Deutschlands Gewerbe und Industrie. 19
der Boden allein nicht mehr zu ernähren, Gewerbe und Handel spielen eine immer
größere Rolle in unserem wirtschaftlichen Leben, besonders in den Städten, von
denen viele infolge des massenhaften Zuzugs mit amerikanischer Geschwindigkeit
angewachsen sind; auch manche Dörfer haben sich aus vorher unbekannten Orten
zu namhaften Jndustrieplätzen aufgeschwungen. Überall in Deutschland, wo
eine karge Natur den lohnenden Anbau versagt, hat sich eine rührige
Industrie entwickelt, besonders im Bereich der mitteldeutschen Gebirgs-
schwelle. Heute beschäftigt die deutsche Landwirtschaft nur mehr % der Gesamt-
bevölkerung.
Die natürliche Grundlage der deutschen Industrie bilden die
großen Kohlenlager an der Ruhr und Saar, im Wurmgebiet bei Aachen, in
Sachsen und Schlesien und die teilweise damit zusammengelagerten Eisengruben
<s. S. 67). Deutschlands Kohlenerzeugung (1910: 152 Mill. t) bleibt in Europa
nur hinter der von England zurück. In der Eisenerzeugung geht das Deutsche
Reich sogar England um die Hälfte voran (f. S. 67f.); das bedeutendste deutsche
Eisenlager ist das luxemburgisch-lothringische, das das Minetteeisen liefert. Die
deutsche Ausfuhr von Roheisen steigt alljährlich an; sie betrug 1910: 787 000 t,
1909: 471 000 t).
Was die sonstigen Mineralschätze Deutschlands betrifft, so wird es Hinsicht-
lich der Gewinnung von Zink nur von der Union und bezüglich der für einzelne
Industriezweige und den Bodenanbau so wichtigen Kalisalze von keinem Staat
der Erde übertroffen. Die größten Zinklager gehören Oberschlesien an, die Kali-
salze liefert das Magdeburg-Halberstädter Gebiet, namentlich Staßfurt. Auch
Silber erzeugt das Deutsche Reich mehr als jeder andere europäische Staat, und
in der Salz Produktion steht es nur hinter Großbritannien zurück. Im ganzen
finden in Deutschland durch den Bergbau fast eine Million
Menschen ihren Unterhalt.
In vielen Zweigen des gewerblichen Schaffens hat Deutschland sich allmäh-
lich in die vorderste Reihe zu bringen gewußt, so in der chemischen Industrie,
in der Zucker- und Bierindustrie sowie in der Branntweinbrennerei,
in der Stahl- und Waffenfabrikation, in der Elektrotechnik, in der
Erzeugung von Papier und Büchern, von Spielwaren und Blei-
stiften. In der Baumwollindustrie folgt es gleich hinter England, in der
Seidenindustrie unmittelbar nach Frankreich. In andern Gewerben steht es
mit den ersten Staaten in scharfem Wettbewerb, so in der Maschinen- und Kleineisen-
industrie, in der Tabakindustrie, in der Konsektion, in der Woll- und Leinenindustrie,
in der Glas- und Tonwarenfabrikation. Bewundernswerten Aufschwung hat
der so jugendliche deutsche Schiffbau genommen; die größten und schönsten Passa-
gierdampfer werden auf deutschen Werften hergestellt. — Deutschland steht
England in der industriellen Tätigkeit nicht mehr nach und bildet mit ihm
die größte Werkstätte der Erde. Deutschlands Wohlstand knüpft sich in steigen-
dem Maß an seine Industrie und seinen Handel.
Begünstigt wird die industrielle Entwicklung Deutschlands, abgesehen von
seinem Reichtum an Kohlen und Eisen, namentlich auch durch seine vielen Wasser-
kräfte in den Gebirgen Mittel- und Süddeutschlands, die durch elektrische Kraftüber-
tragung auf weite Gebiete hin wirksam verteilt werden können. (Talsperren.)
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Saar Aachen Sachsen Schlesien Deutschlands Europa England England Deutschlands Oberschlesien Deutschland Deutschland England Frankreich Deutschland England Deutschlands Deutschlands
Tie deutschen Meere und ihre Küsten. 37
Auch fehlen nicht gute natürliche Hafenplätze; solche bieten die langgestreckten
Förden von Schleswig-Holstein und die breiten Trichtermündungen der großen
Ströme, an denen auch "Deutschlands Haupthandelshäsen emporgewachsen sind.
Dazu ist die Nordsee durch ihre ganze Natur, insbesondere durch ihre heftigen
Stürme, eine vortreffliche Schule für den Seemann.
2. Wirtschaftliche Gründe. Die starke Zunahme der Bevölkerung
des Deutschen Reiches (jährlich um 800 000 Seelen) veranlaßte alljährlich Tausende
unserer Landsleute zur Auswanderung in überseeische Gebiete, so daß wir schon
aus diesem Grund ein lebhaftes Interesse daran haben, den Verkehr zur See auf-
rechtzuerhalten, um gegebenenfalls den in der Fremde lebenden Stammesgenoffen
den Schutz des Vaterlands angedeihen zu lassen^).
