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schafl schon Anteil an der Leitung der städtischen Angelegenheiten und ließ ihn durch ihre Vertreter ausüben. Um die Mitte des 13. Jhrhdts. war der Stadtrat bereits unabhängig von Mainz und vom Erzbischof anerkannt. Er bestand aus 14 Personen, den Konsuln, die aus ihrer Mitte zwei Ratsmeister als Vorsteher wählten. Nach Verlauf von je vier Jahren wurde der alte Rat zumeist wiedergewählt, wie es aus den Aufzeichnungen jener Zeit ersichtlich ist. Neben dem „sitzenden Rat" war also ein „weiterer Rat" vorhanden, der freilich nur bei besonderen Anlässen in Tätigkeit trat. 1283 wurde durch eine Erhebung der Handwerker gegen die Gesrunden die Zahl der Ratsmitglieder aus 24 erhöht und ein fünffacher Trausitus (Wiederwahl nach 5 Jahren) gebildet. Jeder Rat bestand aus 14 von den Geschlechtern und 10 von den Zünften. Er hatte geschickt viele erzbischöflichen Rechte an sich gebracht. So besaß er seit 1289 die Polizeigewalt; er konnte Angeklagte verhaften und in den Gefängnissen unter dem Rathause (erbaut um 1250) verwahren lassen. Auch hatte er das Steuerrecht auf alles Eigentum, auf Wein, Bier und alles, was sonst noch der Besteuerung unterliegen kann. Er konnte das Aufgebot der Bürger erlassen, die Stadtmauern erhallen und verteidigen und über die Stadtkasse verfügen. Ihre Füllung wurde ihm leicht, da er von dem Geld bedürftigen Erzbischof Gerhard Ii. von Eppenstein das Recht der Münzprägung und der Zollerhebung zuerst auf 6 und dann auf weitere 14 Jahre (bis 1305) gepachtet hatte.1)
Durch die Weiterverpachtung dieser Rechte an Mitglieder der Gesrundensippe aber kam es bald zu innerem Zwist. Sie trieben mit der Zollerhebung Mißbrauch, ließen sich bei der Münzprägung Unredlichkeiten zu schulden kommen und waren parteiisch beim Rechtsprechen. Außerdem behandelten sie die einfachen Bürger nur noch wie Hörige. Sie legten um geringer Ursache willen Verhaftete solange in den Block, bis sie lahm waren, oder ließen ihnen Hände und Füße abhauen. Selbst die barbarische Strase des Augenausstechens verhängten sie ohne hinreichende Ursache. Das alles kam der aus den Umsturz der Rats'versassuug hinarbeitenden Partei der Zünfte im höchsten Grade gelegen. Ihr Wühlen und Aufreizen trug bald die besten Früchte. Dazu kam noch, daß die äußeren Feinde der Stadt den Unfrieden zwischen Rat und Gemeinde schürten. Landgraf Friedrich schrieb der Gemeinde, daß er nicht mit ihr, sondern mit dem Rat, der ihm sein Eigentum widerrechtlich vorenthalte, Krieg führe. Gegen Ende des Jahres 1309 kam es zu offenem Aufruhr der Gemeinde gegen den Rat, dem nichts anderes übrig blieb, als die Forderungen der Zünfte zu gewähren. So billigte er zur Sicherstellung der Rechte der Gemeinen die Wahl von vier Männern aus deren Mitte (Januar 1310). Sie, die Viere von der Gemeinde, unsere Herren die Viere .
