502
105. König Maximilian Ii. von Bayern und die Wissenschaft.
Werke große Summen aus Staatsmitteln gespendet, aber unter den Fürsten ist Maximilian Ii. der einzige gewesen, der mit persönlicher Liebe und persönlichen Opfern seinem Volke, ja der Mitwelt und in noch höherem Maße der Nachwelt eine reiche, geistige Ernte bereitet hat. Es war besonders Schelling, der durch seine Ratschläge in der Seele des jungen Prinzen bereits den Entschluß geweckt und befestigt hatte, die Pflege der Wissenschaft nicht bloß für Bayeru, sondern für gauz Deutschland in die Hand zu nehmen. Der König hatte sich als leitenden Grundsatz auf Schellings Empfehlung das zum Augenmerke gemacht:
„Darauf soll bei der Wissenschaft, bei aller sonstigen Freiheit gesehen werden, daß die Achtung vor göttlicher und staatlicher Ordnung stets gewahrt bleibe, daß der Mensch das Menschliche dem Göttlichen unterzuordnen habe."
Als er den Thron bestiegen, da hatte er nicht gleich anderen Fürsten, die mitunter als Gönner der Gelehrten gepriesen werden, eine besondere wissenschaftliche oder künstlerische Liebhaberei zu befriedigen. Niemand weiß von einer exklusiven Neigung für dieses oder jenes, welcher der König mit Hintansetzung anderer Gebiete und Richtungen gefrönt hätte. Er betrachtete das Reich der Wissenschaft nicht mit dem Auge eines Gelehrten oder eines Dilettanten, sondern mit dem Auge eines Königs, der das Ganze überschaut und alle Teile dieses Ganzen mit unparteiischer Liebe umfaßt, der auch hier seine Günstlinge und seine Stiefkinder hat, gleich der Sonne, die ihre Strahlen aussendet, nicht etwa um einen abgelegenen Winkel zu erleuchten, sondern um der ganzen Erde und allen Geschöpfen Licht und Wärme zu spenden.
Wohl wußte der König, daß Theologie und Rechtswissenschaft wichtige Aufgaben zu vollbringen hätten, aber er nahm an, daß die juristische Leistung seiner besonderen fürstlichen Unterstützung bedürfe, da der Staat selbst und die ganze Nation bei dem Zustandekommen der Gesetzbücher unmittelbar beteiligt seien und die Staatsmittel vollkommen dafür ausreichten. Die Theologie aber, das fühlte er, könne nur in völliger Unabhängigkeit, nur den rein religiösen Impulsen folgend, nur von religiösen Motiven geleitet, an dem schwierigen Problem der Lösung konfessionellen Zwiespalts mit einiger Hoffnung des Erfolges arbeiten.
Maximilians, Geist war durchdrungen von Hochschätzung der deutschen Philosophie. Schellings Vorträge, die er, während sie ihm gehalten wurden, aufzeichnen ließ und sorgfältig studierte, hatten bleibenden Eindruck aus ihn hervorgebracht. Gleichwohl galt ihm auch die Philosophie nicht als eines der Gebiete, auf welche seine Fürsorge sich zu erstrecken habe. Er wußte, daß hiermit äußerer Nachhilfe nichts zu erreichen fei; nur das eine glaubte der König für dieses Gebiet tun zu können, das Erscheinen von Gesamtausgaben der Werke deutscher Denker mit ansehnlichen Summen zu unterstützen, und das hat er getan.
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508 105. König Maximilian Ii. von Bayern und die Wissenschaft.
