Balkanhalbinsel. 117
Unter den Nahrungsquellen ist in erster Linie die Landwirt-
schaft zu nennen. Freilich ist sie trotz des fruchtbaren Bodens und günstigen
Klimas infolge der langen Türkenwirtschaft arg vernachlässigt. Von Be-
deutnng für die Ausfuhr ist der Wein- und der Olivenbau in Griechen-
land, die Rosenzucht im Märitzatal, der Anbau von vorzüglichem
„türkischem" Tabak, der Getreidebau in Bulgarien und die Pflaumen-
zncht in Bosnien und Serbien. Ausgedehnt ist die Schafzucht (das Fleisch
der Schafe ist ein Hauptnahrungsmittel) und in Bosnien und Serbien,
begünstigt durch die großen Eichenwaldungen, die Schweinezucht. Die
Ziege ist in Griechenland, das wichtigste Haustier. — Die Erzeugnisse
des Gewerbefleißes sind unbedeutend, abgesehen von der Teppich-
Weberei. Seidenzucht und an den Küsten Griechenlands die Schwamm-
fischerei zählen zu den wichtigsten Erwerbsquellen. Den Binnenhandel
fördern die Bahnen zwischen Belgrad-Konstantinvpel und Belgrad-Saloniki.
Der Seehaudel liegt in der Türkei darnieder, während Griechenland darin
Fortschritte zeigt.
Vor allen andern Ländern Europas war die Halbinsel ihrer Lage ge-
maß am meisten den Einwirkungen des Orients ausgesetzt. Hier nahm die
europäische Kultur, angeregt von der des Morgenlandes, ihren Ausgang. Bald
ubertrafen die Hellenen an Ge
dankenklarheit und edlerem Ge-
schmack für Bau und Bildwerke
die Morgenländer. Todesmutig
wurde von den Griechen die junge
europäische Gesittung gegen den
Ansturm der Perser verteidigt. So
blühten Kunst und Wissenschaft
im Altertum in Griechenland
empor. Alte Baudenkmäler geben
noch heute Kunde von der Höhe
altgriechischer Kunst—im Mittel-
alter erlag die Halbinsel, der
morsche Rest des oströmischen
Reichs, dem Ansturm der Türken,
die 1453 Konstantinopel eroberten,
in den folgenden Jahrhunderten
tief nach Mitteleuropa vordrangen
und fast ganz Ungarn, Rumänien
und die Länder n. vom Schwarzen
Meer unterwarfen. Im l7.Jahr-
hundert bereits begannen die Verluste, die sich bis in die neueste Zeit derart
sortgesetzt haben, daß von dem einstmaligen großen Türkenreiche in Europa
nur noch wenig übrig geblieben ist.
Staaten und Trtskunde.
I. Die europäische Türkei, a) Unmittelbarer Besitz: 170000 qkm, <;
Mill. E., 36 auf 1 qkm, Despotie, beherrscht von einem Sultan.
G Konstantinopcl*) reizvoll auf 7 Hügeln an der gleichnamigen Meeres-
enge gelegen. Es ruft mit den Bauminseln, den die Häusermassen über-
ragenden Kuppeln und Minarets der Moscheen einen überwältigenden Ein-
druck hervor. Ein vortrefflicher Hafen, das „Goldene Horn", schneidet
flußartig tief ins Land ein. Konstantinopel ist ein wichtiger Seehandelsplatz
an der Eingangspforte des Morgenlandes. Von hervorragenden Bauten seien
genannt: die S o p h i enmo s ch ee, „die Hohe Pforte." d'. i. der Palast des
d. i. Konstantinsstadt, vergl. Adrianopel, Philip popel,
Sebastopel, Napoli, Tripoli.
Konstantinopel l: 180000.
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Extrahierte Personennamen: Philip_popel
Extrahierte Ortsnamen: Griechen- Bulgarien Bosnien Serbien Bosnien Serbien Griechenland Griechenlands Belgrad-Konstantinvpel Griechenland Europas Griechenland Konstantinopel Mitteleuropa Ungarn Europa Konstantinopel Napoli Tripoli Konstantinopel
Dieiländer um das Mittelmeer.
117
Morgenländisches Städtebild:
Blick auf Konstantinopel von Skütari aus.
Iii. Königreich Serbien. (49000 qkm, 2,2 Mill. E.)
Belgrad (weiße Burg), Hst. und Festung an der Donau.