0 Am 16. Nov. 1354 kaufte der Rat für 3000 Mark Silber die Münze.
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Extrahierte Personennamen: Gerhard_Ii Eppenstein Friedrich Friedrich
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galtst hielt gute Kameradschaft mit studierenden adeligen ^unfern die Geld hatten, und trieb viele und mancherlei Kurzweil zu' ihrer und des Volkes Belustigung. Durch das engste Gcißchen Ersnrts, dergleichen man nur in Venedig sieht, snhr er mit einem zweispännigen Fuder Heu, wodurch dieses Gaßchen fm alle Seiten den Namen „Doktor Fausts Gäßcheu" erhielt l'^chloiier-straße». Einst kam Faust aus einem Pserde geritten, das sort und fort sratz und nicht zu sättigen war, ein anderes Mal zapfte er allerlei Weine aus einem hölzernen Tische und gaukelte den trunkenen Sechgesellen Trauben vor, die sie abschneiden wollten, uu Faust aber die Blendung schwinden ließ, hatte einer des anderen Nase statt der Weintraube in den Fingern. Ein Han^ in der Schlössergasse soll oben im Dache immer noch eine Oefsnung haben, die nie mit Ziegeln zugelegt werden kann, weil Faust durch dieselbe seine Mantelsahrten zu richten pflegte.
Solche Künste weckten freilich manches Mißtrauen. Man witterte etwas teuflischen Schwefelduft um den Magus (Zauberer) und sandte ihm einen gelehrten Mönch, Dr. Klinge genannt, aus den Hals, mit dem er sich unterredete und der ihn so in Harnisch brachte, t,af? er ausrief: „Wenn einem der Teufel das Wort halt, 10
muß man auch dem Teufel das Wort halten!" Da verwünschte Dr. Klinge Fausten und bewog Stadtrat und Universität, den gefährlichen Mann auszuweifen. Bei der Ausweisung selbst spielte Faust aber dem Rat noch einen Streich, indem er sich hartnäckig weigerte, die Stadt zu verlassen. Als man ihn darauf fangen und mit Gewalt aus der Stadt bringen wollte, ritt Faust auf einem feurigen Rappen über die Köpfe feiner Bedränger hinweg und fetzte dabei über das verschlossene Sckmidtstedtertor. Seitdem soll nie wieder zu Erfurt ein Herenmeister aufgekommen
W. Bechstein.
lern.
47. Das Erfurter liand im Dreißigjährigen Krieg.
Wie feiten eine Stadt hat Erfurt unter den Plagen des
Großen Krieges zu leiden gehabt. Die Fruchtbarkeit feiner Umgebung, der ausgedehnte Handel feiner Kaufleute, kurz der
Ruf feines Reichtums lockte immer wieder neue Kriegsscharen zur Einlagerung herbei.
Böhmische Ausreißer im Erfurter Gebiet: Kaum war
der böhmische Aufstand vorüber, da erschienen auchjehon Ausreißer und Abgelohnte von dort im Erfurter Gebiet. Sie machten die Landstraßen unsicher, brandschatzten die Wanderer und raubten dem Bauern das Pserd vom Pfluge. Der Rat sah sich daher ge-
zwungen, seine Reisigen gegen sie auszusenden. Ltnrmgelänt von den Türmen der Dorskirchen und Notschüsse von weit ins Land schauenden Bergeshöhen mußten ihr Nahen verkünden.
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entzweifeilen oder abnehmen. Der böse Anschlag mißlang, obwohl der Edelmann über dem Essen gern seine Kunst geübt und dem Ratsmeister das Band an den Hals gebracht hätte. Dieser schöpfte Verdacht, und der Abgesandte offenbarte auf Befragen sein Vorhaben.
Dieser Vorgang ist vorbildlich für den Aberglauben jener Zeit. Weiter erwähnt Stolle noch, daß man fest glaubte, Werwölfe (Menschen, in Wölfe verwandelt) gingen umher und fräßen die Menschen auf.
Roheit der Jugend: Mit dem Aberglauben ging die Ro-
heit der Jugend Hand in Hand. Selbst der heilige Ort der Kirche blieb nicht frei von blutigen Handlungen. Ein junger Chorknabe, welcher ungehorsam gegen Eltern und Lehrer war, stach (1476) einen älteren Genossen während des Gottesdienstes im Dom wegen geringfügiger Ursache mit seinem Messer in den Arm. Das Blut floß zur Erde, und die dadurch entweihte Kirche mußte erst von neuem durch den Weihbischof Bertold von Oberg geweiht werden.
