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1845 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
4
Gespräche zur Erweckung
Vater. Das glaube ich wol, mein Kind; Hannchen
Winter ist es gerade so gegangen, und da hat sie es fol-
gendermaßen gemacht: erst trank sie 8 Tage lang, während
einer halben Stunde, zwei Schluck; in den folgenden
8 Tagen trank sie in derselben Zeit drei Schluck; in den
nun folgenden 8 Tagen vier Schluck, u. s. w., am Ende
konnte sie ein kleines Glas Wasser recht gut vertragen,
und sie befindet sich sehr wohl dabei. — So müsst ihr-
es nun auch machen.
Louise. Warum denn, Vater?
Vater. Weil das Trinken deö kalten frischen Was-
sers bewirkt, dass man nicht zu dickes Blut bekommt, und
weil eö die Eingeweide und besonders den Magen stärkt
und den ganzen Körper frisch und gesund erhält. —
August.was macht Fritz dann, wenn er angezogen ist?
Vater. Dann füttert er die Hühner, Tauben, Schafe
und seinen Spitzbub. —
Louise. (Lachend.) Spitzbub? Wer ist denn das? —
Vater. Das ist Fritzen's Rabe. Fritz nennt ihn
Jakob, aber weil er jeden, der ihm keinen Leckerbissen reicht,
„Spitzbub!" schimpft, so nenne ich ihn auch Spitzbub.
Karl. Einen solchen Jakob schenkst du mir auch,
nicht wahr, Vater?
Vater. Wir wollen einmal sehen.
Lotte. Was macht denn Hannchen während der Zeit?
Vater. Die hilft ihrer Mutter im Hause. Dann
wird das Frühstück gegessen, und nun ist es gewöhnlich
Zeit zur Schule zu gehen.
August. Was machen denn die Kinder, wenn sie
auö der Schule kommen?
Vater. Sind auf den Nachmittag Schularbeiten
zu machen, so werden die erst vorgenommen. ' Alsdann
geht Fritz seinem Vater zur Hand.
Lotte. Und Hannchen?
Vater. Wenn diese weiter keine Geschäfte hat, so
strickt sie. Um 12 Uhr wird gegessen. Auch bei Tische sind
die Kinder recht anständig. Für empfangenes Essen danken
sie jedes Mal, und wenn sie noch Appetit haben, bitten sie
sich Etwas aus. Auch beten sie vor und nach dem Essen.
Louise. Wir machen es auch so, nicht wahr, Vater?
Vater. Ja. Dann spielen die Kinder, bis sie
wieder, zur Schule gehen.
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1845 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
6
Gespräche zur Erweckung
Vater. Das sollte mich sehr freuen; denn Rein-
lichkeit und Ordnungsliebe sind für den Menschen,
der ein brauchbarer sein will, unerlässlich nothwendig. Ferner
sind Fritz und Hannchen äußerst verträglich und nie hört
man sie mit einander zanken. — Mit den Dienstboten der
Ältern reden sie artig; und wenn sie Etwas von ihnen
wünschen, so bitten sie dieselben darum. — Aber ganz vor-
zügliches Lob verdienen sie wegen ihres Betragens gegen
die Ältern. Sie zeigen deutlich, dass sie es wissen, dass
die Ältern ihre treuesten Freunde und, nächst Gott,
ihre größten Wohlthäter sind; — denn sie thun Alles,
was sie ihnen nur an den Augen absehen können.' Wissen
sie den Ältern eine Freude zu machen, so unterlassen sie
es gewiss nicht; und was diese ihnen heißen, geschieht
pünktlich und gern. Man kann deshalb mit Recht von
diesen Kindern sagen: sie ehren und lieben ihre
Ältern herzlich und beweisen ihnen freudig den
pünktlichsten Gehorsam.
Lotte. (Wehmüthig.) Bist du denn mit uns nicht
zufrieden, liebex Vater?
Vater. O doch! Aber weil ich bisweilen noch man-
che kleine Fehler an euch bemerke, als Unordnung, Zanken
u. s. w., so wünsche ich herzlich, dass ihr euch auch diese ab-
gewöhnen und ganz wie Fritz und Hannchen werden möch-
tet: und darum habe ich auch von der Lebensweise dieser
Kinder erzählt, damit ihr euch darnach richten könnet. —
August. Du sollst sehen, Vater, dass ich bald eben
so artig sein' werde, wie Fritz Winter.
Lotte. Und ich wie Hannchen.
Louise. Ja, und ich auch.
Karl. Ich will auch nicht wieder unartig sein, lie-
der Vater!
Vater. Schön, meine Kinder! Ihr würdet dadurch
euren Ältern die größte Freude bereiten, und sie würden
euch dann immer recht herzlich lieb haben.
Louise. Gieb Acht, Vater, wir halten Wort; wir
. müssten ja dich und Mutter sonst gar nicht recht lieb haben!
Vater. Also ihr hättet uns recht lieb?— Ei, das
glaube ich fast nicht! — *
Alle Kinder. O ja, o ja! (Die Kichk liefen mm auf
Ältern z», umarmten und küssten sic. Der kleinvkarl ließ eiligst
seine» Teckel fallen, kletterte seiner Mutter auf den Schoos) und erstickte
sie fast mit Küssen.)
1871 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
4 Gespräche zur Erweckung
Vater. Das glaube ich wol, mein Kind; Hannchen
Winter ist es gerade so gegangen, und da hat sie es fol-
gendermaßen gemacht: erst trank sie 8 Tage lang, wahrend
einer halben Stunde, zwei Schluck; in den folgenden
8 Tagen trank sie in derselben Zeit drei Schluck; in den
nun folgenden 8 Tagen vier Schluck, u. s. w., am Ende
konnte sie ein kleines Glas Wasser recht gut vertragen,
und sie befindet sich sehr wohl dabei. — So müsst ihr
es nun auch machen.
Louise. Warum denn, Vater?
Vater. Weil das Trinken des kalten frischen Was-
sers bewirkt, dass man nicht zu dickes Blut bekommt, und
weil es die Eingeweide und besonders den Magen stärkt
und den ganzen Körper frisch und gesund erhält. —
August.was macht Fritz dann, wenn er angezogen ist?
Vaser. Dann füttert er die Hühner, Tauben, Schafe
und seinen Spitzbub. —
Louise. (Lachend.) Spitzbub? Wer ist denn das? —
Vater. Das ist Fritzen's Rabe. Fritz nennt ihn
Jakob, aber weil er jeden, der ihm keinen Leckerbissen reicht,
„Spitzbub!" schimpft, so nenne ich ihn auch Spitzbub.
Karl. Einen solchen Jakob schenkst du mir auch,
nicht wahr, Vater?
Vater. Wir wollen einmal sehen.
Lotte. Was macht denn Hannchen während der Zeit?
Vater. Die hilft ihrer Mutter im Hause. Dann
wird das Frühstück gegessen, und nun ist es gewöhnlich
Zeit zur Schule zu gehen.
August. Was machen denn die Kinder, wenn sie
aus der Schule kommen?
Vater. Sind auf den Nachmittag Schularbeiten
zu machen, so werden die erst vorgenommen. Alsdann
geht Fritz seinem Vater zur Hand.
Lotte. Und Hannchen?
Vater. Wenn diese weiter keine Geschäfte hat, so
strickt sie. Um 12 Uhr wird gegessen. Auch bei Tische sind
die Kinder recht anständig. Für empfangenes Esten danken
sie jedes Mal, und wenn sie noch Appetit haben, bitten sie
sich Etwas aus. Auch beten sie vor und nach dem Essen.