Monumenta Germaniae, also seit etwa 30 Jahren, genommen hat, machte die zahlreichen Lücken, an denen sie noch litt, erst recht fühlbar. Es war, wie wenn ein dunkler Saal plötzlich durch ein Licht erleuchtet wird und man nun eist wahrnimmt, wie nackt die Wände, wie spärlich noch das Geräte in diesem Raume sei. Man erkannte, dajg wir Deutsche noch weit davon entsernt seien unserer gioßcn Vergangenheit auch nur die notdürftigste Gerechtigkeit erwiesen Zu haben, daß noch eine große Menge von vorbereitenden Arbeiten, von monographischen Leistungen not tue, bis nur einmal daran gedacht werden könne, eine der Nation würdige deutsche Geschichte zu schreiben. Der König nahm mit vollem Siechte an, daß die geistigen Kräfte, die in diesem Gebiete mit glücklichem Erfolge verwendet werden könnten, in Deutschland reichlich vorhanden seien, daß sie aber der Ermutigung, der Leitung und in vielen Fällen auch einer Remuneration bedürften, wie sie der Verleger nicht gewähren kann.
Er ries daher die historische Kommission ins Leben, welche unter ihrem Vorstande Leopold Ranke die angesehensten Historiker Deutschlands umfaßt und in ihren jedes Jahr wiederkehrenden Sitzungen über eine Dotation von jährlich 15000 Gulden zu verfügen hat. Es ist bemerkenswert, wie der König hier und auch sonst ganz anders verfuhr, als Monarchen zu verfahren gewohnt sind. Diese Pflegen ihre Gaben ganz dem eigenen Ermessen vorzubehalten, damit sie rein als persönliche Gunst und Gnadenbezeugung erscheinen möchten und ihnen allein der Dauk dafür zuteil werde. Maximilian hingegen gab die Verwendung der ansehnlichen Summen, die er bewilligt hatte, ganz aus der Hand; er setzte einen wissenschaftlichen Gerichtshof ein, der rein im Interesse der Sache darüber entscheiden sollte, und selbst die Bezeichnung der ferner hinzutretenden Mitglieder dieses Tribunals überließ er deu Männern, die nun einmal sein volles Vertrauen besaßen. Und doch, wenn er dann in seiner huldreichen, freundlich ausdrucksvollen Weise dem Empfänger seine Be-sriediguug über das Geleistete oder seine Hoffnungen bezüglich eines gewünschten und erwarteten Werkes aussprach, wenn er eine ihm vorgelegte Schrift so aufnahm, als sei damit ihm Persönlich ein dankenswerter Dienst erwiesen worden, dann hatte wohl jeder die Empfindung, daß es nicht bloß der Wahrspruch eines wissenschaftlichen Gerichtshofes, daß es mehr noch die Güte, das Wohlgefallen des trefflichen Monarchen sei, worin sein schönster Lohn liege, und daß für solche Gunst und Billigung kein Preis zu hoch, keine Austreugnng zu groß sei.
Damit noch besser erkannt werde, wie ersprießlich das Eingreisen des Königs in deu Gaug unserer geschichtlichen Tätigkeit gewesen, so sei die Bemerkung mir hier gestattet, daß große wissenschaftliche Werke historischen Inhaltes in der Regel ohne fürstliche oder staatliche Unterstützung heutzutage nicht mehr zustande gebracht werden können. Früher war dies teilweise anders. Die zahlreichen Klosterbibliotheken im südlichen Europa machten das Erscheinen
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140. Bayreuth.
635
rufen an die Freunde und Verehrer seiner Kunst gewandt. Daß das deutsche Volk sich selbst eine Stätte edelster nationaler Kunstausübung errichte, das war sein idealer Gedanke.