Rechtspflege: Entsprechend der Roheit der Zeit waren
Rechtspflege und Bestrafung barbarisch. Stolle erzählt davon ein bezeichnendes Beispiel. Einen Vatermörder in Witterda tras folgende Strafe: Er wurde zum Tode verurteilt und dazu vom Henker zuerst am ganzen Leibe mit glühenden Zangen gezwickt, daß er vor Schmerz starb. Dann wurde dem toten Manne der Kopf abgeschlagen und dieser an eine Säule festgenagelt. Zuletzt wurde der Körper noch gevierteilt und die vier Teile an vier Säulen genagelt, die an den vier Ausgängen des Dorfes standen. Ebenso entsetzlich, als abscheulich! — Die verhängten Freiheitsstrafen mußten die Bürger auf einem der Befestigungstürme verbüßen und sich die Kost von ihren Dienern oder anderen Personen bringen lassen. Der Aufenthalt in den fettster- und herdlosen Räumen war eine sehr empfindliche Strafe. Frauen bekamen Hausarrest von mehreren Wochen, während dessen sie Besuche empfangen, aber keine erwidern durften. Rückfällige Gefetzesverächter mußten auf längere oder kürzere Zeit die Stadt räumen. — Solange das Vergehen noch nicht klar lag, kamen die Verbrecher in das Untersuchungsgefängnis, Paradies genannt, ein ehemaliges Judenhaus in der Rathausgasse. Dann wanderten sie in die Temnitz, das unterirdische Gefängnis unter dem Rathaus, wohin weder Sonne noch Mond gelangten. Dicht dabei war auch die Folterkammer, ein dunkler, unheimlicher Raum mit einer Rolle an der Decke — zum Aufziehen und Dehnen der Rechtsverletzer — und andere Geräte, mit denen der Stockmeister und seine Knechte grausam umzugehen verstanden. Lautete das Urteil aus Tod, dann vollzog es der Scharfrichter noch an demselben oder am nächsten Tage auf dem Rabensteine (Eingang v. I. E. Schmidts Gärtnerei) oder dem Galgenberge, links von dem Kerspleber Weg (östlich der Bahn). Leibesstrafen, wie Ohren- und Nafenabfchneiden, Brandmarken, Aus-
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Iii. Bus der Geschichte Erfurts von 1§00 ad.
Stellung Erfurts zu Mainz und Sachsen und zum Reich: Um den Aufruhr der niederen Schichten der Bevölkerung, die durch die Straßensperre während der Streitigkeiten der Stadt mit Mainz und Sachsen (s. Nr. Ii) in große Not geraten waren, abzuwenden, hatte der Rat den Frieden von Amorbach und Weimar geschlossen (1483). In der Amorbacher Urkunde erkannte er das Mainzer Erzstist als den „rechten Erbherrn" an, dieses aber ließ Erfurt bei allen seinen Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Gnaden, Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten, die ziemlich bedeutende waren; denn außer der Erhebung des Marktzolls, der Freizinsen und eines geringen Anteils an der Gerichtsbarkeit standen dem Erzbischos keine weiteren Rechte mehr zu. Trotzdem war der Amorbacher Vertrag ein großer Sieg des Erzbischoss. Seine Anerkennung als „rechter Erbherr" der Stadt durch den Rat machte eine Entwicklung Erfurts zur völligen Unabhängigkeit von Mainz für die Zukunft unmöglich. Durch den Weimarer Vertrag aber, der Erfurt unter die Schutzherrschaft Sachsens brachte und ihm eine Steuer von fast unerschwinglicher Höhe auslegte, wurde geradezu eine Doppelherrschaft von Kurmainz und Kurfachfeu über die Stadt geschaffen und ein Zustand herbeigerührt, der in der Folge zu weiteren Kämpfen beider Gewalten um den Besitz Ersurts führen mußte. — Von 1417 bis 1471 war Erfurt als Reichsstadt angesehen worden, wie seine Ladungen zu den Reichstagen beweisen. Durch die Belehnung des Rates und der Bürgerschaft mit dem Reichslehen Kapellendorf (1352) war das Reich Erfurts „rechter Herr" und jene „des Reiches liebe Getreue" geworden; Erfurt hatte feit dieser Zeit den Königen die Lehenshuldigung geleistet, die zugleich die Hoheitshuldigung in sich schloß. Ta nun Kapellendorf auch nach 1483 der Stadt verblieb, fo war scheinbar nichts an der unmittelbaren Verbindung Erfurts mit dem Reiche geändert worden; aber wie schon oben gesagt, war es durch den Amorbacher Vertrag der Stadt unmöglich, sortan sich der anerkannten Macht des Erzstifts zu entziehen und in die Reihe der Reichsstädte einzutreten.