Louise. Wir machen es auch so, nicht wahr, Vater?
Vater. Ja. Dann spielen die Kinder, bis sie
wieder zur Schule gehen.
1871 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens. 5
Louise. Was machen sie denn nach der Schule?
Vater. Fritz besorgt sein Vieh wieder, und ver-
richtet allerlei kleine Arbeiten im Hofe und Garten.
Lotte. Und Hannchen?
Vater. Die wird gewöhnlich von ihrer Mutter
mit Nähen und Stricken beschäftigt. Die letzte Stunde
vor Abend spielen sie wieder.
Karl. Was spielen sie denn, Vater?
Vater. Eure gewöhnlichen Spiele, und außerdem
eins, das ich noch nicht kannte; dieses will ich euch näch-
stens lehren. —
Lotte. Schön, Vater.
Vater. Fritz pflegt sich in dieser Zeit auch häufig
mit seinem Jakob zu beschäftigen. Er wollte ihm noch
gern die Worte sprechen lehren: „Guten Tag, Fritz!"
Aber Jakob wollte nicht recht, und wenn Fritz dann böse
wurde, so rief der Rabe gleich: Spitzbub! —
Äuguft. Ich wollte ihn bezahlen!
Karl. Hat denn Fritz Winter auch einen kleinen Teckel?
Vater. Das nicht, Söhnchen, aber einen großen
Hektar hat er.
Karl. Kann denn der auch sitzen, wie mein Teckel?
Vater. Nein. Aber wenn Fritz ausgeht, so trägt
er dessen Stock; auch einen Korb kann er tragen.
Karl. Ah! Hörst du, mein Teckelmännchen, das
musst du auch noch lernen! —
Lotte. Womit beschäftigen sich denn die Kinder des
Abends?
Vater. Zuerst lernen sie ihre Schullectionen, und
darauf erzählt der Vater ihnen gewöhnlich lehrreiche und
angenehme Geschichten; auch müssen die Kinder öfters auö
der Bibel vorlesen.
Karl. Wann gehen sie denn zu Bett?
Vater. Um Neun. Auch habe ich gefunden, dass
sie sehr rhnlich und ordnungsliebend sind. Ihre
Kleidungsstücke, Bücher und Schulsachen findet man immer
genau an den dafür bestimmten Plätzen. — Ich wünschte,
dass ich dies auch von euch sagen könnte. Mit August
und Lotte geht es so ziemlich; — aber mit dir, Louise,
"bin ich in dieser Hinsicht noch gar nicht zufrieden.
Louise. (Mit Thränen in den Augen.) Ich will ordent-
licher werden, lieber Vater!
1845 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens. 5
Louise. Was machen sie denn nach der Schule?
Vater. Fritz besorgt sein Vieh wieder, und ver-
richtet allerlei kleine Arbeiten im Hofe und Garten.
Lotte. Und Hannchen?
Vater. Die wird gewöhnlich von ihrer Mutter
mit Nahen und Stricken beschäftigt. Die letzte Stunde
vor Abend spielen sie wieder.
Karl. Was spielen sie denn, Vater?
Vater. Eure gewöhnlichen Spiele, und außerdem
eins, das ich noch nicht kannte; dieses will ich euch näch-
stens lehren. —
Lotte. Schön, Vater.
Vater. Fritz pflegt sich in dieser Zeit auch häufig
mit seinem Jakob zu beschäftigen. Er wollte ihm noch
gern die Worte sprechen lehren: „Guten Tag, Fritz!"
Aber Jakob wollte nicht recht, und wenn Fritz dann böse
wurde, so rief der Rabe gleich: Spitzbub! —
August. Ich wollte ihn bezahlen!
Karl. Hat denn Fritz Winter auch einen kleinen Teckel?
Vater. Das nicht, Söhnchen, aber einen großen
Hektor hat er.
Karl. Kann denn der auch sitzen, wie mein Teckel?
Vater. Nein. Aber wenn Fritz ausgeht, so trägt
er dessen Stock; auch einen Korb kann er tragen.
Karl. Ah! Hörst du, mein Teckelmännchen, das
musst du auch noch lernen! —
Lotte. Womit beschäftigen sich denn die Kinder des
Abends?
Vater. Zuerst lernen sie ihre Schullectionen, und
darauf erzählt der Vater ihnen gewöhnlich lehrreiche,und
angenehme Geschichten; auch müssen die Kinder öfters aus
der Bibel vorlesen.
Karl. Wann gehen sie denn zu Bett?
Vater. Um Neun. Auch habe ich gefunden, dass
sie sehr reinlich und ordnungsliebend sind. Ihre
Kleidungsstücke, Bücher und Schulsachen finbet man immer
genau an den dafür bestimmten Plätzen.— Ich wünschte,
dass ich dies auch von euch sagen könnte. Mit August
und Lotte geht es so ziemlich; — aber mit dir, Louise,
bin ick in dieser Hinsicht noch gar nicht zufrieden.
Louise. (Mit Thränen in den Allgen.) Ich will ordent-
licher werden, lieber Vater!
1871 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gespräche zur Erweckung der Aufmerksamkeit. 3
August. Der Sohn heißt Fritz. .
Lotte. Und die Tochter Hannchen. Als Win-
ter's im vorigen Sommer hier bei uns zum Besuch waren,
erfuhr ich, dass Hannchen mit mir und Fritz mit August
im Alter ist.
Water. Gut. Über diese Kinder habe ich mich recht
gefreut. Ich will euch deshalb von ihrer Lebensweise
Einiges erzählen, damit sie euch zum Muster dienen mögen.—
Sie stehen des Morgens pünktlich um 6 Uhr auf, ohne
sich vorher erst wecken zu lassen. Und nach dem Erwachen
des Morgens und vor dem Einschlafen des Abends sprechen
sie leise ein Gebet.
Louise. Aber wie werden sie so genau wach?
Vater. Ihr Vater hat sie so gewöhnt^ und der
sagt: „Wie man einen Knaben gewöhnt, so lässt er nicht
davon, wenn er alt wird. (Spr. Sal. 22, 6.) Wer ein
brauchbarer Mensch werden will, muss auch zu rechter Zeit
von selbst aufstehen können!" — Und er hat Recht.
Karl. Soll ich denn auch schon um Sechs auf-
stehen, lieber Vater?
Water. Rein, mein Söhnchen, wenn du erst noch
einige Jahre älter bist. Jetzt kannst du so lange schlafen,
bis dich deine Mutter weckt.
Karl. O, das ist gut.
August und Lotte. Wir wollen uns auch so ge-
wöhnen, dass wir um 6 Uhr aufstehen, und Mutter soll
uns gewiss nicht oft mehr zu wecken brauchen.
Vater. Das soll mich freuen. — Sind dann Fritz
und Hannchen Winter ein Weilchen auf und nicht mehr
besonders warm, so waschen sie sich mit ganz kaltem Wasser
die Hände, das Gesicht, die Ohren, den Hals und meistens
auch die Brust und spülen den Mund tüchtig mit kaltem
Wasser aus.
August. Das machen wir gerade so, Varer.
Vater. Ich weiß es. Nun kämmen sie sich das
Haar schlicht, ziehen sich gehörig an, und unter dieser Be-
schäftigung trinken sie nach uno nach ein kleines Glas
frisches Wasser.