Aber die Nation ließ ihn im Stiche. Trotz der von einzelnen betätigten Opferwilligkeit flössen die Gelder nur sehr spärlich. Zwar konnte im August 1873 die „Hebefeier" auf dem Festspielhügel stattfinden; aber dann trat eine längere, bedenkliche Stockung ein, die wohl kaum so bald überwunden worden wäre, wenn nicht König Ludwig Ii., dessen hochherziger Entschluß einst den Künstler ans tiefster Not und Bedrängnis befreit hatte, auch diesmal wieder als Helfer und Retter sich erwiesen hätte. So konnten im Sommer des Jahres 1876 (13.—30. August) die ersten Festspiele stattfinden, zu denen ein auserlesenes Publikum von Fürsten, Dichtern, Künstlern, Musikern, Journalisten und Kunstfreunden, an ihrer Spitze der deutsche Kaiser Wilhelm I., sich eingefunden hatte. Trotz des glänzenden künstlerischen Ersolges der Aufführungen, bei deuen Wagners vierteiliger Dramenzyklus „Der Ring des Nibelungen" zur ersten vollständigen Darstellung gelangte, war aber das Bayrenther Werk auch jetzt noch nichts weniger als gesichert. Die ersten Festspiele schlossen finanziell mit einem gewaltigen Fehlbeträge ab, der den Meister von neuem zwang die Hilfe seines Königs in Anspruch zu nehmen. Nur diese Unterstützung ermöglichte die Weiterführung des Unternehmens, obgleich nicht einmal sie es verhindern konnte, daß die Pforten des Festspielhauses sechs volle Jahre bis zur ersten Aufführung des „Parsifal" im Jahre 1882 geschlossen bleiben mußten; so groß war damals noch die Teilnahmslosigkeit des deutschen Volkes gegenüber einem seiner größten Künstler. Es mag zweifelhaft fein, ob es Richard Wagner jemals möglich gewesen wäre seine letzten Werke: „Die Meistersinger", den „Ring" und „Parsifal" zu vollenden, wenn er nicht in König Ludwig den erhabenen Schntzherrn seines Lebens und seines Wirkens gefunden Hütte. Aber ganz gewiß ist es, daß wir „Bayreuth" einzig und allein der tatkräftigen Begeisterung und selbstlosen Treue dieses edlen Fürsten zu. verdanken haben. ^
*
Wer heutigentags zur Festspielzeit in Bayreuth anlangt, dem bietet sich schon beim Verlassen des Eisenbahnwagens der Anblick jenes vielbewegten Lebens und Treibens, wie es einer aus ihrem Alltagsdasein heraustretenden, im Sonntagskleide sich zeigenden Feststadt eigen zu sein pflegt. Und was an diesem Treiben fofort auffällt, es trügt durchaus internationalen Charakter. Fremde Laute dringen an unser Ohr: hier hören wir englisch, da französisch, dort wieder italienisch oder irgend eine slavische Sprache reden. Ans aller Herren Ländern, aus ganz Europa, ja selbst über den Ozean herüber sind diese Menschen nach dem kleinen oberfränkifchen Städtchen gekommen um sich an dem Kunstwerke des großen deutschen Meisters zu begeistern, die einen getrieben durch ein edles und echtes Bedürfnis nach seelischen Eindrücken erhabenster
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504
105. König Maximilian Ii. von Bayern und die Wissenschaft.
(Glinst, feinen Schutz angebechen läßt. (Sr besitzt nicht die burchbringenbe Kenntnis des einzelnen, ober er f)ot hingegen, und das ist in feiner t)ot)en Stellung wichtiger, den Maßstab für ihren Wert als Ganzes.
Unser Monarch befaß btefen Maßstab, aber er befaß noch überbies als eine ihn auszeichnende Gabe den festen Glauben an die unvergängliche Würbe der Wissenschaft, an ihre unfehlbar zum endlichen Siege sich burchfämpfenbe Wahrheit, an ihre zuletzt immer wohltätigen Wirkungen. Diesen Glauben ließ ei sich auch durch wibrige Erfahrungen, durch das egoistisch:unlautere Treiben einzelner nicht erschüttern. Für ihn gab es im Reiche des Geistes keine oben Steppen, die den Anbau nicht vertrügen ober nicht lohnten. Überall zeigte sich feinem durch umfassende Bildung und durch steten Umgang mit hochbegabten Männern geschärften Blicke treffliches Ackerland, welches nur der rechten Hände harre um zum Heile der Menschen feine Früchte hervorzubringen.