Geldnot Erfurts: Beide Verträge hatten über Erfurt eine
große Schuldenlast gebracht, die noch durch die in dieser Zeit eintretende allgemeine Geldentwertung bedeutend vergrößert wurde. Letztere hatten ihren Grund in der außerordentlich starken Ausbeutung der Edelmetalle im Harz und im sächsischen und ungarischen Erzgebirge und in dem Hereinfluten des überseeischen Gol-
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Toben verlangten sie von dem zumeist gehaßten Mitgliede des Rates, von dem stolzen Obervierherrn Heinrich Kellner, Rechenschaft. Auch beschuldigten sie ihn, ohne Wissen des Rats und der Gemeine das Schloß und Amt Kapellendorf verkauft zu haben. Das war für den Stolzen zu viel. Im höchsten Zorn sprang er auf, schlug an seine Brust und rief mit lauter Stimme: „Hie stehet die Gemeine!" (Rathaussaalbild). Das Wort entfesselte einen wahren Sturm von Raserei. Selbst die Gemäßigten forderten seine augenblickliche Verhaftung, und den Vierherren blieb nichts anderes übrig, als den Volkswillen auszuführen. Von Stadtknechten geleitet, wankte der eben noch so Gewaltige als gebrochener Mann seinem Hause (Regierungsstraße 64) zu, nachdem er zuvor alle Schlüssel abgegeben hatte. Damit hatte die Erfurter Revolution ihren Anfang ge-
nommen. In den nun folgenden Wirren des „tollen Jahres" versuchten Mainz und Sachsen der aufrührerischen Bewegung eine Wendung zu geben, die ihnen günstig war. Dabei hielt es der
Kirchenfürst mit den Unzufriedenen aus dem niederen Volk, während Sachsen durch den Rat sein Ziel zu erreichen suchte. —
Gegen Ende des Jahres vollzog das Volk den Bruch mit der Vergangenheit. Die alte Verfassung wurde abgeschasst und eine neue angenommen. Auch wurde ein völlig mainzifch gesinnter Rat gewählt, von dessen Mitgliedern nicht ein einziges mit den alten etwas zu tun hatte. Dieser neue Rat mußte alle den Bürgern lästigen Abgaben aufheben, wodurch man sich freilich der Mittel zur Bezahlung der Schulden beraubte. Selbst der Kaiser erließ, gewonnen vom Erzbischos, am 28. Januar 1510 aus Innsbruck einen Auftrag, in dem die Erfurter angehalten wurden, Mainz unbedingt Rechnung von der bisherigen Stadtverwaltung zu legen; außerdem untersagte er alle Vergewaltigungen der Stadt und entbot die Beteiligten auf den Reichstag nach Augsburg. Auch eine neue Eidesformel^) für die Huldigung wurde durch Mainz festgesetzt. In ihr wurde der Erzbischof als „rechter Erb-herr" (schon Bedingung des Friedens von Amorbach 1483) anerkannt, während der Rat versprach, den „Bürgern, reichen und armen, getreu und hold sein zu sollen und zu wollen."