In den überseeischen Gebieten sind in landwirtschaftlichen und gewerblichen
Unternehmungen weit über 10 Milliarden deutscher Kapitalien angelegt, vor allem in
Amerika; aber auch in Asrika, Australien und manchen Teilen Asiens arbeiten
Hunderte von Millionen deutschen Geldes.
Unsere Industrie bezieht einerseits einen großen Teil ihrer Rohstoffe (nahezu
%) aus fernen Ländern, z. B. Baumwolle, Seide, Wolle, Tabak, Kautschuk, ander-
seits bedarf sie der Beziehungen zu diesen Ländern für den Absatz ihrer Erzeug-
niffe^). Auch unser Bedarf an Brotgetreide und Fleisch kann nicht völlig durch
die deutsche Landwirtschaft gedeckt werden, und wir sind daher auf Zufuhr von
auswärts, vor allem auch aus überseeischen Gebieten, angewiesen.^)
Die deutsche Handelsflotte hat in den letzten Jahrzehnten so große Fort-
schritte gemacht, daß sie heute in ihrer Leistungsfähigkeit unter allen Welthandels-
flotten den zweiten Rang einnimmt. (S. S. 86).
Der deutsche Außenhandel, der 1911 einen Gesamtwert von 17,8 Mil-
liarden Mark darstellt (England 21 Milliarden Mark) und der mit jedem Jahr
zunimmt, ist zum weitaus größeren Teile Seehandel; es entfallen auf ihn reich-
lich 2/3 des gesamten deutschen Außenhandels.
Ein erhöhtes Anrecht auf die See verleiht uns endlich die Erwerbung unseres
ausgedehnten Kolonialbesitzes.
3. Geschichtliche Gründe. Wo immer deutsche Stämme an die Küste
herantraten, ward das Meer für sie eine willkommene Schule der Tatkraft, der Unter-
nehmnngslust und des Kriegsmuts, und die deutsche Dichtung verherrlicht neben den
tragischen Kämpfen der Stämme im Binnenland in gleich hohen Tönen das Ringen
der deutschen Seekönige; neben dem Nibelungenlied steht die Gudrundichtung.
1) 1907 wanderten 31696 Deutsche aus. Im Ausland leben 3 Millionen geborene
Deutsche und 799 Wo Reichsangehörige. 8—9 Mill. sprechen in den Vereinigten Staaten die
deutsche Sprache.
2) Einfuhrwerte wichtiger von Übersee bezogener Rohstoffe i. I. 1919: S. auch S. 36ff.)
Baumwolle . . 561 Mill. Mk. Rohseide ... 147 Mill. Mk.
Schafwolle . . 399 „ „ Chilesalpeter . . 134 „
Kautschuk und Palmkerne und
Guttapercha . 279 „ „ Kopra ... 179
3) Einfuhr von Getreide (1910): 687 Mill. M., von Rindvieh 159 Mill. M.
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Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Amerika Australien England
44 Einzelgebiete,
man Gipslager und Salzquellen, und die Tiefbohrungen um Celle haben ansehn-
liehe Petroleumlager erschlossen. Die Marschen liefern das trefslichste Mastvieh
und gute Pferde. Im Gewerbsleben treten jene Industrien hervor, die ihre Roh-
stoffe der Landwirtschaft entnehmen (Zuckerfabriken, Branntweinbrennereien,
Konservenfabriken). In den Küstenstädten blühen die mit dem überseeischen Handel
und der Schiffahrt zusammenhängenden Erwerbszweige. Zu nennen sind hier die
Reismühlen, Zigarren- und Tabakfabriken Bremens, die Hamburger Fabriken
zur Bereitung von Gummi, Guttapercha, zur Verarbeitung von Palmkernen und
Kokosnüssen, dann die großen Schiffswerften.
Die Ostelbischen Lande haben für Preußen hohe geschichtliche
Bedeutung. Hier ist die Wiege der preußischen Monarchie und die Heimat der
strammen preußischen Heereszucht und des ebenso gearteten Beamtentums. Hier
ist daher auch die Heimat der großen preußischen Feldherrn der Fridericianischeu
Zeit, der Befreiungskriege und des Deutsch-Französischeu Krieges. Aber auch die
Wissenschaft ist trefflich vertreten, so durch Kaut, Koperuikus, die beideu Hum-
boldt, Monunsen u. a.
Politische Gliederung des Gebietes. Große natürliche Einheiten neigen dazu,
auch politische Einheiten zu werden, und so ging die Einigung Deutschlands von der
Tiesebene aus. Die nördliche Niederung wird in der Hauptsache vom Köuigreich
Preußen eingenommen. (Zähle die Provinzen und Hauptorte auf!) An der Küste
liegen die Freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck und die Groß-
Herzogtümer Oldenburg und Mecklenburg, im Binnenland die Her-
zogtümer Braunfchweig und. Anhalt.