Iv. Fürstentum Montenegro, das „Land der schwarzen Berge," bewohnt von den
tapfern Montenegrinern, die sich vom türkischen Joche freizuhalten wußten. Cetinje
(tschettinge), dorfartige Hst.
V. Das dalmatische Küstenland, vielgegliedert, zu Österreich gehörig.
Gecrg üc'ert-.r,
Abschluß. fr.:- inten ; or
Die Mi der uut das Mittelmeer.
(Kulturgeographischer Überblick.) schvib=<
1. Allgemeines. Die Länder um das Mittelmeer können nach ihren natürlichen
Verhältnissen als ein einheitlich geographisches Ländergebiet aufgefaßt werden. Der
Kern dieses „Mittelmeergebiets" ist die Riesenschale des mittelländischen Meeres,
auch kurzweg „das Mittelmeer" genannt. Das ganze Meeresbecken ist bis auf geringe
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172 Das Deutsche Reich,
Striche völlig germanisiert. Die d eusch en Stämme des Ostens sind
(bis auf einen kleinen Teil Oberdeutscher im w. Ostpreußen) durchweg
Niederdeutsche. Als deutsche Grenzstämme im rauhen Osten gegen-
über dem andringenden Slaventum zeichneten sie sich von jeher durch markiges,
arbeitsames, vaterlaudsliebendes Wesen aus. Es sind in dieser Hinsicht
besonders zu nennen die kernigen, gesinnungstreuen Ostpreußen, die derben,
aber biedern Pommern, die gemütsreichen, treuherzigen Schlesier, die that-
träftigen, kriegstüchtigen Märker und endlich die redegewandten, witzigen,
praktischen Berliner. — Über die s l a v i s ch e n und lettischen Kolks-
reste des deutschen Ostens vergl. S. 133.
Ii) Die Bevölkerungsdichtigkeit ist der wenig günstigen
Fruchtbarkeitsverhältnisse wegen ziemlich gering. Nach der Übersichtstafel
S. 135 bleiben alle Gebiete des Ostens außer Schlesien ziemlich bedeutend
hinter der mittleren Bevölkeruugsdichte des Reichs zurück. Schlesien
übertrifft dieselbe. — Einzelne Striche leiden zudem unter einer starken
Au s w a n d e r u u g. So weisen Posen und Westpreußen von allen
deutschen Ländern die größte Zahl von Auswanderern aus.*)
c) Religion. Die herrschende Konfession ist die e v a n g e l i s ch e.
Katholisch sind die Bewohner in Oberschlesien, im ostpreußischeu
Ermlaude, sowie zur Hälfte in Westpreußen und überwiegend in Posen.
Jüdische Bevölkerung ist zahlreich im Posenschen anzutreffen.
d) Nahrungsquellen. Der hauptsächlichste Erwerbszweig ist
die Landwirtschaft. Etwa Vs des Bodens ist mit Wald bedeckt.
Jnbezng auf Viehzucht ist besonders die Pferdezucht in Ostpreußen
(Trakehnen), Holstein und Mecklenburg und die Schafzucht in Pommern
hervorzuheben. Als Wohnhaus der bäuerlichen Bevölkerung kommt
vorzugsweise die fränkische Hofanlage (S. 146), daneben aber auch das
sächsische Bauernhaus (S. 176) und endlich in Ostpreußen und den Weichsel-
gegenden das nordische Haus vor. Dasselbe ist, wie das fränkische,
von den Wirtschaftsgebäuden gesondert, hat an der Giebel- oder auch
an der Frontseite eine Vorhalle („Vorlaube") welche ganz oder halb offen
und der Haupteingang des Hauses ist, und wird im Innern von beiden
Seiten durch Fenster erhellt. Hinter dem Hause sind Gartenanlagen.