Wenn Goethe im Taffo feinem Herzoge Alfons die Worte in den Mimb legt: „Ein Felbherr ohne Heer scheint mir ein Fürst,
Der die Talente nicht um sich versammelt" — so ist bamit nur das selbstsüchtige Bewußtsein ausgesprochen, daß ein Fürstenthron, gehoben durch die Folie eines Kranzes von Gelehrten und Dichtern, sich stattlicher, ansehnlicher ausnehme. Diese sollen dann nur als Trabanten den fürstlichen Planeten umkreisen, sollen nur leuchten um den Glanz seines Gestirnes zu erhöhen. Unser König büchte größer, sein Patronat war uneigennütziger, ebler. Die Wissenschaft und ihre Priester standen ihm zu hoch. Sie, die in feinen Augen die hehre Sehrmeisterin der Kulturvölker war, konnte er nicht als ein bloß zum Schmucke seines Hoses bestimmtes Prunkstück ausnutzen wollen; ihren Dienern hatte er Besseres, Würbigcres zugebacht als die Rolle einer zur Erhöhung des königlichen Pompes dienenden Gefolgschaft. Darum sonnte auch der entfernte, persönlich ihm unbekannte Gelehrte, wenn es um eine bedeutsame Bereicherung der wissenschaftlichen Literatur sich handelte, auf seine Teilnahme, seine Unterstützung rechnen.
Wir dürfen es also sagen: nicht sich, nicht seiner persönlichen Verherrlichung, sondern feinem Volke wollte der König dienen; ganz Bayern zunächst sollte die Früchte seiner Liberalität ernten und genießen. *)
l) Man vergleiche die Worte, die König Maximilian in seinem „letzten Willen" (schon ant 16. Dezember 1851) niederschrieb: „Möge der Allmächtige mein teures, braves, herrliches Bayeruvolk auch ferner und in alle Zukunft in seinen heiligen Schutz nehmen, seinen reichsten Segen ihm verleihen! Ich habe es von Jugend ans treu im Herzen getragen, es war der Gegenstand meiner Arbeiten, meiner Sorge, meiner Leiden und Freuden. Seiu Glück war das meine. Mein ernstes, eifriges Streben ist es und wird es immer sein, meines Landes materielle und geistige Wohlfahrt nach allen Kräften zu fördern und ihm denjenigen Rang unter den Nationen einzuräumen, auf welchen es durch feine Stellung und feine alte, ruhmreiche Geschichte Anspruch hat. Meine Liebe zu ihm wird mein Leben überdauern. Für mein Volk werde ich wirken und beten, solange ich wirken und beten sann." I. M. Söltl, „König Max Ii. von Bayern", S. 196. Augsburg 1867, Schlosser.
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105. König Maximilian Ii. von Bayern und die Wissenschaft.
505
Vergessen wir nicht, daß der König in einer Sache, die ihm so sichtbar-persönliche Herzensangelegenheit war, mit Sicherheit aus den tief dynastischen Sinn seines Volkes rechnen durfte. Er wußte, daß das vorn Throne herab gegebene Beispiel im Guten wie im Bösen mit unwiderstehlicher Anziehungskraft auf dieses Volk wirke, und er vertraute, daß, wenn er ihm die Fahne des wissenschaftlichen Strebens hochhalte, die begabteren Geister des jüngeren Geschlechtes sich freudig um dieselbe scharen würden.
Fassen wir um unserem unvergeßlichen Monarchen völlig gerecht zu werden, um klar zu erkennen, daß er nicht etwa erträumten Gütern und phantastischen Schattenbildern nachjagte, die Sache noch etwas tiefer und versetzen wir uns auf seinen Standpunkt, in seinen Gedankenkreis. Pflege der Wissenschaft hieß bei ihm nicht etwa bloß Sorge für das Zustandekommen einer Anzahl gelehrter Bücher, noch weniger bedeutete das bei ihm soviel als gute Bezahlung einiger Gelehrten um von diesen dann als großmütiger und erleuchteter Mäzen gepriesen zu werden. Dem Könige war es, als er diesen Beruf sich gab, auch nicht etwa bloß um den Gewinn an Ehre lind staatswirtschaftlichem Nutzen zu tun, der für Bayern dabei herauskommen werde, sondern darum vor allem war es ihm zu tun, daß in seinem Volke der wissenschaftliche Geist geweckt und verbreitet würde, jener sein ausgebildete, zugleich aus Reinheit des Willens und aus Schärfe der Intelligenz beruhende Wahrheitsfinn.