2. pic Mitteldeutsche chebirgsschwelle.
Allgemeines.
Pielgestaltigkeit. Von dem Schieferplateau der Ardeunen bis zu den Kar-
paten legt sich als trennende Landscholle zwischen die süddeutschen Stufeuländer
und die Norddeutsche Tiefebene eine Reihe sehr verschieden benannter und ver-
schieden gearteter Gebirge, die unter dem gemeinsamen Namen Mitteldeutsche
Gebirgsschwelle zusammengefaßt werden. Zwei wesentlich verschiedene Teile
müssen in diesem Gebiet auseinander gehalten werden. Während der ö. von der
Elbe gelegene Teil, die Sudeten, einen verhältnismäßig schmalen Gebirgszug
darstellt, verbreitert sich der w. zu einem zwar niedrigem, aber ausgedehnteren Berg-
und Hügelland. Seine Glieder sind das Rheinische Schiesergebirge, das
Hessische Bergland, die Wesergebirge, Thüringer Wald, Harz und Erz-
gebirge. In den ältern Teilen dieser Hochflächen sehen wir die Reste eines alten,
abgetragenen Hochgebirges. (Vgl. Geolog. Aufbau S. 11 f.)
Verkehrswege. Die natürliche Schranke zwischen N. und S. in unserem Vater-
land bildet nicht die Mainlinie, wie oftmals behauptet worden ist, sondern die lange
Folge von Mittelgebirgen. Aber diese Schranken hat die Natur selbst wieder teil-
weise ausgehoben durch Täler und Einsenknngen (das Rheintal zwischen Bingen und
Bonn, die Hessische Senke und das Wesertal, das Vogtland zwischen Frankenwald
und Erzgebirge und die verschiedenen Sudetentore s. S. 17). Da sich auch in
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Das Deutsche Reich.
57
1. In Westfalen liegt Minden an der Weser, nahe der Westfälischen Pforte,
durch welche die Straße von Bremen nach Köln (jetzt die Köln-Mindener- Eisen-
bahn) führt. Bielefeld, in einer Lücke des Teutoburger Waldes gelegen, ist der
Hauptsitz der westfälischen Leinenindustrie.
2. In der Provinz Hannover liegen die Universitätsstadt Göttingen an
der Leine und das altertümliche Hildesheim an der Innerste, einem Nebenflusse der
Leine; ferner am Nordwestende der Weserkette Osnabrück; Kohlen- und Eisenerz-
lager in dessen Nachbarschaft haben die Stadt nunmehr zu einem Hauptmittelpunkt
der Eisenindustrie im nordwestlichen Deutschland gemacht.
Die Kleinstaaten im Weserberglande sind:
1. das Fürstentum Waldeck mit der Hauptstadt Arolsen;
2. das Fürstentum Lippe mit der Hauptstadt Detmold. Unweit davon
erhebt sich auf dem Teutoburger Wald das riesige Hermanns-Denkmal, zur Erinne-
rnng an den. Sieg des Cheruskerfürsten Arminius über die Römer (i. I. 9 n. Chr.)
errichtet. — Östlich von Lippe ist der vielbesuchte Badeort Pyrmont, eine waldecksche
Exklave;
3. das Fürstentum Schaumburg-Lippe mit Bückeburg.
4. Endlich hat auch das Herzogtum Brauuschweig hieran Anteil.
Das Weserbergland ist politisch sehr zersplittert.
Thüringen und Harz.
1. Thüringen. Die beiden Teile Thüringens sind der Thüringer Wald
und die Thüringer Hochfläche.
Der Thüringerwald. Seine südöstliche Hälfte, der Frankenwald,
ist ein breites Schieferplateau wie das Rheinische Schiesergebirge und zieht vom
Fichtelgebirge bis zur Werraquelle. Die nordwestliche Hälfte dagegen, der
eigentliche Thüringer Wald, verschmälert sich kettenartig und erreicht im
Jnselsberg 900 m, im Beerberg 1000 m Höhe. Der Thüringer Wald ist
hiernach ein langgestrecktes, dichtbewaldetes Gebirge, das aus zwei sehr verschieden-
artigen Teilen besteht.
Landschaft. Das Gebirge weist einen anmutigen Wechsel von wiesen-
grüueu Tälern und dichtbewaldeten Höhen auf. Zum Kamme hinauf führen
allenthalben wohlgepslegte Wege und Straßen, auf dem Kamrye selbst zieht der
Rennsteig hin mit reizvollen Ausblicken nach Franken und Thüringen. Die
landschaftliche Schönheit des Thüringer Waldes wird daher mit Recht viel ge-
priesen.