August. Ein halbes Glas kann ich auch trinken,
aber ein ganzes nicht.
Lotte. Ich kann das Wasser nüchtern nicht vertra-
gen; als ich es einmal versuchte, ward ich unwohl.
A 2
1845 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Gespräche zur Erweckung der Aufmerksamkeit. 3
August. Der Sohn heißt Fritz.
Lotte. Und die Tochter Hannchen. Als Wiw-
ter's im vorigen Sommer hier bei uns zum Besuch waren,
erfuhr ich, dass Hannchen mit mir und Fritz mit August
im Älter ist.
Vater. Gut. Über diese Kinder habe ich mich recht
gefreut. Ich will euch deshalb von ihrer Lebensweise
Einiges erzählen, damit sie euch zum Muster dienen mögen.—
Sie stehen des Morgens pünktlich um 6 Uhr auf, ohne
sich vorher erst wecken zu lassen. Und nach dem Erwachen
des Morgens und vor dem Einschlafen deö Abends sprechen
sie leise ein Gebet.
Louise. Aber wie werden sie so genau wach?
Vater. Ihr Vater hat sie so gewöhnt, und der
sagt: „Wie man einen Knaben gewöhnt, so lasst er nicht
davon, wenn er alt wird. (Spr. Sal. 22, 6.) Wer ein
brauchbarer Mensch werden will, muss auch zu rechter Zeit
von selbst aufstehen können!" — Und er hat Recht.
Karl. Soll ich denn auch schon um Sechs auf-
stehen, lieber Vater?
Vater. Nein, mein Söhnchcn, wenn du erst noch
einige Jahre älter bist. Jetzt kannst du so lange schlafen,
bis dich deine Mutter weckt.
Karl. O, das ist gut.
August und Lotte. Wir wollen uns auch so ge-
wöhnen, dass wir um 6 Uhr aufstehen, und Mutter soll
uns gewiss nicht oft mehr zu wecken brauchen. ,
Vater. Das soll mich freuen. — Sind dann Fritz
und Hannchen Winter ein Weilchen auf und nicht mehr
besonders warm, so waschen sie sich mit ganz kaltem Wasser
die Hände, das Gesicht, die Ohren, den Hals und meistens
auch die Brust und spülen den Mund tüchtig mit kaltem
Wasser aus.
August. Das machen wir gerade so, Vater.
Vater. Ich weiß es. Nun kämmen sie sich das
Haar schlicht, ziehen sich gehörig an, und unter dieser Be-
schäftigung trinken sie nach und nach ein kleines Glas
frisches Wasser.
August. Ein halbes Glas kann ich auch trinken,
aber ein ganzes nicht.
Lotte. Ich kann das Wasser nüchtern nicht vertra-
gen^ als ich es einmal versuchte, ward ich unwohl.
A2
1905 -
Berlin Leipzig
: Teubner
- Autor: Gansberg, Fritz
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Stadtschule
208
28. Die Gummipuppe.
Spielen.
1. Vorfreuden. Grete hat eine kleine, süße Puppe. Die
macht ein Gesicht, als wenn sie lacht. Und 2 lange, gelbe
Zöpfe hat sie. wenn Grete zu Bett geht, nimmt sie die Puppe
mit. Dann erzählen sie sich was von Weihnachten.
2. Turnen. Vas kann ich auch, sagte Hans, und er
stellte den Uopf auf das Sofa und wollte die Beine hoch in
die Luft halten, warte, ich helfe dir, sagte Louis, und griff
nach den Beinen. Uber sie kippten zur Leite und sielen auf
den Tisch, daß die Lampe nur so klirrte. (D, das tut weh,
sagte Hans und rieb sich die Beine, komm, wir wollen was
anderes spielen.
3. Vorsicht! Unter dem Losa stand eine kleine Fußbank.
Die ist schon zum Spielen, sagte Hans und setzte sie aus die
Fensterbank. Nun spielte er Schule, und das unartige Bind
bekam Schläge auf die beiden Hände. Da fiel das unartige
Uind um und zerschlug die Fensterscheibe.
4. Theater. Die Uinder spielten Theater auf dem Vor-
platze. Uarl mußte die Figuren hin und herführen, Fritz saß
an der Uasse und verkaufte kleine Zettel und die Mädchen
saßen still und hörten zu, was Uarl sprach. — Prinz, du
mußt sterben, wenn du mir nicht die goldene Urone gibst.
Ich steche dich tot mit diesem Säbel. — So tu das, aber die
Urone gebe ich nicht her. — Der Räuber will ihn totmachen,
aber die Tür geht auf, und die Soldaten kommen. — Du bist
gefangen, du bist gefangen, böser Räuber. — — Ualli, du
mußt mal eben ausgehen, rief die Mutter von unten heraus.
Da mußte die Vorstellung für eine Zeit aufhören.
1906 -
Karlsruhe
: Braun
- Autor: Sturm, Georg
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
123
Schriftliche Aufgabe für Mädchen: Wie meine liebe Mutter und
ich unserer Wohnstube ein Festkleid anlegten.
F,ei ordentlich.
Der kleine Louis hatte sehr viel Spielzeug. Er hatte ein Theater mit
vielen Puppen, viele Schachteln Zinnsoldaten, ein Kegelspiel. einen großen
Farbenkasten, einen Baukasten und noch manches andere.
Er spielte auch fleißig mit diesen Sachen. Wenn er aber aufhörte zu
spielen, ließ er das ganze Spielzeug stehen und liegen, wie es eben stand und
lag. Das war ein Fehler von ihm. Er hätte jedesmal das Spielzeug
wieder hübsch zusammenräumen und aufheben sollen. So mußte man sagen:
„Der kleine Louis war unordentlich."
Seine Mama hatte ihn auch schon ost ausgezankt. Louis aber blieb
unordentlich. Da sagte endlich die Mama: „Louis, wenn du dein Spielzeug
tvieder einmal liegen läßt, werde ich es ausräumeit. Ich aber schließe es in
ineinen Schrank, und du bekommst es nicf)i wieder. Merke dir das."
Der kleine Louis indes merkte sich's nicht. Den nächsten Tag darauf
spielte er mit seinen Zinnsoldaten. Als das Spiel zu Ende war, ließ er die
Soldaten auf den: Tische liegen und ging fort. Gleich aber kam seine Mama,
legte die Soldaten in ihre Schachteln und schloß diese in ihren Schrank.
Das nächste Mal spielte Louis mit seinem Baukasten. Nach einer
Stunde hatte er das Spiel satt und ging davon. Die Bauklötzchen aber ließ
er liegen, wie sie gerade lagen. Das sah die Mama. Schnell war sie bei
der Hand, räumte die Klötzchen in den Kasten und schloß diesen in ihren
Schrank.
So machte es die Mama nun alle Tage. Als etwa acht Tage ver-
gangen waren, hatte der kleine Louis nicht ein einziges Spielzeug mehr.
Das Theater, das Kegelspiel, den Farbenkasten, alles hatte die Mama weg-
genommen und in ihren Schrank geschlossen. Louis besaß nicht ein einziges
Männchen mehr.
Jetzt aber wurde ihm die Zeit lang. Bald guckte er zu diesem, bald
zu jenem Feiister hinaus. Bald lehnte er sich an den Ofen, bald setzte er sich
verdrießlich in den Großvaterstuhl. Zuletzt aber quälte ihn die Laiigeweile
doch zu sehr. Mit trauriger Miene stand er ost vor deni Schranke der Mutter.