Aus dem Wirtschaftshof gelangt man dnrch das „Hostbor". — Eine
eigenartige Erscheinung im wirtschaftlichen Leben der Landbevölkerung des
Ostens (namentlich in Posen und Westpreußen) ist die sogen. „Sachsen-
ganger ei". Tausende von Landarbeitern ziehen im Frühjahr nach
den „Rübenländern" des Westens und kehren zu Begiun des Winters mit
ihrem ersparten Verdienst wieder heim. Durch diese Wanderzüge erwächst der
Landwirtschast des Ostens bedeutender Schaden. Die I n d u st r i e ist
infolge der Armut des Landes an mineralischen Bodenschätzen wenig ent-
wickelt. Ausnahmen bilden der oberschlesische Jndnstriebezirk und die
Stadt Berlin. — Der Handel knüpft sich an die Küstenplätze und
großen Binnenstädte. Im letzten Jahrzent ist für die Anlage von Bahn-
linien im deutschen Osten sehr viel geschehen. Tie großen Hauptstrecken
sind durch zahlreiche Nebenbahnen mit einander verbunden, so daß auch
die entlegensten Gebiete der Ebenen in den Bereich regen Verkehrs und
Güteraustausches gezogen sind.
-) 3891 kamen von den 115392 Auswanderern des Deutschen Reichs
18278 auf Posen, 15733 auf Westpreußen.
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182 V. Das Deutschtum im Auslande,
Überall versteht man daselbst auch die hochdeutsche Sprache.
Reichsdeutsche leben in Holland über 40000, in der Hauptsache
in den beiden großen Hafenstädten Rotterdam und Amsterdam,
in der Residenz Haag und in der Universitätsstadt Utrecht.
Die Hauptmasse der Schweizerbevölkerung ist deutsch.
72 °/0 spricht deutsch. Unter den 25 Schweizer Kantonen gibt es
18 Kantone, die rein deutsch sind, d. h. ihre deutsche Bevölkerung
beträgt mehr als 80 % der Gesamtbevölkerung; es gibt aber
keine, # die < ausschließlich französisch oder italienisch wären, denn
auch in diesen ist _ das Deutschtum vertreten, selbst in dem von
Italienern ausschließlich bevölkerten Tessinkanton betragen die
Deutschen l1/2 % der Gesamtbevölkerung. Deutsche Ansiedelungen
finden sich auch in der abgelegenen Verggemeinde Vosko. Dem
deutschen Schweizer ist mehr ein „schwyzerisches" Sonderbewußtsein
eigen als ein deutsches Nationalbewußtsein. Zudem tut er sich
gern auf seine republikanische Staatsform etwas zugute und
schaut auf die in einer Monarchie lebenden Reichsdeutschen herab;
zu leicht vergißt er nur, daß er wirtschaftlich, auch in der „Fremden-
Industrie", hauptsächlich vom Deutschen Reich abhängt und
diesem einen großen Teil seiner wirtschaftlichen Blüte verdankt.
Die Reichsdeutschen finden sich in keinem Lande Europas in so
großer und stetig wachsender Zahl wie in der Schweiz; die Zahl
der deutschen Reichsangehörigen dürfte jetzt 200000, d. h. 6% der
Gesamtbevölkerung erreicht haben.
Außerhalb des durch die heutige politische Grenze umzirkten
deutschen Gebietes finden wir die meisten Deutschen in Ö s t e r r e i ch,
Hierselbst rund 9800000, wozu sich über 100000 Reichs-
angehörige gesellen. Alle Landstriche südlich der Donau, Wien-
Preßburg bis zum Tale der Mur und Drau sind von Deutschen
bewohnt. An der Drau zieht sich die Südgrenze hin, biegt bei
Bozen nach Süden aus und wendet sich bis an den Rhein. Sie
reichte einst bis Verona. Aus diesen südlichen, dem Deutschtum
fast ganz verloren gegangenen Gegenden klingen uns die Sagen
Dietrichs von Bern entgegen, sowie die Minnelieder Oswalds
von Wolkenstein. Zur Zeit der Gegenreformation fielen diese
Gebiete dem Romanismus zum Opfer, und nur wenige Bruch-
stücke im Norden von Verona erinnern an die deutschen An-
siedelungen; auf sie kommen wir späterhin ((5.188) noch zu reden.
Ein breiter, nur im Osten aufgelockerter deutscher Ring
umgrenzt die Tschechen Böhmens, die von ihm wie in einem
Binnenmeer eingeschlossen sind. Indessen auch innerhalb des
tschechischen Gebietes finden sich deutsche Sprachinseln, deutsche
Enklaven. Die wichtigsten unter ihnen sind Schönhengst, Brünn,
Jglau, Olmütz und Bielitz. In Budweis ist das Deutschtum
auffällig zurückgegangen; vor anderthalb Jahrzehnten sprach
man von Budweis noch als von einer deutschen Enklave; jetzt
spricht man nur noch von deutschen Sprachinselchen bei Budweis.