Boden und Erwerb. Die Bewohner leben teils von Wald- und Holz-
arbeit, teils von der Gewinnung und Verarbeitung der Bodenschätze des Gebirges.
Sie betreiben vielfach Glas-und Porzellanfabrikation, Suhl hat eine Gewehrfabrik;
der Frankenwald ist das Land der Schiefertafelmacher, Sonneberg erzeugt Spiel-
waren. Gar mancherlei Beschäftigung bietet also der Thüringer Wald seinen
Bewohnern.
Die Thüringer Hochfläche liegt zwischen Thüringer Wald und Harz.
Sie ist ein flachwelliges, von einzelnen steileren Rücken durchzogenes Land und senkt
sich ziemlich tief nach Osten hin (Jena 150 m), weshalb ihr Hauptfluß, die Uuftrut,
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Das Deutsche Reich.
59
zur Saale geht. Nur ein kleiner Teil des Gebietes im Westen entwässter zur Leine,
einem Nebenflüsse der Aller. Reiche Bewässerung, fruchtbarer Boden und in den
tieferen Teilen mildes Klima machen Thüringens Hochfläche zu eiuemgesegn eten
Land des Ackerbaues. Seine Kornkammer ist die „Goldene Aue", an deren süd-
lichem Saum der Kysshäuser mit dem Kaiser Wilhelmsdenkmal aufragt.
Gewerbe der Hochfläche. Zur Ernährung der dichtwohneudcu Be-
völkeruug reicht der Ackerbau nicht aus; daher hat sich in den zahlreichen thürin-
gischen Städten auch noch eine mannigfache Industrie entfaltet. Gotha erzeugt
vortreffliche Landkarten, Apolda hat Strumpfwirkereien, Jena verfertigt optische
Instrumente. (Vgl. unten: Siedelungen.)
2. Der Harz. Er hält dieselbe Richtung ein wie der Thüringer Wald, über-
ragt diesen nur um rund 100 m (Brocken 1100 m), trägt das gleiche prächtige
Waldkleid und birgt wie jener wertvolle Mineralschätze in seinem Schöße. In
seiner Hauptmasse besteht er aus Schiesergesteiu, das ^ von Granit durchbrochen
wird. Harz und Thüringer Wald haben also große Ähnlichkeit; doch bildet der
Harz ein länglich rundes Massengebirge.*)
Waldwirtschaft, noch mehr aber Bergbau auf Silber, Kupfer, Blei und
Eisen sind von alters her die Hauptbeschäftigung der Harzers) Von den sieben
Bergstädten des Harzes ist Klausthal die bedeutendste.
Politische Einteilung und Siedelungen. Den größten Anteil an den
thüringischen Landen hat
1. das Königreich Preußen mit der Provinz Sachsen. Im Herzen Thüringens
Erfurt, 110000 Eimv., die größte Stadt Thüringens, mit berühmten Handels-
gärtuereien. In der „Goldenen Aue" Nord hausen, bekannt durch seinen Korn-
branntwein. An der Saale Naumburg, Merseburg und Halle, dieses Uni-
versitätsstadt mit 180000 Einw.; in der Nähe Salz- und Braunkohlenlager.
Die übrigen thüringischen Staaten sind folgende:
2. und 3. die beiden Fürstentümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarz-
bürg - Sondershausen mit den Residenzstädten Rudolstadt an der Saale und
S onders h ausen, südöstlich von Nordhausen;
4. das Großherzogtum Sachsen-Weimar. Hauptstadt Weimar; Jena an der
Saale; am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes Eisenach mit der Wartburg;
5. das Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha. Hauptstadt Gotho; südlich des
Thüringer Waldes Kobnrg mit Schloß;
6. das Herzogtum Sachsen-Meiningen. Auf der Südseite des Thüringer
Waldes M e i n i n g e n an der Werra, Hauptstadt.
Am Harz haben drei Staaten Anteil: das Königreich Preußen und die
Herzogtümer Braunschweig und Anhalt.
Die Thüringischen Lande sind politisch am meisten zersplittert.
*) Gebirge, deren Erhebungen eine mehr kreisförmige oder gar keine bestimmte An-
ordnung ei kennen lassen, nennt man Massengebirge. Die Massengebirge bilden den
Gegensatz zu den langgestreckten Kettengebirgen,
a) Daraufhin zielt des Harzers Spruch: „Es grüne blt Tanne, es wachse das Erz,
Gott gebe uns allen ein fröhliches Herz!"
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Das Deutsche Reich.
69
Das Land am Fuße der Gebirge zeichnet sich wie das Marschland durch
hohe Fruchtbarkeit aus, so
1. die kölnische Tieflandsbucht mit den Städten Bonn, Köln und
Düsseldorf;
2. die westfälische Tieflandsbucht oder das Münsterland mit ihrer
fast ausschließlich Landwirtschaft treibenden Bevölkerung; der Hauptort ist Münster;
endlich
3. das Fruchtland von Hannover bis zur Leipziger Bucht, also
hauptsächlich Braunschweig und die Provinz Sachsen, wo der Zuckerrüben-
und Gemüsebau eine außerordentliche Ausdehnung gewonnen und große Wohl-
habenheit erzeugt hat.