„Ach," dachte er bei sich, „wenn du doch dein schönes Spielzeug wieder
hättest!"
Da endlich nahm er seine Mama bei der Hand und sagte: „Bitte, gute
Mama, gib mir doch niein Spielzeug wieder! Ich will es nicht wieder so
heruniliegen lassen. Ich will es gewiß jedesmal wieder ordentlich aufheben."
Die Mama ließ sich erbitten, öffnete den Schrank und langte das
Spielzeug wieder heraus. „Aber, Louis," sagte sie, „was du mir jetzt ver-
sprochen hast, mußt du auch halten."
1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
106 Afrika.
Den Mittelpunkt der Stadt bildet das Gouvernementsgebäude,
welches an Stelle der ehemaligen Forts errichtet ist, ein recht schönes
Bauwerk mit großen, luftigen Korridoren, von wo man in die Bnreanx
gelangt, an die sich die hübsche Privatwohnung des Gouverneurs an-
schließt. Um dieses Gebäude gruppieren sich die europäischen Quartiere,
wahrend die Eingeborenen sich nach außen hin anschließen. Die Stadt
zählt gegen 16 000 Einwohner. Bemerkenswert ist noch die katholische
Kirche, die große Moschee, das Gerichtshaus, die Kasernen, das Militär-
und Civilhospital und das Gebäude der Artilleriedirektion.
Auf der Langne de Barbarie befinden sich zwei Dörfer, Gnet N'dar
und N'dar Toute (N'dar ist bei den Eingeborenen der Name für St.
Louis; auch bei deu Arabern und selbst in Timbuktu weiß man von
N'dar zu erzählen, während die Namen St. Louis und Senegal dort
unbekannt sind); die erstere sehr große Ortschaft wird fast ausschließlich
von Fischern bewohnt, welche die Stadt mit trefflichen Seefischen ver-
sorgen, während sich in N'dar-Toute Gärten und kleine Villen von
Europäern befinden, die dort während der heißen Zeit Kühlung und
Gelegenheit zum Baden suchen.
Die beiden Dörfer Bonetville und Sor, auf der Insel Sor, werden
von eingeborenen Händlern bewohnt, die mit den zahlreich aus dem
Innern ankommenden Karawanen in Verbindung stehen. Auf den Sand-
dünen, und wo immer Gelegenheit sich bietet, befinden sich Anlagen von
Gärten oder Anpflanzungen von Gartenfrüchten, welche beweisen, daß
sich aus der scheinbar so sterilen, sandigen Umgebung von St. Louis
etwas machen ließe. In St. Louis selbst ist eine zwar kleine, aber
reizende Gartenanlage als öffentlicher Spaziergang eingerichtet; man
findet hier eine Menge tropischer Pflanzen. Sehr beliebt ist auch die
Promenade über die Brücke durch eine lange Palmenallee bis zum Meere,
das sich dort donnernd an dem sandigen Ufer bricht. Überhaupt sind
verschiedene Alleeen von Dattelpalmen angelegt.
St. Louis besitzt ebensowenig wie die Städte Dakar und Goree
Brunnen. Während der trockenen Zeit hilft man sich in St. Louis
mit Cisternen, die entweder Regenwasser enthalten oder das Wasser aus
Schiffseisternen entnehmen, welche den Fluß hinauffahren und dort an-
gefüllt werden, wo der Einfluß des Meerwafsers nicht mehr zu besorgen
ist. Auch hat man kleine Löcher in den sandigen Boden am Flußufer
gegraben, aus denen ein durch den Sand filtriertes Wasser fast ohne
allen Salzgeschmack entnommen wird. Während der Regenzeit ist das
Flußwasser salzfrei bis an die Mündung herab.
Die einheimische Bevölkerung hat zum größten Teil den Jslanr un-
genommen. Die Moschee ist ziemlich umfangreich; auf einem großen
freien Platze pflegen die hier anwesenden Araber Fantasias zu reiten.
1891 -
Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Buchholz, Paul
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
68 St. Louis.
fischen versorgen; während sich in dem anderen Orte Gürten
und kleine Villen von Enropäern befinden, die dort während
der heißesten Zeit Kühlung und Gelegenheit zum Baden suchen.
St. Louis besitzt keine Brunnen. Während der trockenen Zeit
hilft man sich mit Zisternen, die entweder Regenwasser ent-
halten oder das Wasser aus Schiffszisternen entnehmen, welche
den Fluß hinauffahren und dort angefüllt werden, wo der Ein-
fluß des Meerwassers nicht mehr zu besorgen ist. Auch hat
man kleine Löcher in den sandigen Boden am Flußufer ge
graben, aus denen ein durch den Sand filtriertes Wasser fast
ohne allen Salzgeschmack entnommen wird. Während der Regen-
zeit ist das Flußwasser salzfrei bis an die Mündung herab.
Die Geschäftsleute sind hier ausschließlich Franzosen; es giebt
keinen Engländer oder Deutschen, der selbständig ein Geschäft
hätte. — St. Louis ist der Markt für das Hauptprodukt des
Landes, das Gummi,1) von dem jährlich für l'/2 Miß.
Mark ausgeführt wird. In Senegambien sind nämlich große,
durch Wüstenflächen unterbrochene Landstriche mit der in Gruppen
wachsenden Gummiakazie bestanden. Dort sammelt man zwei-
mal im Jahre das aus den Stämmen ausgeschwitzte Harz. Die
Häuptlinge, Krieger oder Priester der Mauren, schlagen während
der Erntezeit in solchen Gegenden ihre Zelte neben den ver-
einzelten Brunnen auf und verweilen dort, bis ihre Sklaven
die Arbeit verrichtet haben. Der gewonnene Vorrat wird in
der Erde verscharrt, und man treibt Ochsen über die Stelle,
damit nicht irgend ein Räuber die Ware nehme. Der Eigen-
tümer selbst macht sich Erkennungszeichen, damit er später, nach-
dem er dasselbe Verfahren an anderen Stellen wiederholt hat,
das Gummi in Ledersäcke verpacken und zu Markte bringen
kann. — Am 6. Juli 1885 ist eine Eisenbahn von St. Louis
nach Dokar feierlich eröffnet worden, ein für die Entwicklung
der Kolonie höchst bedeutsames Ereignis.
Dieses sogenannte arabische Gummi oder Klebgummi ist nicht
zu verwechseln mit dem auch Gummi genannten Kautschuk, welches
aus dem eingedickten Saft tropischer Gewächse zumeist in Ostindien
und Südamerika gewonnen wird, am massenhaftesten aber im tropischen
Südafrika gewonnen werden könnte.
1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
309
Auf dem Missisippi. — Der Niagarafall.
geblieben ist, das schafft heute noch einige Meilen schöner romantischer
Gegend. Die Gebirge verlassen nun das Westufer nicht mehr, sie sind sogar hoch
genug, um uns Schutz vor den schrägen Strahlen der Abendsonne zu gewähren,
deren rothes Gold Luft und Wasser durchfluthet. Hier im Westen dehnt
die Region der Eisengebirge sich aus, da ziehen ganze Bergmassen aus
reinem Eisenerz in's Land hinein, und die von St. Louis nach dem kleinen
Städtchen Bismarck gebaute Eisenbahn dient zumeist dem Transport dieser
Schätze. Der Missisippi hört auf ein Waldstrom zu feinals ^vir nach
kurzem Schlafe am nächsten Morgen erwachen, sehen wir, daß die Industrie
überall Besitz von seinen Ufern ergriffen hat: wir fahren an Hochöfen, an
Fabriken und ungeheuern Lagern von Erz oder Steinkohlen vorüber; die
Bahnlinie, welche sich in den röthlichen Stein der Uferberge gefurcht hat,
schleppt endlose Lastzüge hin und her, die Anländen werden häufiger und
belebter, und bald steigt auch in weiter Ferne St. Louis mit seinen Thürmen,
dein hohen Kuppeldache seines Kapitols und der gewaltigen Brücke empor,
der größten und kühnsten, die den oberen Missisippi überspannt.