So hatte Mainz wohl alles erreicht, was es wollte; aber seine Erfolge hatten Sachsens Unzufriedenheit aufs höchste gesteigert. Infolgedessen nahm die Fehde, die sich um Erfurts willen allmählich zwischen den beiden entwickelt hatte, eine immer größere Ausdehnung an. Ungeachtet des Friedensgebotes des Augsburger Reichstagsabschiedes vom 23. Mai 1510 wurden säch
l) Wir globen und sweren, dass wir vnserm gnedigsten Herrn, dem Erzbischof zu Mentz, vnserm rechten Erbherrn, vnserm Herrn dem Greuen unserm Herrn dem Vitzthum, der Stadt Erfurt und den Burgern, reichen und armen, getrewe und holt sein sollen und wollen, Ire recht behalten, ohne alle vbel list, also ferre als wir das wissen und vermögen und den Rat helen (geheim halten), als wir zv recht sollen das vns gott helff und alle heiligen.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Kellner Heinrich
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fische Untertanen von den Erfurtern und diese wieder von jenen auf alle Weise geschädigt. Besonders die Bewohner des Erfurter Landgebietes schwebten in fortwährender Gefahr. Das erbitterte natürlich die Städter immer mehr; anstatt aber zur Besonnenheit zu kommen, verloren sie sich in sinnloser Wut gegen den vermeintlichen Urheber ihres Unglücks, den Obervierherrn Kellner; ihn traf das ganze Gewicht ihrer Rache.
Schon längst hatte man Kellner, nachdem er sich kurze Zeit in der Viti-Kirche (jetzt Rheinischer Hof) verborgen gehalten hatte, gefänglich eingezogen. Nun wurde er gefoltert und ihm dadurch die Zugeständnisse der unglaublichsten Vergehungen und Veruntreuungen abgepreßt. Sobald aber die Folter nachließ, widerrief er seine Aussagen. Trotzdem wurde er zum Tode verurteilt, und das Urteil am 28. Juni 1510 an ihm vollzogen. Noch nicht einmal seine Bitte ums Schwert fand bei seinen unbarmherzigen Richtern Gehör. Auf dem Galgenberge im Osten der Stadt, wo heute der weithin sichtbare Windmotor steht, legte der ungeschickte Henker Hand an ihn. Dreimal zog er den Aermsten vergeblich in die Höhe, ehe die Vollstreckung gelang. — So endete der stolzeste unter jenen stolzen Ratsherren, die das mittelalterliche Erfurt regierten, als ein Opfer der blinden Volkswut, die ihn allein verantwortlich machte für all' das Schlimme, was eine ganze üble Verwaltungseinrichtung über die Stadt heraufbeschworen hatte.
Infolge dieser Vorgänge, die in der Erfurter Geschichte den Namen „das tolle Jahr" führen, verließen viele der reichen Waidjunker die Stadt und verpflanzten zum Schaden derselben den damals noch einträglichen Waidbau nach anderen Orten. Und noch ein zweites Unglück traf Erfurt in jenen Tagen. Sonntag, den 4. August 1510, als die Michaelisgemeinde ihre Kirchweihe feierte, brach zwischen den Erfurter Bürgern und Soldaten einerseits und den Studenten anderseits ein Streit aus, der soweit ging, daß beide Teile zu den Waffen griffen. Anfangs im Vorteil, mutzten sich die Studenten zuletzt, als die Bürger das Kollegienhaus (Michaelisstr. 39) mit Kanonen zu beschießen drohten, durch die Gera retten. Bei dem nun folgenden Sturme wurde der Universität unersetzlicher Schade zugefügt; denn Bibliothek und Archiv (Urkundenraum) wurden bis auf geringe Reste zerstört.
Niedergang: In den folgenden fünf Jahren blieb Erfurt
weiter mit Mainz verbunden und lebte dadurch mit Sachsen in ständiger Fehde, an der sich auch die Erfurter Gläubiger, die nicht zu ihrem Gelde kommen konnten, beteiligten. Der Streit wurde im Erfurter Gebiete ausgefockiteu. Selbstverständlich litt bei diesem kriegerischen Hin und Her der Wohlstand der Stadt unsäglich: außerdem riß große Sittenlosigkeit und Verwilderung unter der Bevölkerung ein. Als man aber erkannte, daß Erfurts Selbstständigkeit durch Mainz ernstlich bedroht sei und daß man dem mainzischen Kurfürsten gar zu viel Rechte eingeräumt habe, ver-
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Rheinischer_Hof Erfurt Erfurt Gera Mainz Sachsen Erfurts Mainz
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1. -i er Erzbischof erhält 2500 Guldeu in zwei Teilzahlungen biy Martini 1531. Die beiden Stifter erhalten die noch vorhandenen Kleinodien vom Rate zurück, außerdem 1200mark^) Silber und zwar in jährlichen Zahlungen von 50 Mark vom fsabre 1538 ab.