Das Westdeutsche Tiefland ist von sehr verschieden-
artiger Bodcnbeschasfenheit und im ganzen ein Ge-
biet der Landwirtschaft.
Die Bevölkerung ist der Abstammung nach rein deutsch: in der kölnischen
Bucht fränkisch, in den übrigen Gebieten niedersächsisch.
Politische Einteilung und Siedelnngen. Zum Westdeutschen Tief-
lande gehören die folgenden preußischen Provinzen und deutschen Staaten:
1. der nördliche Teil der Rheinprovinz. Hier Köln am Rhein, über 1/2 Mill. E.,
in der Mitte der fruchtbaren und dichtbevölkerten Tieflandsbucht und am Kreuzungs-
punkte der Weltverkehrslinien Berlin — Paris und London — Genua. Es ist heute
der wichtigste Handelsplatz im Westen Deutschlands und ein Waffenplatz ersten Ranges.
Weltbekannt sind der Kölner Dom, eines der höchsten Bauwerke der Erde (156 m),
und das Kölnischwasser. Deutz und Mülheim sind wirtschaftlich mit Köln ver-
buuden. Düsseldorf, 360000 Einw., ist der Rheinhafen der indnstriereichen
Wnpperstädte und Sitz einer berühmten Malerakademie. Duisburg (Düsburg)
hat den größten deutscheu Rheinhafen und ist der Verschissnngsplatz der westfälischen
Kohle; 230000 Einw; in der Nahe Hamborn mit bedeutender Industrie, 100000
Einw. Links vom Rhein Krefeld, 130000 Eimv., Mittelpunkt der deutschen Samt-
und Seidenindnstrie;
2. die Provinz Westfalen, zwischen Niederrhein und Weser; Münster,
im Mittelpunkt der gleichnamigen fruchtbaren Bucht, ist Sitz einer Universität, Hamm
hat große Eisengießereien, Paderborn, eine altertümliche Stadt, ist Bischofssitz;
3. die Provinz Hannover zu beiden Seiten der Weser. An der Aller
Celle und Verden; an der Leine Hannover, 300000 Einw., früher eine stille
Residenzstadt, jetzt Sitz blühender Großindustrie; auch Knotenpunkt wichtiger Bahn-
linien (Köln—berlin). In der Lüneburger Heide Lüneburg. Im Emsgebiet:
Osnabrück und Emden. Am Jadebusen der Kriegshafen Wilhelmshaven.
Die Provinz Hannover umschließt zwei Kleinstaaten:
1. das Groftherzogtum Oldenburg
mit der Hauptstadt Oldenburg an der Hunte, einem Nebenfluß der Weser;
2. das Herzogtum Vraunschweig
mit der Hauptstadt gleichen Namens an der Oker, 145000einw.; flußaufwärts Wolfen-
büttel mit großer Bibliothek;
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Das Deutsche Reich. 71
Erst nach der Errichtung des Deutschen Reiches traten in Deutsch-
land Kolonialbestrebungen wieder kräftiger hervor. Der Handel nahm jetzt einen
ungeahnten Aufschwung und man fühlte nun stärker als je den Mangel eigener
Kolonien. Da entschloß sich denn die Reichsregierung zu tatkräftigem Vorgehen, und
die Erwerbung und Besitznahme der deutschen Kolonien geschah jetzt in rascher Folge.
Im Juli 1884 ward die deutsche Flagge zuerst an der südwestafrikanischen Küste
gehißt, dann in Togo und Kamerun, ferner im Februar 1885 der kaiserliche Schutz-
dries an die deutfchostafrikanische Gesellschaft erteilt. Des weiteren traten dann die
Besitzungen in der Südsee und das Pachtgebiet von Kiautschou hinzu.
Notwendigkeit von Kolonien für das Deutsche Reich. Die Hauptgründe
hierfür sind folgende:
Deutschland benötigt für seine stark anwachsende Bevölkerung — beträgt doch
gegenwärtig der jährliche Zuwachs mehr als 800000 Seelen — Siedelungs-
kolonien. Bis in die jüngste Zeit suchten sämtliche deutschen Auswanderer fremde
Gebiete auf, vor allem die Ver.-Staaten von Amerika (1821—1906 über 5 Mill.).
Infolgedessen gingen sie nicht nur unserem Volkstum verloren, auch ihre Arbeitskraft
kani fremden Völkern zugute und größtenteils sogar unseren wirtschaftlichen Gegnern.