Von allen nüchternen großen nordamerikanischen Städten ist St. Louis
wohl die nüchternste. Aus der kleinen französischen Ansiedelung, die im
ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts kaum tausend Menschen zählte, ist
der „Königin des Westens" am Ohio hier eine westlichere Nebenbuhlerin
erwachsen, welche günstiger, an einem größeren Strome, in einem dichten
Eisenbahnnetze, vor allem aber mehr auf dem Wege nach Westen liegt;
St. Louis ist daher bereits auf fast eine Million Einwohner gewachsen,
folgt sieben englische, also mehr als anderthalb deutsche Meilen den Ufern
des Stromes und dehnt sich drei Meilen aufwärts ins Land hinein. Das
Ganze bildet eine einförmige Häuserwüste; Quadrat neben Quadrat, am
Flusse garnichts, dann die großen Waarenlager, darauf das Kleingeschäft,
endlich die Wohnungen; das wiederholt sich hier wie überall. Solche
Zweckmäßigkeitsstadt hat gewiß für den Bewohner sehr viele Vorzüge; der
fremde Besucher aber, dem man als einzige Sehenswürdigkeiten einige
stolze Häuser großer Zeitungen, einige deutsche Biergärten und einen ziemlich
unscheinbaren Park rühmt, hat hier wenig zu suchen. Anders wäre dies
bei längerem Aufenthalt. Das deutsche Element, welches fast ein Drittel
der gesummten Einwohnerschaft bildet, nimmt hier eine sehr geachtete und
selbstständige Stellung ein. Nach bcv Danziger Zeitung.
173. Der Niagara-Fall.
In Canada senkt sich der Ontario viel tiefer in den Boden ein, als
fein nächster Nachbar, der Erie. Eine Gebirgsterrasse trennt beide, die nur
wenig Meilen von einander entfernt sind.' Das von allen den Zu-
strömungen angesammelte Wasser ist nun schon zu einem mächtigen Strome
angewachsen, der aus dem Erie hinab will zu dem letzten der großen Seen.
Die Felswand sperrt ihm den Weg. Er hat sie durchwühlt, zernagt, sich
ein tiefes Bett in die Felsen gegraben. In dieses stürzt die gesammte
Masse des Stromes. Das ist der Niagara. Erst hier, wo der nur wenige
Meilen lange Strom in der Gegend, wo Buffalo den Erie verläßt, heißt
er mit dem alten Jndianernamen Niagara.
Dieser Wassersturz ist eins der wenigen landschaftlichen Wunder Nord-
amenkas. Deshalb hat an die Felsklippen des amerikanischen wie cana-
drschen Users sich eine Stadt von Gasthäusern und Läden mit Indianer-
waaren genistet; es umgiebt uns hier all das zudringliche Treiben, die
Prellereien, die Wegversperrungen, die Tributstationen, 'die Betteleien jeder
Art, die so oft in der Schweiz uns den Genuß an großen Naturschön-
1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
220
Von einem solchen guten Kinde will ich euch erzählen.
Fritz war der Sohn eines armen Dorfschusters. Eines Tages nutzte
er aus der kleinen Stadt, die nicht weit vom Dorfe lag, ein Paar
Stiefel abholen und sah dabei in einem Schaufenster eine Schachtel
wunderschöner, bunter Zinnsoldaten. Ach, wie herrlich die waren! Gar
nicht so gequetscht und dünn, wie die Zinnsoldaten sonst gewöhnlich
sind; nein, dick und rund wie richtige Soldaten, die auf der Stratze
marschieren. Fritz hätte gar zu gern auch solche Soldaten gehabt. Sein
Vater hatte ihm gesagt, er dürfe die Pfennige behalten, die er für
Schuhaustragen geschenkt bekäme, und nun sparte er und sparte.
Endlich, als schon fast ein Jahr herum war, hatte er eine Mark.
„Hurra, nun kauf' ich mir Soldaten!" Sein Herz klopfte vor Freude
und Erwartung. Der Weg zur Stadt führte durch einen dichten Laub-
wald; lustig pfiff er vor sich hin und malte sich schon aus, wie schön
er mit den schönen dicken Soldaten spielen würde.
Da kam ihm ein anderer Junge entgegen; der trug ein enges
hölzernes Bauerchen. Ein graues Vögelchen guckte ängstlich durch das
Gitter. „Ach, das ist ja eine Nachtigall!" rief Fritz. „Ja," rühmte sich
der Junge, „die habe ich eben gefangen." „Ach Gott, das arme Tier,
latz es doch wieder fliegen," bat Fritz, „sieh nur, wie es sich ängstigt."
„So dumm," meinte der Junge, „dafür gibt mir der Vogelhändler
wenigstens eine Mark."
„Hier," rief Fritz, „ich habe auch eine Mark, gib mir die Nachtigall."
„Meinetwegen," sagte der Junge, sah Fritzen lachend an, nahm
die Mark und ging.
Da stand nun unser kleiner Fritz mit seinem Käfig, und plötzlich
dachte er betrübt an die schönen Soldaten. Aber das Vögelchen sah
ihn mit so bittenden Augen an, datz er rasch das Gitter aufmachte.
Und als das Tierchen nun aus seinem Gefängnis hochflog und jubelnd
zwischen den Bäumen verschwand, da war es unserm kleinen Schuster-
jungen, als hörte er aus weiter Ferner ein Glöckchen klingen, viel schöner
und zarter als andere Glocken; das machte ihn so selig, datz er sich vor
Freude gar nicht zu fassen wutzte. In großem Bogen warf er den
Käfig in den Busch und lief nach Hause.
Noch lange behielt er den hellen Silberglockenklang im Ohr und
im Herzen, und das kam ihm tausendmal schöner vor als die dicken,
bunten Soldaten, die ja doch in ein paar Wochen entzwei gegangen
wären.
1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
223
Hause ist, und immer zu Ostern putzt sie es hübsch blank. Gute Minder
aber hören manchmal in der Luft ein helles klingen, das aus dem
Walde her zu kommen scheint; und dann fühlen sie sich wie im Himmel,
als ob sie selber Engel wären und haben die ganze Welt lieb.
Von einem solchen guten Kinde will ich euch erzählen.
Fritz war der Sohn eines armen Dorfschusters. Eines Tages nutzte
er aus der kleinen Stadt, die nicht weit vom Dorfe lag, ein Paar
Stiesel abholen und sah dabei in einem Schaufenster eine Schachtel
wunderschöner, bunter Zinnsoldaten. Ach, wie herrlich die waren! Gar
nicht so gequetscht und dünn, wie die Zinnsoldaten sonst gewöhnlich
sind; nein, dick und rund wie richtige Soldaten, die auf der Stratze
marschieren. Fritz hätte gar zu gern auch solche Soldaten gehabt. Sein
Vater hatte ihm gesagt, er dürfe die Pfennige behalten, die er für
Schuhaustragen geschenkt bekäme, und nun sparte er und sparte.