Der König hat, indem er für die Erweckung und Erhaltung des wissenschaftlichen Sinnes in seinem Lande Sorge getragen, nicht etwa bloß dem Königreiche Bayern eine Anzahl von Männern geben wollen, welche eine größere oder geringere Quantität von Kenntnissen besäßen und sie anderen mitteilten, sondern er hat eine Schule, einen Herd des wissenschaftlichen Geistes, das heißt, des geübten und feinen Wahrheitssinnes in Bayern errichten wollen, überzeugt wie er war, daß dieser Geist, wenn er nur einmal vorhanden und lebendig, nicht in den engen Schranken eines Fachstudiums eingeschlossen und festgebannt bleiben werde, daß er vielmehr als ein ungreisbares, überall gegenwärtiges Fluidum in alle Poren und Öffnungen des gesellschaftlichen Körpers eindringen und allenthalben läuternd, erleuchtend, segensreich wirken werde.
Der König hat überhaupt die geistigen Kräfte im Volke wecken, durch Darbietung eines würdigen Stoffes und erhabener Ziele sie in Tätigkeit setzen wollen; er hat geglaubt und mit Recht geglaubt, daß die heilsame Nachwirkung hiervon sich mit der Zeit in allen Gebieten menschlicher Wirksamkeit, auch in den scheinbar weit abgelegenen, fühlbar machen werde. Und man wird gestehen: es ist das vielleicht der größte Dienst, die dankenswerteste Wohltat, welche ein Monarch seinem Volke leisten kann. Denn eine solche Geisteskraft und Geistestätigkeit ist zuletzt gleichbedeutend mit Macht und Würbe, mit harmonischem Gleichgewicht, mit Frische und Gesundheit des nationalen Lebens.
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462
93. Ludwig I. Dort Bayern als Erzieher seines Volkes.
ernstem und heiterem Anlaß. In einem Briefe an Minister Ebuarb Schenk brückt er den ernsten Wunsch und Willen ans, daß der Künstler in allen Kreisen der Bevölkerung geachtet und geehrt werbe; mit Mißfallen sehe er, daß Künstler und Gelehrte mit den Münchener Abelskreisen fast keinen Verkehr hätten.
Nur zu hohen, kühnen, ja selbst waghalsigen Flügen spornte er seine Künstler. Die Tempelhallen von Ägina und Pästum, die Athene Promachos der Akropolis, die Sixtinischen Fresken des Michel Angelo stellte er ihnen als Beispiel hin. Der Meister zeigt sich auch im kleinen, aber man erzieht am großen zum Meister. Unterschätzen wir boch den Anteil nicht, den Begeisterung und Ehrgeiz an der schöpferischen Kraft haben! Und wie glänzenb würde, wenn nicht in allen, boch in vielen Fällen, das Vertrauen gelohnt! Es war eine schone, eine große Zeit heiteren Sinnes, uneigennützigen Strebens, mutigen Schaffens, es war — um mit Cornelius zu reben —- „eine gestinbe, lebenskräftige Wärme, erzeugt durch die hell austobernbe Flamme der Begeisterung, wovon jene Werke mit allen ihren Mängeln das Zeichen an ihrer Stirne tragen!"
Allein nicht bloß den Künstlern sollte nach des Königs Absicht die erziehliche Kraft echter Kunst zugute kommen, sonbern dem ganzen Volke. Er wollte nichts für sich allein genießen, alle seine Unternehmungen waren für die Öffentlichkeit, für die Allgemeinheit bestimmt. Als 1829 die Fresken in den Münchener Hosgartenarkaben enthüllt würden, gab er nicht zu, daß eine Wache aufgestellt werbe. „Man muß," meinte er, „ohne Mißtrauen zu zeigen, den Geringsten im Volke an den Anblick des Schönen gewöhnen!" Als Rottmann von einer Stubienreije nach Italien und Griechenland), die er in des Königs Auftrag unternommen hatte, eine Fülle herrlicher Lanbschastsbilber seinem königlichen Gönner heimbrachte, beschloß dieser sofort die eines Glaube Sorrain würbigen Kunstwerke zum Gemeingute zu machen. Sie wnrben allen zugänglich gemacht, wie sie bis heute das Entzücken aller finb.