Allerdings eignen sich die deutschen Schutzgebiete nur in beschränktem Maße als Aus-
Wanderungsgebiete für unsere Landsleute; immerhin beträgt das gesamte Siede-
lungsgebiet der deutschen Kolonien an 70 Mill. ha, ist also um ein
reichliches Viertel größer als das deutsche Mutterland und macht 1u des deutschen
Kolonialreiches aus *).
Deutschland hat jährlich für tropische Rohstoffe, deren es für seine
Industrie bedarf, so für Baumwolle, Kautschuk, Hanf, Ölprodukte, Häute, Elfenbein usw.,
ebenso für tropische Genußmittel, wie Kaffee, Tee, Kakao, ganz gewaltige Summen
aufzuwenden (zu Anfang unseres Jahrhunderts bereits rund 1 Milliarde Mark) und
dieser bedeutende Aufwand für die genannten Produkte fließt bisher zum allergrößten
Teile in fremdländische Kolonien. Dagegen ermöglicht der Besitz eigener Kolonien
unserem Vaterlande, einen größeren Teil seines Bedarfs an tropischen Rohstoffen und
Genußmitteln selbst zu decken und sich dadurch von der Einfuhr aus fremden Kolonien
bis zu einem gewissen Grade unabhängig zu machen. Anfänge hierzu, wenn auch
vorerst nur bescheidene, sind in Bezug auf Baumwolle, Kakao, Kautschuk usw. bereits
gemacht^).
Unsere hochentwickelte Industrie bedarf sicherer Absatzmärkte, da sie
weit über den Bedarf des Heimatlandes Erzeugnisse liefert (Ausfuhr der Fabrikate 1906:
über 4 Milliarden Mark). Diese Sicherung des Absatzes erscheint um so dringlicher,
als die meisten Großstaaten (Rußland, Frankreich, Amerika) durch hohe Schutzzölle sich
abschließen. Selbst in Großbritannien, das noch den Grundsatz des Freihandels hoch-
hält, besteht schon eine starke Strömung, das ganze britische Reich zu einem Zollbund
zu vereinigen und die Einfuhr andern Ländern zu erschweren. So nötigt uns auch
') Nach Staatssekretär von Dernburg sind sogar zweimal die Flächen Deutschlands
in unseren Kolonien Ansiedelungsgebiete.
Volkswirtschaftlich w ichtigeroh st offeundprodukte. Das Deutsche
Reich bezog i. I. 1906 vom Auslande:
Baumwolle..........für 480 Vz Mill.mk. j für 0,6 Mill.mk.
Sisal- und Sansevierenhcmf . ... „ 172 3/4 „ „ davon „ 1,35 „ „
Kautschuk und Guttapercha . ... „ 153 V«, „ „ aus den „ 7,0 „ „
Ölprodukte..........„ 214 V« „ „ deutschen „ 7,25 „ „
Tropische Nahrungs- und Genußmittel „ 433 „ „ Kolonien „ 1,7 „ „
Kupfer............ 235-/4 " „ ?
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TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau]]
Extrahierte Personennamen: Dernburg
Extrahierte Ortsnamen: Deutsch- Togo Kamerun Südsee Deutsche_Reich Deutschland Amerika Deutschland Frankreich Amerika Deutschlands
Italien. 11
volkreichste Stadt Italiens und, abgesehen von den Naturreizen der umgebenden
Landschaft, auch wegen des überaus lebhaften Treibens der Bevölkerung viel
besucht. Desgleichen ragt es als Handels- und Jndustrieplatz unter den
italienischen Städten hervor. — Die Landschaft Apulien ist reich an Getreide.
Wein u. dgl. Die wirtschaftlichen Verhältnisse Unteritaliens sind jedoch infolge
des vorherrschenden Großgrundbesitzes wenig befriedigend.
Die Insel Sizilien. In einer früheren erdgeschichtlichen Periode mit Italien
zusammenhängend, wird sie in ihrem nördlichen Teile von der Fortsetzung der
Apenninen durchzogen. An der Ostseite erhebt sich völlig isoliert der Riesenkegel
des Ätna, 3300 m. Die innere Hochfläche ist infolge der Abholzung kahl,
dagegen sind die Küstenländer, besonders an der Nordseite der Insel, gut an-
gebaut. Die Hauptprodukte bestehen in Weizen — schon im Altertum war
Sizilien die Kornkammer Italiens — und Baumfrüchten. Unweit der Südküste
finden sich die großen Schwefellager. Die wichtigsten Siedelungen liegen an der
Nordküste: Messina, 1908 durch ein Erdbeben großenteils zerstört, und
Palermo (300000 Einw.), in ausgezeichneter Fruchtebene, die von den Italienern
als conca d'oro (goldene Muschel) bezeichnet wird. An der Ostküste ist der
Hauptort Catania (100000 Einw.), ferner liegt hier Siracusa, im Altertum
die bedeutendste griechische Kolonie und eine der volkreichsten Städte.^
Italienische Auswanderung. Die Erwerbsquellen des Landes reichen nicht hin,
die außerordentlich stark zunehmende Bevölkerung genügend zu ernähren. Ein großer
Teil der Bewohner sieht sich daher genötigt, die Heimat
zeitweise oder dauernd zu verlassen. 1907 hat die Zahl
der Auswanderer 700000 erreicht, so daß Italien unter
allen Staaten Europas, die Auswanderer entsenden, weit-
aus an erster Stelle steht. Die zeitweiligen Auswanderer
liegeben sich nach den Nachbarstaaten: Frankreich, der Schweiz,
Deutschland und Osterreich, um sich hier als Erdarbeiter,
Maurer usw. zu verdingen. Sie kehren vor Eintritt des
Winters nach Italien zurück. Die dauernd Auswandern-
den (1907: 416000) wenden sich hauptsächlich nach drei
Gebieten: den Vereinigten Staaten von Amerika, Süd-
amerika (Südbrasilien und Argentinien) und Nordafrika.