Endlich, als schon fast ein Jahr herum war, hatte er eine Mark.
,,Hurra, nun kauf' ich mir Soldaten!" Sein Herz klopfte vor Freude
und Erwartung. Der Weg zur Stadt führte durch einen dichten Laub-
wald; lustig pfiff er vor sich hin und malte sich schon aus, wie schön
er mit den schönen dicken Soldaten spielen würde.
Da kam ihm ein anderer Junge entgegen; der trug ein enges
hölzernes Bauerchen. Ein graues Vögelchen guckte ängstlich durch das
Gitter. ,,Ach, das ist ja eine Nachtigall!" rief Fritz. „Ja," rühmte sich
der Junge, „die habe ich eben gefangen." „Ach Gott, das arme Tier,
latz es doch wieder fliegen," bat Fritz, ,,sieh nur, wie es sich ängstigt."
„So dumm," meinte der Junge, „dafür gibt mir der Vogelhändler
wenigstens eine Mark."
„Hier," rief Fritz, „ich habe auch eine Mark, gib mir die Nachtigall."
„Meinetwegen," sagte der Junge, sah Fritzen lachend an, nahm
die Mark und ging.
Da stand nun unser kleiner Fritz mit seinem Käfig, und plötzlich
dachte er betrübt an die schönen Soldaten. Aber das Vögelchen sah
ihn mit so bittenden Augen an, datz er rasch das Gitter aufmachte.
Und als das Tierchen nun aus seinem Gefängnis hochflog und jubelnd
zwischen den Bäumen verschwand, da war es unserm kleinen Schuster-
jungen, als hörte er aus weiter Ferner ein Glöckchen klingen, viel schöner
und zarter als andere Glocken; das machte ihn so selig, datz er sich vor
Freude gar nicht zu fassen wutzte. In grotzem Bogen warf er den
Käfig in den Busch und lief nach Haufe.
1909 -
Hamburg
: Janssen
- Autor: Scharrelmann, Heinrich
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
91
in der Hand und leuchtete auf ihn hinab. „Dnkel, hilf mir
mal!" rief Fritz ihm zu. „Junge, was haft du denn?" fragte
der Mann. „Ich bin gefallen und kann nicht mehr gehen."
Der Bahnwärter kletterte den Damm hinunter und betrach-
tete den Jungen von oben bis unten. „Wie siehst du denn
aus?" fragte er. „Ach so, richtig! heut ist ja Niklastag,"
brummte er dann in den Bart. Lr besah den Fuß und schüt-
telte den Kopf und sagte: „Das ist eine böse Geschichte,
der Fuß scheint gebrochen zu sein." „D Gott," dachte Fritz,
„was wird das geben?" „Ja Junge," sagte der Bahnwärter,
„hier kannst du nicht bleiben, komm mal mit." Lr bückte sich,
nahm ihn huckelpack und trug ihn den Bahndamm hinauf
in sein Wärterhäuschen. Da mußte sich Fritz auf die kleine
Bank setzen, und der Wärter versuchte ihm den Stiefel von
dem kranken Fuße zu ziehen. Aber als er ihn nur berührte,
schrie Fritz schon aus Leibeskräften laut auf. „hm, hm! das
ist eine böse Geschichte!" sagte der Wärter, „das geht so nicht.
Aber der Stiefel muß herunter, denn nach ein paar Minuten
kriegen wir den Fuß überhaupt nicht mehr heraus!" Kurz
entschlossen nahm der Wärter sein Taschenmesser und schnitt
das Dberleder des Stiefels etwas ein. Das half, aber die
Schmerzen waren so groß, daß es Fritz grün und blau vor
den Augen wurde. Als auch der Strumpf abgezogen war,
mußte Fritz erzählen, wie der Unfall gekommen war. Als
der Wärter hörte, daß Fritz weit draußen vor dem Tore
wohnte, ging er in der kleinen Bude hin und her und blieb
endlich vor dem Telephon stehen. Cr nahm den Hörer an
das Dhr, und als Fritz eine Stimme etwas fragen hörte, rief
der Bahnwärter in den Apparat hinein: „hier ist ein Junge,
der hat den Fuß gebrochen, er kann nicht gehen. Bitte schicken
Sie mir sogleich einen Sanitätswagen." „G nein! o nein!"
rief Fritz, „das nicht, das nicht, nur das nicht!" Cr war auf-
gesprungen, wurde aber vor Schmerz ohnmächtig und sank
im nächsten Augenblick kraftlos auf die Holzbank zurück,
1831 -
Brandenburg
: Wiesike
- Autor: Rochow, Friedrich Eberhard von
- Hrsg.: Türk, W. E. von
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Lesebuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
123
5«v; rer. Was gehört also zuerst dazu, ehe man
recht thun kann?
Fritz. Man muß wissen, was recht ist.
Leb rer. Wenn man das nun weiß?
Fritz. Dann muß man auch den festen Vorsatz
fassen, recht zu thun und diesen Vorsatz ausführen.
Lehrer. Wie gelangt man dazu?
Fritz. Wenn inan oft daran denkt, daß das Recht-
thun Gott wohlgefällig ist, das Unrechtthun aber uns
ins Unglück stürzt.
Lehrer. Wie kommt man denn dahin, daß man
stets reckt thun kann, wenn man schon überhaupt dazu
den Willen hat?
Fritz. Man muß über sich selbst wachen — nicht
seiner Leidenschaft folgen, sondern in jedem Fall, ehe
man etwas thut, bedenken, ob es auch recht ist, und
oft zu Gott um Weisheit, Gnade und um Beistand ge-
gen die Versuchung zum Bösen beten.
Lehrer. Wirst du aber nicht vergessen, was du
vom Recht- und Unrechtthun in der Schule gelernt hast?
Fritz. Nein! Ich werde recht oft daran denken,
und fleißig in die Kirche gehen, um die guten Lehren,
welche ich in der Schule erhalten habe, wieder zu erneuern.
, Lehrer. Ist es genug , nur zuweilen recht zu thun?
Fritz. Nein! Man muß stets recht thun, und das
Unrecht meiden.
Lehrer. Du hast gut geantwortet, mein Sohn.
Aber was wird denn das nun auch für eine gute Folge
haben, wenn du dir lange viel Mühe gegeben hast, recht
zu thun?
Fritz. Daß ich endlich gerecht werde, und selbst
es wissen kann, daß ich es bin.
Lehrer. Und was bringt dieses für Nutzen?
Fritz. Das steht in dem schönen Spruche: „Pre-
digt von den Gerechten, sie sollen es gut ha-
„ven; denn fle werden die Früchte ihrer Werke essen."
Lehrer. Früchte essen, was heißt das hier?
Fritz. So wie ein Gärtner sich der Früchte zu
erfreuen hat, wenn er gute Baume zieht, oder der W-
kermann seiner guten Ackerarbeit, bei der Aernte, so
soll es derjenige auch gut haben, der da trachtet, recht
zu thun, und Gutes zu stiften.
17. Bd. 2
- S. 633
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
339. St. Louis in Missouri.
633
die von der Höhe des Gebäudes 60—70 Fuß tief herabsehen und aus
denen das Getreide wie ein Strom herabfällt. Man setzt unten klei-
nere und bewegliche Röhren an, die man verschieben und stellen kann,
je nachdem man den Gctreidestrom in diese oder jene Gegend des zu
beladenden Schisses leiten will. Der Elevator, den ich sah, konnte
450,000 Scheffel Getreide magaziniren. Man baute aber eben noch
viel größere, unter anderen einen für 750,000 Scheffel.