König Subluig glaubte an die Aufgabe und Macht der Kunst zu fittigen und ■ zu bilbert; er hoffte von ihrer Pflege einen geistigen Aufschwung des bayerischen Stammes, vor allem der Bevölkerung Münchens. Und daß bei dieser der Kunstsinn erheblich zugenommen hat, läßt sich mit Leichtigkeit beweisen. Man sehe nur die Feste, welche von den Künstlern Münchens veranstaltet werben. Mit ebensoviel Freube wie Verstänbnis kommt man ihnen nicht etwa nur im Kreise der Wohlhabenben, sonbern in allen Schichten der Bevölkerung entgegen. Die Künstler würden nicht so volkstümlich sein, wie sie es tatsächlich sind, wenn das Volk keinen Herzfchlag für die Kunst hätte!
Aus Lubwigs Eifer auf die geistige und sittliche Entwicklung der Gesamtheit läuternb einzuwirken entsprang auch die Fürsorge für die öffentlichen Sammlungen und Knnfthallen.
Unablässig sann er auf Mehrung der Kleinodien, die heute der Stolz der Jsarstabt sinb. „Nur das Beste ist gut genug!" war die Losung, die er
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1. Preußen und sterreich.
63
Fluchtversuches fr das Land, fr die knigliche Familie und fr ihn selbst gehabt haben wrde. Er fragte ihn, wie er es der sich habe bringen knnen, einen Vater zu betrben, der nur fr ihn arbeite. Da warf sich ihm der Sohn zu Fen und kte ihm unter Trnen die Hand. Der König drckte ihn an seine Brust. Der Prinz erhielt nun die Er-laubnis, auch die Umgebung von Kstrin zu besuchen.
Noch eine schwere Prfung stand dem Kronprinzen bevor. Sie be-traf die Wahl feiner knftigen Lebensgefhrtin. Friedrich wnschte eine englische Prinzessin. Der König war dagegen, weil England in Streitig-feiten mit dem Kaiserhause lag, und weil der englische Gesandte sich an-maend gegen ihn benommen hatte. Der König wnschte seinem Sohne eine Gemahlin aus einem kleinen deutschen Frstenhause, damit keine Gefahr entstnde, da die preuische Politik in das Fahrwasser einer fremden Macht hinbergeleitet wrde. Er schlug ihm daher die Prinzessin Elisabeth Christine von Braunfchweig-Bevern in einem herzlich gehaltenen Briefe vor und versprach im Falle seiner Zustimmung ihm Wiederein-stellung in die Armee. Die Aussicht auf die Wiedererlangung feiner Freiheit hatte fr den Kronprinzen im ersten Augenblicke soviel Ver-lockendes, da er dem Boten sofort seine Zustimmung mitgab. Kaum war der Bote fort, da fiel ihm schwer auss Herz, da er sich des Rechtes, eine Lebensgefhrtin nach eigner Neigung zu whlen, begeben hatte. Ehe er den König von feiner Sinnesnderung verstndigen konnte, traf ein Schreiben von diesem ein, das der Freude des Vaters der den Gehorsam des Sohnes Ausdruck gab und ihn anwies, sofort nach Berlin zurckzukehren. Die Prinzessin Christine war mit ihren Eltern in Berlin anwesend. Die Verlobung fand statt; der Kronprinz wurde zum Obersten und Regimentskommandeur in Ruppin ernannt. Mit Eifer widmete er sich der militrischen Ttigkeit, schulte fleiig fein Regiment nach dem Willen des Knigs, warb auch fchn gewachsene Leute an, um bei der Musterung des Knigs Zufriedenheit zu erlangen.