Am stärksten haben unter diesem Menschenverlust Venetien
und die südlichen Provinzen zu leiben; es sind dies die
Gebiete des Großgrundbesitzes.
Wirtschaftliche Stellung Italiens. Italien hat in den letzten Jahrzenten
in wirtschaftlicher Hinsicht sehr anerkennenswerte Fortschritte gemacht. Die Haupt-
Ursachen hievon sind: die Herstellung der Alpenbahnen (Mont Cenis, Simplon,
St< Gotthard, Brenner, Semmering), die Eröffnung des Suezkanals und die
staatliche Einigung. Im Vergleich zu den nördlicher gelegenen Ländern Europas
hat Italien freilich in Handel und Industrie nur die Stellung einer Macht
zweiten Ranges, hauptsächlich infolge seines Mangels an Kohle und Eisen.
Die wichtigsten Gegenstände der Ausfuhr sind: Wein, Rohseide,
Olivenöl und Südfrüchte. Mineralien, Strohgeflechte, Seide und die
Fischer-Geist deck. Erdk, f. Höh, Mädchenschulen. V. Seil. 2
700000
600000
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Italienische Auswanderung
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Extrahierte Personennamen: Gotthard
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italiens Apulien Sizilien Italien Altertum Sizilien Italiens Messina Palermo Catania Siracusa Italien Europas Frankreich Deutschland Osterreich Italien Amerika amerika Argentinien Nordafrika Venetien Italiens Italien Europas Italien
38 Europa.
Bevölkerung. Von den 106 Mill. Einw, Rußlands sind ungefähr 84 Mill.
Russen (und zwar 56 Mill. Großrussen um Moskau, die eigentlichen Moskowiter,
22 Mill. Kleinrussen um das ältere Kiew, und fast 6 Mill. Weißrusseu im
Westen, ehemals unter litauischer Oberhoheit), somit rund 80 °/0 der ganzen
Bevölkerung - nur 20% gehören anderen Nationen an. Das russische Reich ist
hiernach zwar kein national einheitlicher Staat, aber gegenüber der ungeheuren
Masse des russischen Volkes verschwinden die übrigen Bevölkerungselemente fast
gänzlich. Diese umfassen Poleu, Litauer, dann Deutsche (an 2 Mill.), Rumänen
und Griechen, ferner mongolische Stämme (Finnen im Norden), türkische Stämme
(Tataren, Kirgisen, Kalmücken, Baschkiren) im O. und So. — Zwischen den
oberen Klassen und der Masse des Volkes bestehen große Unterschiede in Bezug
auf Besitz und Bildung.
Nach ihrem Bekenntnis sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechi-
schen, nichtuuierten, orthodoxen Kirche.
Rußlands Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung
in dem Reichtum des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in
dieser Beziehung der Ackerbau, der in günstigen Jahren 1/3 alles europäischen
Getreides liefert und im Gebiete der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen
trotz der schlechten Bewirtschaftung außerordentlich ergiebige Ernten abwirft.
Ein Hauptgetreidelaud sind auch die sechs Ostseeproviuzen. Rußland gilt daher
als der erste Ackerbaustaat Europas. In Westrußland ist auch die Flachs-,
Rüben- und Kartoffelerzeugung sehr bedeutend. Wein liefert Rußland
nur im Süden, besonders auf der Halbinsel Krim. Im Norden des Reiches
erstrecken sich ausgedehnte Wälder, wie denn Rußland neben Schweden das
waldreichste Land Europas ist. Die Bewirtschaftung der Forsten steht freilich
noch auf niederer Stufe. — Die Viehzucht hat ihren Hauptsitz in den
Steppen des Ostens und Südostens. Die Rinderzucht wird besonders in den
Ostseeprovinzen mit Sorgfalt betrieben. Große Erträge wirft auch die Geflügel-
zu cht ab. Die Ausfuhr von Eiern steht unter den Exportartikeln mit in
vorderster Reihe (1906: 120 Mill. Mark). Sehr ertragreich ist ferner die
Fischerei, besonders in der Wolga und im Kaspischen Meer. Endlich liefert
Nordrußland reichliches Pelzwerk.
