebejer zu wählen. Sie hatten vor-
zugsweise die öffentlichen Spiele zu veranstalten, wobei sie durch
aussergewöhnliche Leistungen und Zuschüsse aus eignen Mitteln
Gelegenheit fanden, sich zur W7ahl zu höheren Aemtern zu empfeh-
len, deren erste Stufe so die Aedilität wurde.
Mit der Wahl des L. Sextius, des einen Urhebers der Reform,
als ersten plebejischen Consuls (366), hörte die Herrschaft der
Aristokratie auf. Doch erst nach 25 J. gelangte die Plebs zum
ruhigen Besitze ihrer neuen Rechte, öfter ward die Consulwahl
durch Ernennung eines Diktators gestört oder mit Umgehung der
lex Licinia zwei patricische Consuln gewählt. Bald aber erhielten
die Plebejer ohne weitere Kämpfe auch Zutritt zu den andern
patricischen Aemtern, sowohl den bürgerlichen als denjenigen
religiösen, welche eine politische Bedeutung hatten, vgl. §. 93.
b) Die Zeit der Demokratie, 366—30 v. Chr. ^
aa) Roms Heldenzeit während der Kämpfe um die
Herrschaft Italiens bis zu dessen Unterwerfung, 266.
Der ei:ste Krieg1 mit den Samnitern, 342—340.
Nach der Unterwerfung der Volsker waren die Römer im
Süden Nachbarn der Samniter (des mächtigsten der sabellischen
Völker) geworden. Diese hatten die Etrusker aus Campanien ver-
trieben und auc^i die griechischen Colonien in Campanien bis auf
Neapel unterworfen, so dass sie damals vom adriatischen bis zum
tyrrhenischen Meere herrschten. An Ausdehnung des Gebietes
und Volksmenge waren sie daher den Römern überlegen, aber es
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn]]
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‘256
Innere Geschichte Roms. §. 93.
Die herrschende Gemeinde oder der Kreis der römischen
Vollbürger war so weit und fast weiter ausgedehnt, als es
möglich war, ohne den Begriff einer städtischen Gemeinde auf-
zugeben, nämlich nördlich bis tief in Etrurien, südlich bis nach
Campanien, ohne dass alle Orte innerhalb dieses Gebietes das
römische Bürgerrecht hatten. Dagegen waren auch ausserhalb
desselben manche entferntere Gemeinden völlig in die römische
aufgegangen, indem die nach römischen Colonien ausgesandten
Bürger alle ihre Rechte behielten.
Die römischen Unterthanen, d. h. Bürger ohne Ehren-
rechte, zerfielen in 1) die latinischen Städte und die durch
ganz Italien verbreiteten latinischen Colonien, gebildet aus
Latinern und aus solchen römischen Bürgern, welche gegen
Ackeranweisung auf die Ausübung politischer Rechte in Rom
verzichteten. Sie waren die bevorzugteste Klasse, indem sie ihre
Autonomie (die Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten) be-
hielten; 2) die civitates sine suffragio waren Gemeinden
mit römischem Bürgerrecht ohne actives und passives Wahlrecht,
dagegen zu allen Lasten des römischen Bürgers, namentlich
Kriegsdienst und Steuern, verpflichtet; 3) die socii, deren Ver-
hältnisse durch besondere Verträge auf sehr verschiedene Weise,
bald mit sehr umfassenden, bald mit sehr beschränkten Rechten,
geordnet waren.
Im Allgemeinen hatte die zweite von diesen 3 Klassen die drückendste
Form der Abhängigkeit; sie lebte auch nach römischen Gesetzen und
erhielt Recht von römischen Richtern. Nirgendwo aber hatten in einer
Gemeinde Italiens die Bürger ihre persönliche Freiheit verloren.
Innere Geschichte Roms während dieses Zeitalters.
Nachdem die Plebejer sich einmal Antheil an dem Consulate
verschafft hatten und die Angesehensten derselben in den Senat
gekommen, auch durch Heirathen in Verwandtschaft mit patricischen
Familien getreten waren, kamen allmählich auch die bisher den
Patriciern noch vorbehaltenen Aemter in plebejische Hände, so die
Dictatur, die Censur und Praetur, zuletzt durch die lex Ogulnia
(300) auch eine Anzahl Stellen unter den Pontifices und Augures;
die Priesterstellen ohne politische Bedeutung (Salier, Fetialen, Rex
§• 93.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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Extrahierte Ortsnamen: Roms Etrurien Italien Rom Italiens Roms Ogulnia
Die Reformen der beiden Gracchen. §. 106.