339. St Louis in Missouri.
(Nach Friede. Münch, der Staat Missouri, uird Franz Löher, Land und
Leute in der alten und neuen Welt.)
Die Cincinnatier nennen ihre Stadt die Königin des Westens;
ein Amerikaner aber muß den anderen übertrumpfen, also spricht man
in St. Louis von der Kaiserin des Westens. Den Kaisermantel
wird die Stadt zwar noch lange nicht umthun, in ihren langen Hänser-
gassen ist wenig Anderes bemerkenswerth, als daß die älteren Häuser
solide und die neueren nach der einförmigen Backsteinmode gebaut sind.
Aber einen Kaiserscepter hat St. Louis in Händen. Es beherrscht
das ganze ungeheure Mississippithal, ein Reich, so weit, so erfüllt von
natürlichem Reichthum, so durchzogen von den Lebensadern der Flüsse,
wie es kaum noch ein anderes Gebiet ans dem Erdbälle gibt. Es liegt
zugleich nahe dem Zusammenflüsse der größten Ströme des nördlichen
Theiles dieses Continents, die für tausende (englische) Meilen schiffbar
sind und mit deren kleinsten nur die europäischen Flüsse sich vergleichen
können; es liegt auf einer sanft abgedachten Ebene, die eine endlose
Vergrößerung gestattet, aber aus felsenfestem Grunde an dem Ufer des
„Vaters der Gewässer" (des Mississippi), der fast vom äußersten Nor-
den bis zum äußersten Süden, schiffbar den größten Theil des Jahres
hindurch, hinströmt — es liegt nur wenige Meilen entfernt von der
Mündung des gewaltigen Missouri, auf dem die Handelsgüter fast bis
zum Felsengebirge schwimmen, — nahe der Mündung des Illinois, der
eine Verbindung mit den großen fünf Oberen Seen sichert — nicht fern
von der Mündung des „schönen Stromes" (des Ohio), welcher bis zum
fernen Osten den Verkehr vermittelt, während durch den fast immer
für die hiesigen Riesendampfer schiffbaren unteren Mississippi die be-
quemste Verbindung mit dem Hauptstapelplatze des Südens (Nen-
Orleans) und durch diesen mit West-Indien, Mittel- und Süd-Amerika
und der alten Welt hergestellt ist. Außerdem laufen Eisenbahnen, von
Norden und Süden und in zahlreichen Zweigen vom Osten, so wie ans
allen Theilen dieses Staates herkommend, in St. Louis zusammen,
und welche Richtung auch einer künftigen Bahn nach den Gestaden des
stillen Meeres gegeben werden mag, St. Louis wird jedenfalls mit ihr
in directer Verbindung sein. Die klimatischen Verhältnisse sind von
1894 -
Weinheim (Baden)
: Ackermann
- Autor: Kleinschmidt, Arthur
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Was wir da vor uns sehen, ist St. Louis, die wichtigste Stadt in der
mittleren Region der Union. Fahrzeuge aller Art schwimmen auf den
, Fluten, mit uns der stolzen Steinbrücke zusteuernd, die, ein Wunderwerk
menschlichen Scharfsinnes und menschlicher Thatkrast, den Strom hier in
drei gewaltigen Bogen überspannt.
Auch in dieser über 450 000 Einwohner zählenden Stadt finden
wir viele Landsleute; wohl 1/3 der Bevölkerung ist deutscher Herkunft.
Die schnell groß gewordene Riesin rechnet auf noch gewaltigeres Wachstum;
der Umstand, daß alle öffentlichen Einrichtungen aus rasche Zunahme der
Bevölkerung zugeschnitten sind, beweist dies zur Geuüge. Als Mittelpunkt
des großen Mississippibeckens, als Knotenpunkt für die Verbindung des
Nordwestens mit dem Osten und Süden der Vereinigten Staaten, als
Hauptstapelplatz weiter Gebiete für Getreide, Vieh, Hans, Tabak, Pelzwerk,
Metalle, (besonders Blei) besitzt St. Louis eine außerordentliche Bedeutung
für das wirtschaftliche Lebeu der ganzen Union. Überdies ist die Stadt
auch inmitten eines sast unerschöpflich fruchtbaren Landstriches gelegen, der
Weizen, Mais und Erdfrüchte in Fülle hervorbringt; dazn sendet dann
der noch fruchtbarere Süden seinen Reichtum au Baumwolle, Zucker und
Reis. Ergiebige Kohleulager befinden sich in der Umgegend, und das
erzreiche, namentlich Eisen liefernde Ozarkgebirge zieht sich gleichfalls in
der Nähe hin. So ist es gekommen, daß sich neben dem Handel auch
eine blühende Industrie entwickelte; wir finden Eisengießereien und Walz-
werke, Spinnereien und andere Fabriken der verschiedensten Art. Der
Verkehr wird durch günstige Wasserstraßen wesentlich gefördert; eine
Eisenbahn führt von St. Louis aus durch den ganzen Westen bis zum
Stillen Meere.
Auffallend ist die riesige Ausdehnung der Stadt, die am rechten
Ufer des hier iu felsigem Bette wogenden, nur 400 in breiten Mississippi
liegt. Die engen Straßen in der alten Stadt senken sich steil zum Flusse;
in den neuen Stadtteilen findet sich noch viel unbebauter, auf Zuwachs be-
rechneter Raum, und im Süden gewahren wir sogar nur zerstreute Landhäuser
und Fabriken. In diesen neuen Teilen sehen wir schöne, breite Straßen,
in denen die Pferdebahnen nach allen Richtungen hin laufen, und hier sind
auch großartige Prachtbauten zu treffen. Die Geschäfte liegen meist in
der Altstadt am Fluffe, oder wenigstens in den mittleren Teilen.
Geschäftsräume und Wohnungen der Kaufleute sind nicht selten weit von
einander entfernt, weswegen eben die Pferdebahnen eine Lebensnotwendigkeit
sind. Die noch unbebauten Plätze wirken entstellend im Stadtbilde, denn
die betreffenden Straßen sehen nur halbfertig aus. Die Häuser iu den
äußeren Teilen sind meist schöne, elegante Villen mit Veranden, wohl auch
mit platten Dächern und Säulengängen; sie ruhen im Schöße schöner,
sorgsam gepflegter Gärten. In manchen Straßen aber gleicht ein Haus
fast vollkommen dem andern. — Unter den öffentlichen Gebäuden zeichnet
sich das in griechischem Stil erbaute Gerichtshans, der Sitz der Behörden,
durch seiue Größe und Schönheit aus. Überall ragen Kirchen der ver-
1877 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 90
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
36
11. Der todte Kanarienvogel.
Vögelein, ach da liegst du todt; suchst dir nie wieder ein Krümchen
Brod, siehst mich nicht an mit den Augen hell, hüpfst mir nicht auf
die Schulter schnell, singest nun nie mehr mit solcher Lust! Bald sind
die Kinder gekommen und haben das arme Ding in dem Garten
begraben und drüber gepflanzt einen Rosenstrauch, der trug dann schöne
Blüthen auch. Dort haben sie gar oft gesessen und den lieben Vogel
nicht vergessen.
12. Das Schwalbennest.
Louise kam zur Mutter und sprach: „Mutter, komm, ich will dir
etwas sehr Hübsches zeigen!"