Nach der Vermhlung schenkte ihm der König das Schlo Rheins-berg in der Nahe von Ruppin. Hier beschftigte er sich auch wieder mit den Wissenschaften, Sprachen und der Musik; er scharte Knstler und Gelehrte um sich. Hier knpfte er einen Briefwechsel mit Voltaire an, dessen Schriften er gelesen hatte. Auch las er das Werk des Florentiner Geschichtsschreibers Macchiavelli Vom Fürsten" und schrieb dagegen einen Antimacchiavell. Macchiavelli gibt den Fürsten Ratschlge, auf welche Weise und mit welchen Mitteln sie ihre Alleinherrschaft aufrecht erhalten und befestigen sollen. Der Florentiner rt zu verschlagenen Gewaltmitteln; Friedrich betont, da der Fürst mit Weisheit, Gerechtigkeit und Gte regieren mu. Der erste Gedanke, den ein Fürst haben mu," sagt Friedrich, das einzige Streben, das sich fr ihn schickt, ist, etwas Ntzliches und Groes fr seine Staaten zu tun. Dem mu er seine Eigenliebe und alle seine Neigungen opfern. Weit entfernt, der
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Elisabeth_Christine_von_Braunfchweig-Bevern Christine Macchiavelli Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: England Berlin Berlin Ruppin Schlo_Rheins-berg Ruppin Macchiavelli
Das Deutsche Reich des Mittelalters.
Wohl ist auch jetzt vom Siege er wieder heimgekehrt,
Joch nicht des Reiches Feinden hat mchtig er gewehrt;
Es tst der eigne Bruder, den seine Waffe schlug,
Der dreimal der Emprung blutrotes Banner trug.
Zu Quedlinburg im Dorne ertnt die Mitternacht vom Priester wird das Vxfer der Messe dargebracht;
Es beugen sich die Kniee, es beugt sich jedes herz,
Gebet in heil'ger Stunde steigt brnstig himmelwrts.
Da ffnen sich die Pforten, es tritt ein Mann herein;
<Es hllt die starken Glieder ein Berhemde ein;
Er schreitet zu dem Kaiser, er wirft sich vor ihn hin Die Knie er ihm umfasset mit tiefgebeugtem Sinn.
Bruder, meine Fehle, sie lasten schwer auf mir,
hter liege ich zu Fen, Verzeihung flehend, dir,
was ich mit Blut gesndigt, die Gnade macht es rein,
vergib, o strenger Kaiser, vergib, du Bruder mein."
Doch strenge blickt der Kaiser den snd'gen Bruder an:
Zweimal Hab' ich vergeben, nicht frder mehr fortan,
Die Acht ist ausgesprochen, das Leben dir geraubt,
Nach dreier Tage Wechsel, da fllt dein schuldig Haupt!"
Bleich werden rings die Fürsten, der Herzog Heinrich bleich, Und Stille herrscht im Kreise, gleichwie im Totenreich;
Man htte mgen hren jetzt wohl ein fallend Laub,
Denn feiner wagt zu wehren dem Lwen feinen Raub.
Da hat sich ernst zum Kaiser der fromme Abt gewandt,
Das ew'ge Buch der Bcher, das hlt er in der Hand.
Er liest mit lautem Munde der heil'gen Worte Klang,
Da es in aller herzen wie Gottes Stimme drang.
Jund Petrus sprach zum Herren: Nicht so? Gengt ich Hab',
wenn ich dem snd'gen Bruder schon siebenmal vergab?
Doch Jesus ihm antwortet: Nicht siebenmal vergib, ~
Nein, siebenzigmal sieben; das ist dem Vater lieb."
Da schmilzt des Kaisers Strenge in Trnen unbewut,
Er hebt ihn auf, den Bruder, er drckt ihn an die Brust! Ein lauter Ruf der Freude ist jubelnd rings erwacht.
Nie schner ward begangen die heil'ge Weihenacht!