Die Centurienverfassung war (schon 241) in der Weise mn-
gestaltet worden, dass alle 5 Klassen eine gleiche Stimmenzahl
(die seniores und iuniores je eine in jeder. Tribus, also 70) er-
hielten1) und somit nicht mehr die erste Klasse mit den Rittern
allein schon die Entscheidung geben konnte (vgl. S. 227). Auch
fand die Nobilität eine doppelte Opposition: theils an dem Censor
M. Porcius Cato u. A., welche die ältere, bessere Zeit (durch Ge-
setze gegen den einreissenden Luxus u. s. w.) wieder herbeiführen
wollten, theils an einzelnen Demagogen (populäres), welche die
Gewalt der Regierung zu beschränken und die der Comitien zu
erweitern suchten. Auch gelang es, die Dictatur, wenn nicht
gesetzlich, doch factisch zu beseitigen, dagegen dem Volke Einfluss
auf die Finanz- und Militärverwaltung, so wie auf die äussere
Politik (Ratification von Staatsverträgen) zu verschaffen. So ward
die Macht des Senates vermindert und weniger die Gewalt, der
Bürgerschaft, als die ihrer ehrgeizigen Führer gemehrt.
r
' cc) Von den Gracchen bis zur Alleinherrschaft des
Augustus, 133—30. Verfall der Republik.
Rürgerliche und auswärtige Kriege.
§. 106.
®i?e Reformen ^er beiden Cfrac<d»en* 2), 188—121.
Die römische Bürgerschaft bestand damals aus den durch Ver-
waltung von Staatsämtern und Provinzen reichen Nobiles und einem
müssigen und armen Pöbel; einen wohlhabenden Mittelstand gab
■es nicht. Denn der freie Bauernstand in Italien, welcher durch
Kriegsdienst erdrückt und durchf Geldnoth gezwungen war, sein
Erbe zu verkaufen, hatte sich rasch vermindert, besonders seitdem
die Bewirthschaftung der grossen Güter (latifundia) durch Sclaven
geschah, weil diese vom Kriegsdienste frei waren
0 Nach Göttling- lag dieser Reform die Absicht zu Grunde, die beiden
getrennten Arten der Volksversammlungen : die oligarchische der Centuriat-
Comitien und die demokratische der Tributcomitien auf eine verständige Weise
zu verschmelzen und diese Gombination allmählich an die Stelle der beiden
bisherigen Versammlungen treten zu lassen. Vgl. Fr. Dor. Gerlach, zur V'er-
fassungsgescliichte der römischen Republik. 1s71.
2) A. H. Heeren, Geschichte der Revolution der Gracchen in dessen,
kleinen histor. Schriften, Th. 1., 1803. — K. W. Nitzsch, die Gracchen und
ihre nächsten Vorgänger. 1847.
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Die Reformen der beiden Gracchen. §. 106.
285
Scipio Nasica ward unter dem Vorwände einer Gesandtschaft nach
Asien entfernt, wo Aristonicus, ein natürlicher Sohn Eumenes
des Ii., Ansprüche auf Pergamum und glückliche Fortschritte in
dessen Besetzung machte, bis der Consul Perperna ihn (129) un-
terwarf; die erste römische Besitzung in Asien erhielt, gleich der
ersten afrikanischen, den Namen des Welttheils, worin sie lag
(Asia).
Wenn Tiberius Gracchus nur eine einzelne Verwaltungsmass- tft
regel vorgeschlagen hatte, so trat sein jüngerer Bruder, Gaius.^^
Sempronius Gracchus (den der Senat 2 Jahre als Quaestor *
in Sardinien beschäftigt hatte), als Volkstribun 123 und 122, mit
einer Reihe Vorschläge zur Abänderung der Verfassung hervor.
Seine Reformen bezweckten nicht blos, die socialen Zustände der
Menge zu verbessern (wie durch Ermässigung der Getreidepreise
auf Kosten des Staates, durch Aussendung überseeischer Colonien,
zunächst nach Karthago), sondern auch die Herrschaft der Nobili-
tät zu untergraben. Daher entzog er dem Senate die Entschei-
dung in den wichtigsten Verwaltungsfragen (über Acker- und
treidevertheilung, die Previnzialverwaltung u. s. w.)^ und übertrug
sie den Tributcomitien, das heisst mittelbar den Volkstribunen.
Um Zwietracht zwischen der Aristokratie selbst zu stiften und
einen Theil derselben in sein Interesse zu ziehen, setzte er in den
Tributcomitien eine I«* radiciaria durch, welche die Gerichts-
barkeit dem Senate (der Adelsaristokratie) entzog und sie den
Rittern (der Geldaristokratie) übertrug, denen er auch die Erhe-
bung der indirecten Steuern in der neuen Provinz Asia verschaffte.
Dagegen erneuerte er vergebens den schon vorher (von M. Fulvius
Flaccus) gestellten Antrag, den Bundesgenossen das römische Bür-
gerrecht zu ertheilen.
Um den Gracchus zu stürzen, stellte der Senat ihm seinen
Collegen M. Livius Drusus als Nebenbuhler entgegen, der nicht
nur die Abstimmung über die (auch dem Volke missliebige) lex
de suffragiis sociorum durch sein Veto hindern, sondern jenen an
populären, wenn auch unausführbaren Gesetzvorschlägen überbie-
ten musste. Dadurch erreichte der Senat, dass Gracchus nicht
zum dritten Tribunat gewählt wurde und begann nun die Beaction
mit einem Angriffe auf dessen unpopulärste Massregel, die Wieder-
herstellung Karthago’s. Dabei entstand 121 ein Kampf in der
Stadt zwischen den Anhängern des Gracchus und den Aristokraten,
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Flaccus Livius_Drusus
Extrahierte Ortsnamen: Asien Asien Sardinien Karthago