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Die deutsche Auswanderung nach ihrem Wesen und ihrer Entivickelung. 105
nicht nur die neugegründeten, sondern auch die alten Städte des polnischen
Reiches sich „deutsches Stadtrecht" erwirkten.
Die Zeit der großen Läuderentdeckuugeu eröffnete nicht
nur den Handel, sondern auch der Auswanderung neue Gebiete. Doch
Deutschland hielt sich gänzlich zurück und nahm an der Eroberung und
Besetzung der neuen Welt so gut wie gar nicht teil. Die dnrch die
Reformation hervorgerufenen großen inneren politischen Bewegungen nahmen
die ganze Aufmerksamkeit der deutschen Volkskraft in Anspruch. Abgesehen
von einzelnen Abenteurern, die nach dem aufregenden und wechselreichen
Leben zur Zeit des großeu Religionskrieges es vorzogen, jenseit des
Ozeans ihr Glück zu suchen oder ein abenteuerliches Jägerleben zu führen,
nahm die deutsche Auswanderung der Neuzeit doch erst im
18. Jahrhundert ihren Anfang.
Zwei Ländergebiete bildeten zunächst das Ziel deutscher Auswanderer:
Rußland und Nordamerika. Die Auswanderung nach Rußland behielt
das 18. Jahrhundert hindurch noch das Übergewicht. Schon Peter der
Große siedelte nach der 1703 erfolgten Gründung von Petersburg Deutsche
in der Stadt und ihrer Umgebung au. Noch mehr aber begünstigte die
Kaiserin Katharina Ii. die Einwanderung. Sie gewährte den Ansiedlern
volle Religionsfreiheit, Vergünstigungen und Unterstützungen und errichtete
1763 eine eigene Kanzlei („Tntel-Kanzlei"), die sich lediglich der
Sorge für die Auswanderer zu widmen hatte. Infolge dieser günstigen
Anerbietungen siedelten sich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in
der Petersburger Gegend zahlreiche Kolonistenfamilien aus Württemberg,
Preußen, Hessen und der Pfalz an. Die Schwaben bildeten die Mehrzahl
der Einwanderer. Bald wurde der Audraug der Land begehrenden Ein-
Wanderer so groß, daß auf den Befehl der Kaiserin einem Teil der
Ansiedler Ländereien in Mittel- und Südrußland zur Verfügung gestellt
wurden. So entstanden die Wolgakolonien, darunter die Kolonien
der Herruhuter Brüdergemeinde, und bald darauf (von 1784 ab) die
Meunouitenkolonieen am Dnjepr und in Tanrien.
Im Anfange des 19. Jahrhunderts war in dem von Napoleon
niedergeworfenen Deutschland die Neigung zur Auswanderung sehr groß.
Kaiser Alexander I., der den Wert deutscher Ackerbaukultur wohl zu
schätzen wußte, erließ 1813 einen Aufruf an die Deutschen der von
Preußen abgetretenen polnischen Landesteile und bot ihnen in Bessarabien
Ländereien zur Besiedeluug an. Er gewährte ihnen Unterstützung beim
Hausbau und bei ihrer Einrichtung, völlige Religionsfreiheit und Befreiung
vom Militärdienste. Die günstigen Berichte der Kolonisten aus Bessarabien
lockten bald neue Kalonistenzüge aus Nord- und Süddeutschland herbei.
Es entstanden die deutschenkolonieen nördlich vomschwarzen
Meer (in den Gouvernements Cherson, Tanrien und Jekaterinoslaw)
und in Kaukasieu. Obgleich die Einwandererzüge nach Rußland bis in
die Mitte dieses Jahrhunderts währten, wurden sie doch seit 1815 von
der Massenauswanderung nach Amerika bei weitem übertroffen. (Meyer
v. Maldeck schätzt die Zahl der heutigen deutschen Kolonisten in Rußland
auf 300 000 Köpfe, während v. Koschitzki annimmt, daß allein von
1816—1826 etwa 250000 Deutsche nach Rußland ausgewandert seien.)
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Extrahierte Personennamen: Peter_der
Große Katharina_Ii Napoleon Alexander_I. Alexander_I. Meyer
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Nordamerika Petersburg Württemberg Hessen Mittel- Tanrien Deutschland Bessarabien Bessarabien Kaukasieu Amerika