„Was willst du mir zeigen?" fragte die Mutter.
„O, komm nur, du sollst es sehen!" antwortete das Kind, „es
ist ganz allerliebst." — Die Mutter ging mit ihr.
Louise führte die Mutter an ein Fenster und sagte leise: „Blicke
einmal in die Höhe!" Die Mutter that es und sah oben am Dache
ein Schwalbennest, aus dessen Öffnung vier Schnäbelchen herausgestreckt
waren und vier Paar Äuglein herausblickten.
„Nun gieb Acht!" rief das Kind.
Die Mutter gab Acht und sah eine Schwalbe eiligst herbeifliegen,
die trug eine Fliege im Schnabel und legte sie schnell in das geöffnete
Schnäbelchen des einen jungen Vogels, flog hinweg und kam wieder
und nochmals und abermals. Und jedesmal brachte sie eine Fliege mit
und legte sie der Reihe nach in einen der vier offenen Schnabel. Nun
waren alle vier gefüllt. Die Jungen zwitscherten fröhlich, und die
alte Schwalbe flog hoch in die Luft und zwitscherte hell und lustig darein-
„Ist dies nicht niedlich zu sehen?" fragte das Kind.
„Ganz gewiß," sagte die Mutter, „es gefällt mir sehr. Es kommt
mir gerade so vor, als wenn ihr, du und die Brüder und Schwestern,
des Morgens oder Mittags um den Tisch hersihet."
„Und du giebst uns Speise, liebe Mutter!" fiel Louise ein.
„Ja," fuhr die Mutter fort, „und ihr seid dann auch so fröhlich
dabei, wie die Schwalben hier!"
„Es ist doch recht gut," sagte Louise, „daß die lieben Schwalben
eine so gute Mutter haben, die ihnen Würmchen bringt, daß sie nicht
verhungern, und die ihnen ein kleines Häuschen gebaut hat, in dem
sie wohnen. Wer hat ihnen gesagt, daß sie das thun sollen?"
„Der liebe Gott hat es ihnen in ihr kleines Herz gegeben," sprach
die Mutter. „Der liebe Gott will, daß es allen seinen Geschöpfen
wohl ergehe, dem Menschen und der Schwalbe und jedem Thierchen."
„Das ist doch ein lieber, gütiger Gott!" sagte Louise.
13. Der Vogel am Fenster.
An das Fenster klopft es: pick! pick! Macht mir doch auf einen
Augenblick. Dick fällt der Schnee, der Wind geht kalt, habe kein
1914 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Reinhard, Rudolf, Seydlitz, Ernst von, Friedrich, E., Clauß, O.
- Hrsg.: Oehlmann, Ernst
- Auflagennummer (WdK): 26
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Becken des Mississippi.
571
Nebel. Die Meerestiefe über den Bänken beträgt 22, ja stellenweise nur 6,5 m, sie nimmt noch immer-
fort ab durch Sinkstoffe, welche der darüberziehende Polarstrom absondert, und durch den Moränenschutt
der strandenden Eisberge. — Die Inseln St. Pierre und Groß- und Klein-Miquelon gehören Frank-
reich, das auch die Fischereigerechtsame an der N.w.-Küste von Neufundland besitzt, daher der Name
French Shore sfrentsch schörj. Auf St. Pierre mündet das transatlantische Kabel von Brest, auf Neu-
fundland laufen die englischen ein.
F. Das Becken des Mississippi.
Das Tiefland, welches die meridionale Masse der beiden Festlandshälften durchzieht, beginnt
am Amerikanischen Mittelmeer in Nordamerika mit dem Becken des Mississippi, das nahezu ein
Fünftel von der Oberfläche dieses Erdteils umfaßt. Zum großen Teil ist es, wie das Tiefland
des Amazonas durch diesen Strom, so durch den Mississippi anfgeschüttet worden, von dem es
seinen Namen führt. Im Osten stehen immer noch ansehnliche Waldungen, im W. dehnen sich
in endlose Weiten die Prärien, das sind Grasfluren, des Missouri aus. S. dazu S. 541 u. 581.
Der Mississippi, d. i. Großer Fluß, aus dem Jtasca-See, aus den Huuteurs de terre,
w. vom Oberen See; 6700 ton lang, wenn man den Missouri als Hauptarm zählt, andernfalls
4100 km. Die Schiffbarkeit erstreckt sich beim Missouri auf 4600, beim anderen auf mindestens
3600 ton, ist aber durch Barren und Baumstämme sehr gestört. Der Mississippi nimmt 55 schiff-
bare Zuflüsse aus, darunter
rechts: links:
1. Den Illinois.
1. Bei St. Louis den wasserreichen, fast 5000 km
langen Missouri, d. i. Schlammfluß, vom Felsen-
gebirge: sein Hauptquellfluß ist nur 1,6 km vom
Snake River sßne'k rittto] entfernt, der in den
Kolumbia geht.
2. Den Ohio sohäwz, 630 km länger als der
Rhein, mit dem Tennessee stennessij links.
2. Den Arkansas.
3. Den Red River (d.i. Roter Fluß).
Der Strom wälzt seine gelblichen, trüben Fluten, deren Masse daraus abzuschätzen ist, daß bei St. Louis
Unterschiede des Wasserstandes bis zu 12 m beobachtet sind, zwischen einförmigen Tieflandsufern, in seinem
Unterlaufe fast ohne Gefälle, so daß sich die Wassermenge nur durch den eigenen Druck weiterbewegt.
Vermöge seiner Schlammassen schiebt er in dem handförmigen Delta die „Pässe" genannten und zum
Teil künstlich geregelten Mündungsarme jährlich um etwa 80 m weiter in den Golf vor. Das Delta ist
heute 250 km lang, 45—60 km breit, und New Orleans snju ärlinsj liegt jetzt 170 km vom Meer entfernt.
Ähnlichkeit seiner Stromentwicklung mit dem Netze der Wolga. In den Jahrzehnten des vorigen Jahr-
hunderts, in denen die Besiedlung anfing, nach dem fernen Westen zu drängen, lieferte das Stromnetz
allein die Wege für den großen Verkehr, und das Schifferleben auf dem „Großen Strome" entwickelte
sich zu fast romantischer Blüte, denn die Lotsengeschichten „Mark Twains" sind keine Märchen. Aber seit
die Eisenbahngesellschaften Herren im Lande geworden sind, ist der Strom vereinsamt und verwildert,
so daß seine Hochfluten in Kairo auf 16,5, in Memphis auf 13,7 m steigen, und die Ingenieure der Union
haben alle Mühe, einigermaßen seinen Verheerungen gu wehren. Indessen jetzt drängt die Stimme des
Landes zu nachdrücklich darauf hin, daß er besser geregelt werden muß, soweit das bei einer solchen Wasser-
masse überhaupt möglich ist, und daß der Illinois—michigan-Kanal in einen Großschiffahrtsweg verwandelt
wird, wodurch dann dem Hauptstrom wieder die Frachten zugewandt werden müssen. Es ist jetzt die Er-
laubnis erteilt worden, bei Kerkuk, 270 km n. von St. Louis, nach Art des Stauwerks von Assuan
(s. S.486), durch den Fluß einen 1600 m langen Damm zu legen, der den Wasserstand regeln und die Strom-
krast in elektrische verwandeln soll, die weithin auszusenden wäre. Das würde das größte Stromwerk der
Erde werden.