2. Tic erzbischöflichen Hoheitsrechte werden wieder hergestellt; gegen Zusicherung jeglichen Straferlasses verspricht die Stadt, sich gegen den Erzbischof zu verhalten, „wie es treuen Untertanen Wohl gebührt und zusteht."
3. Tie Marien- und Severikirche werden dem alten Glauben zurückgegeben, ebenso das Peterskloster.
- ltgegen wollte der Erzbischos „in machen den Glauben und die Zeremonien (heilige Handlungen) betreffend hiermit und diesmal feiner Partei etwas gegeben, genommen, erlaubt oder verboten haben" —, d. H. er erkannte stillschweigend die Lossagung des größeren Teiles der Stadt von der geistlichen Rechtspflege und Oberhoheit an und gewährleistete in einer Anzahl von Kirchen denjteuen Ritus (gottesdienstlicher Gebrauch), obwohl soeben noch in Lpeier das Wormser Edikt (Erlaß) zur Unterdrückung der neuen Lehre erneuert worden war.
Besonders hart wurden die Evangelischen durch den 3. Punkt des Vertrages getroffen, am härtesten darunter aber Dr. Lang, Erfurts Reformator, und feine Gemeinde im Dom. Schweren Herzens räumte er das herrliche Gotteshaus, um fortan als Geist lieber der Michaelisgemeinde tätig zu sein: zugleich aber wurde er Nonarius an der Predigerkirche (heute die Stelle des Frühpredigers). Domgeistlicher wurde der Pfarrer au Der Hospital kirche, welche fortan von den Evangelischen in Besitz genommen wurde.
v>n dieser Ordnung haben sich die kirchlichen Verhältnisse unverändert bis auf den heutigen Tag erhalten. (Nach Pros. Dr. Joh. Biereve u. a.)
42. Der Erfurter Bauernkrieg.
Anmarsch der Bauern: Es war Ende April 1525, als
vor dem äußeren Spielbergtor (Gegend des heutigen Bahndurchgangs nach der Daberstedter Schanze) Tausende von Bauern erschienen, um mit Gewalt in die Stadt einzudringen. Zugleich batten sich vor dem inneren Augusttor (Kreuzung Gartenstraße u. Reglermauer mit der Bahnhofstraße) große Haufen Vorstädter zusammengerottet, die mit den Bauern gemeinsame Sache machen wollten. Ihre Absicht war, das Regiment der Stadt zu stürzen uns einen neuen Rat einzusetzen, in welchem sie Sitz und Stimme hatten. Ferner wollten sie ihre Steuerlast an Stadt und Kirche
’) 1 Mars — 12 Lot ntnb 250 Gr.; größere Geldsummen wurden meist gewogen.
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aber über dem, was er gehört hatte, nicht schlafen. Der Schmieb blieb die ganze Nacht hiitburch mit feinem Gesellen an der Arbeit, und wenn er so mit dem großen Hammer das Eisen zusammenschlug, rief er bei jebem Schlage: „Lanbgraf, werbe hart, Lanbgraf werbe hart, wie bies Eisen!“ und schalt ihn und sprach weiter: „Du böser, unseliger Herr! Was taugst bu, den armen Leuten zu leben? Siehst bu nicht, wie beine Räte das Volk plagen? Und erzählte also die liebe, lange Nacht, was die Beamten für Tyrannei an den armen Unterthanen übten: und so sie dann Klage führen wollten, könnten sie nicht vor den Herrn kommen, und wenn es ja glückte, so spotteten die Ritter feiner Befehle hinter feinem Rücken und hielten ihn gar unwert.
Mit solchen und anberen Worten führte der Schmieb feute Schläge die ganze lange Nacht bis zum borgen. Aber der Lanbgraf faffete alles zu Ohren und Herzen, und als er am Morgen vom Meister Abfchieb nahm, war er hart gefchmiebet. Seit der Zeit zeigte er sich fcharf und ernfthaftig in feinem Gemüte, strafte die Ungerechten und zwang sie zum Gehorsam. — Von jebem strengen Manne pflegte man seitbem zu sagen: „Der ist in der
Sanbgrafenfchmiebe in der Ruhl gehärtet worben."