Bruno. Whrend diese Verwandten feindlich gegen den König auf-traten, stand fein Bruder Bruno mit unerschtterlicher Treue ihm stets zur Seite. Er war des Knigs Reichskanzler und Hoskaplan, spter wurde er Erzbischof von Cln und Herzog von Niederlothringen. Mit unermdlicher Kraft und seltner Ausdauer arbeitete Bruno in den Reichs-geschsten und widmete seine Muestunden dem Studium. Er ist der eigentliche Begrnder der deutschen Hochschule. In seiner Domschule zu Coln wurde eine Reihe vorzglicher Männer ausgebildet, die spter als Btfchfe und Reichsfrsten ihren Namen berhmt gemacht haben.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Petrus Jesus Bruno Bruno Bruno
die Erfindung der Buchdruckerkunst fanden die Werke der Alten eine leichte und reiche,Bereitung.
Da aber die Humanisten bei der Lektre der altklassischen Werke vielfach auch die Anschauung und Grundstze ihrer heidnischen Verfasser in sich aufnahmen, in den Mittelpunkt des Denkens nicht mehr Gott und das Jenseits, sondern den Menschen und die Welt stellten, nach dem Vorbilde der Alten das Leben mglichst angenehm und genu-reich zu gestalten und diese Anschauungen weiter zu verbreiten suchten, wurden sie von den Scholastikern bekmpft; es entbrannte zwischen Huma-nisten und Scholastikern ein heftiger wissenschaftlicher Streit, der auf beiden Seiten mit aller Schrfe gefhrt wurde.
In Italien waren neben den Fürsten aus dem Haufe der Med iceer vor allem die Ppste die eifrigsten Frderer des Humanismus. Die berhmte vatikanische Bibliothek wurde angelegt, und unter Papst Leo X. feierte diese bedeutsame Richtung auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst ihre grten Triumphe. Zu den Schlern der Alten gehrt auch der Staatsmann und Geschichtschreiber Maechiavelli aus Florenz, der in seinem weltbekannten Buche der Fürst" den Fürsten zeigt, wie sie sich ohne Rcksicht auf Sittlichkeit und Religion eine nn-nmschrnkte Herrschaft sichern knnen. Der Vorteil sei der Gott der Politik, berechnende Klugheit ihr oberster Ratgeber, und ohne Rcksicht auf die Forderungen der Ehre und Sittlichkeit jedes Mittel anwendbar, sobald es zum Zwecke fhre." Eine auf diesen Grundstzen aufgebaute Politik nennt man Maechiavellismns.
Von Italien verbreitete sich der Humanismus bald nach fast allen Lndern Europas. ! In Spanien fand er seine wichtigsten Vertreter in dem Erzbischof und Kardinal Timenes und dem erst in neuerer Zeit gebhrend gewrdigten Ludwig Vives. In Frankreich war es Wilhelm Budaeus, in England der Kanzler Thomas Morus und der Erzbischof Johann Fisher, die diese Geistesrichtnng krftig frderten.
Wenn auch Euco Sylvio, wohl der erste Apostel des Humanismus in Deutschland, der die deutschen Fürsten das herbe Urteil fllte, da sie lieber Hunde und Pferde haben wollten, als Dichter, so fand diese geistige Strmung doch eine liebevolle Aufnahme und warme Pflege bei den Brdern des gemeinsamen Lebens", einer Vereinigung von Geistlichen und Laien, die ohne Ordensgelbde eiu streng geregeltes Leben fhrten, und denen die berhmtesten Männer ihre Ausbildung verdanken. In Deventer lehrte der groe Humanist Alexander Hegius, aus Heek in Westfalen gebrtig, in Mnster Rudolf von
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Extrahierte Personennamen: Leo_X Leo Maechiavelli Ludwig_Vives Ludwig Wilhelm_Budaeus Wilhelm Thomas_Morus Johann_Fisher Johann Euco_Sylvio Apostel Alexander_Hegius Alexander Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Italien Florenz Italien Europas Spanien Frankreich England Deutschland Deventer Westfalen
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