7. Warum man Ludwig den eisernen Landgrafen hieß.
Als Ludwig einen feiner Ritter, der etwas wiber ihn verbrochen hatte, in Strafe nahm, verbünbeten sich die andern, ihm Wiberftanb zu thun, ehe feine Hand auch über sie käme. Alsbalb sammelte er fein Heervolk und kam, mit ihnen zu streiten bei der Neuenburg an der Unstrut, bezwang und fing sie und führte sie zu der Burg.
Er ließ sie vor sich treten und strafte sie hart mit Worten: "Euren Eib, so ihr mir geschworen, habt ihr übel gehalten. Was soll ich euch thun ? Töte ich euch, wie ihr wohl tierbienet, so bringe
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
Aus der Sittengeschichte.
25
religisen Leben, nicht aufhalten. Deuten z. B. auch die Huser in Pompeji und ihre Ausstattung auf eine gehobene Lebensfhrung des Mittelstandes, so erhielt doch die rmische Gesellschaft durch den grellen Gegensatz zwischen der Lebenshaltung der Reichen und der der Armen ihr Geprge. Die unerfreulichen Erscheinungen, die eine so ungleiche Ver- Entartung teiluug des Nationalvermgens zu begleiten pflegen, ein alles Ma der- m 6ltte schreitender Luxus, Verachtung der alten guten Sitte, Verweichlichung und Laster, wurden noch widerwrtiger, da sich hier die brutale Gering-schtznng, ja vllige Verachtung des Nebenmenschen, wie sie der Sklaverei anhaftet, und die blutigen Greuel der Zirkusspiele hinzugesellten. Zu-gleich zwangen despotische Kaiser auch den Reichsten und Vornehmsten, dem Freigelassenen, ja Sklaven, sobald nur ihre Gunst ihn emporgehoben hatte, unterwrfig zu begegnen, und vernichteten damit althergebrachte, wohlbegrndete Sitte.
Schon in den Zeiten der Republik war die Verehrung der Götter und Religion des Staates vielfach zu einem uerlichen, inhaltlosen Werkdienste hinab-gesunken. Allmhlich wandte man sich krassem Aberglauben und aus-lndischen, besonders orientalischen Kulten zu.
Die Entartung der Sitten entging scharfen Beobachtern nicht. Be-Ethische Dich-reits in der zweiten Hlfte des ersten und am Anfange des zweiten Jahr-Hunderts verspottete sie der Spanier Martialis in seinen Epigrammen,
während Persins und Jnvenalis in ihren strafenden Satiren dstere Schilderungen von dem Leben ihrer Zeitgenossen entwarfen. Wer aber inmitten dieses Verfalls nach festen Regeln fr sein Handeln suchte und den Vorfahren hnlich zu werden wnschte, wandte sich der stoischen Philosophie zu. Seueca aus Cordoba in Spanien, der Lehrer Neros, gab ihren Gedanken in glnzender Form Ausdruck. Der gefeiertste Ver-treter ihrer Lehren aber wurde der Sklave, fpter Freigelassene eines Gnstlings Neros, Epiktet; Geduld und Enthaltsamkeit war der Grund-satz seiner Ethik. Niemals zhlte die stoische Philosophie mehr Anhnger als damals; da sie das republikanische Staatsideal pflegte, wandten sich ihr alle zu, die die kaiserliche Despotie verwarfen; ihre Lehrer erlitten daher wiederholt Verfolgungen. Im 2. Jahrhundert gewann die Schule sogar unter den Kaisern Anhnger; Mark Aurel wurde ihr letzter uam-haftet Schriftsteller.
Unzweifelhaft zeigte das Leben unter Nerva und feinen Nachfolgern Humanitre weniger abschreckende Zge als unter den Jnlisch-Clandischen Kaisern. ftreungen. Man wollte im Geiste der Zeit eine gewisse Humanitt zeigen, indem man Stiftungen fr Kinder armer Leute machte, aus denen ihnen bis zu einem bestimmten Lebensalter der Unterhalt gereicht wurde salimen-tationen). Auch wurde dem Herrn das Recht genommen, feinen Sklaven zu tten. Aber den langsam fortschreitenden wirtschaftlichen Verfall konnte man nicht aufhalten; schon Hadrian sah sich gentigt, Steuernachlsse zu bewilligen. Mit tiefem Pessimismus beurteilt Mark Aurel seine Zeit.
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die Grenzen des Reiches erweitert f)at. Nachdem die Romer unter Domitian mehrere Niederlagen gegen die Safer (m stlichen Ungarn, Siebenbrgen und Rumnien, erlitten hatten, unterwarf Tra>-m m zwei Keldziigen, deren Begebenheiten die Trajanssnle darstellt, ihren Konig Deeebalus und machte Dazien zur Provinz (107), Spater zog er gegen die Parther, die den Grenzen des Reiches im Osten ebenso gesahrllch waren wie die Germanen am Rhein und an der Donau, Er machte Armenien, Mesopotamien und Assyrien zu rmischen Provinzen, Noch den sptesten Imperatoren wurde bei der Huldigung im Senate zngerufeu. Sei glcklicher als Angnstns, besser als Trasan!
Sein Landsmann und Adoptivsohn P, lius Hadrianus (117- 8..^ 138) schlo mit den Parthern sogleich Frieden und bestimmte den Euphra als Grenze im Orient, > Ein Aufstand der Juden fhrte nach verzweifeltem Kampfe zu ihrer Zerstreuung der das ganze Reich, Seme ganze: Sahroft aber wandte er der inneren Verwaltung zu, d,e immer in hr -m.bernf--mig ausgebildetes und geschultes Beamteutum erforderte. Auf mehr-jhrigen Reisen, die ihn durch einen groen Teil des weiten Reiches fhrten, berzeugte er sich durch den Augenschein von dem Zustande der Provinzen,
deren Wohl er persnlich am meisten von allen Kaisern gefordert hat. An besonders gefhrdeten Stellen sicherte er die Grenzen des Reiches durch Wall und Graben, So zog er im nrdlichen Britannien den Grenzwall qeaen die Pikten und toten (vallum Hadriani) und vollendete m Germanien den von Domitian begonnenen Limes, Im heutigen Rom er-innert an den Kaiser die Engelsburg (moles Hadriani).
Den Unterschied der Sitten im 1. und 2, Jahrhundert der Kaiser-jpit erkennt man wenn ntctn die Beibert Antonine, Uttiottittu 4^^ (issiei). (138161) und' (ritten Adoptivsohn Markus Aurelius (161-180 den Stoiker auf dem Csarenthrone (vgl. 9), mit den Kaisern des Julisch-Claubischen Hauses und ihrer prunkvollen, sittenlosen Hofhaltung veraleicht. Antoninus Pius lebte wie ein einfacher Land ebelmann ans seinem Gute in Latinm, und der weise, hochgebilbete Mark Aurel eiferte diesem Vorbilbe nach. An die Stelle der Sohne und Enkel des Re-volutionsjahrhnnberts, die vor keinem Verbrechen zurckscheuten, waren hochgebilbete Männer getreten, die ein feines Gefhl bafur hatten, was der Humanitt ihres Zeitalters angemessen sei. Aber die Angriffe der Parther und Germanen riefen Mark Aurel wieber ms Felb. Dus Rmische Reich erscheint in biesen Kriegen zum erstenmal rein auf die Verteidigung beschrnkt. Im Feldlager gegen die germanischen Markomannen mid Quabeu (val. 7) hat Mark Aurel einen nicht geringen Teil seiner Re-aierungszeit verbracht; in Vwbobona ist er 180 gestorben. (Sem Reiter-stanbbilb auf dem Kapitol.) Sein entarteter Sohn Commobus, der ihm folgte, wrbe von seiner Umgebung ermorbet (192).
i Erst unter Mark Aurel wurde wieder ein Teil Mesopotamiens rmische Provinz.
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TM Hauptwörter (200): [T181: [Rom Kaiser Sohn Stadt König Nero Romulus Jahr Tarquinius Tod], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]