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt
Rußland in Europa eine wichtige Stelle ein. Es produziert unter allen Staaten
Europas das meiste Gold und allein in unserem Erdteil Platin. Aber
auch die Haupthebel der modernen Industrie, Eisen und Kohle, fehlen dem
Reiche nicht.
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Wollen-, Leder- und
Hüttenindustrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Haupt-
industriezeutreu sind infolge der hier auftretenden Kohlenlager Lodz, das polnische
Manchester (350000 Einw., darunter viele Deutsche), der Don-Donezbezirk
(mit Hüttenindustrie), ferner Tula mit bedeutender Eisen- und Stahlindustrie und
Moskau, Hauptsitz der russischen Baumwollindustrie. Auch Warschau, die
alte Hauptstadt Polens und drittgrößte Stadt Rußlands (760000 Einw.), ist Sitz
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Extrahierte Personennamen: Rußlands
Extrahierte Ortsnamen: Europa Moskau Kiew Europas Westrußland Europas Kaspischen_Meer Europa Europas Lodz Don-Donezbezirk Moskau Warschau Polens
Rußland. 39
einer lebhaften Wölb, Seiden-, Zucker- und Maschinenindustrie. Hauptorte der
Lederfabrikation (Juchten und Saffian) sind Moskau, Kasan und Kiew.
Verkehr. Das weite, fast ununterbrochene Tiefland begünstigt die Entwick-
lung riesiger und vortrefflicher Wasserstraßen und die Anlage künstlicher Verkehrs-
Wege, besonders von Kanälen und Eisenbahnen. Die Wolga wird fast in ihrem
ganzen Laufe von Dampfschiffen befahren, desgleichen der Dnjepr. Die Strom-
systeme der Newa, Wolga und Dwina sind durch Kanäle miteinander ver-
bunden und eben darauf beruht die Bedeutung St. Petersburgs, das ebenso-
wohl mit der Nordrussischen Tiefebene als mit dem oberen Wolgagebiet, dem
Hauptproduktionsbezirk Rußlands, in Verbindung steht. Moskau wieder ist der
Mittelpunkt eines weitverzweigten Schienennetzes. Infolge dieses Reichtums an
Verkehrsmitteln werden die so weit voneinander entfernten Landesteile einander
näher gerückt und hebt sich auch der Handel Rußlands immer mehr, namentlich
mit den westeuropäischen Staaten und im besonderen mit Deutschland.
Die Bedeutung der russischen Flüsse als Verkehrsadern wird freilich auch
durch verschiedene Umstände stark beeinträchtigt. Alle ergießen sich nur in Neben-
meere, der größte sogar in einen Binnensee; dazu sind das Nördliche Eismeer
und das Weiße Meer infolge ihrer Eisbedeckung nur wenige Monate für den
Verkehr offen. Auch die Flüsse selbst sind monatelang durch Eis verschlossen
und im So. wird die Schiffahrt durch die Dürre des Sommers erschwert.
Der Handel Rußlands läßt sich also kennzeichnen: Nach Westeuropa
führt es Getreide, Flachs, Hanf und Erzeugnisse der Viehzucht aus, dagegen führt
es von da feinere Industriewaren, eine Unzahl von Rohstoffen und Halbfabrikaten
sowie von Kolonialwaren ein; nach Asien versendet es die Erzeugnisse seiner
Industrie und bezieht dafür Rohstoffe (Baumwolle) und einige Genußartikel, wie
namentlich den Tee.
Siedelungen. Die Bedeutung der Städte in Rußland ist viel geringer
als in Westeuropa. Ihr Aussehen zeigt gewisse landschaftliche Unterschiede.
Die westlichen Städte verraten mehr westeuropäischen Charakter, die Städte des
östlichen Rußland dagegen bestehen noch heute vielfach aus niedrigen mit Holz
erbauten Häuferu.
Die politische Haupstadt und zugleich die größte Stadt des Reiches (1% Mill.
Einw.) ist St. Petersburg an der Mündung der Newa und damit am natür-
lichen Eingangstor Groß-Rußlands. Der eigentliche Hafen von Petersburg ist
Kronstadt. — Die Krönungsstadt und noch heute die eigentliche nationale
Hauptstadt, an der das Herz des Ruffen hängt, ist Moskau (über 1 Mill.
Einw.), zugleich der wichtigste Verkehrsmittelpunkt und die größte Handelsstadt
des Binnenlandes, auch Mittelpunkt des zentralrussischen Industriegebietes. Zu
den alten Hauptstädten Rußlands zählt ferner Kiew am mittleren Dnjepr; es
vereinigt nationale Eigenart mit moderner Kultur, 320000 Einw. — Nach
St. Petersburg und Moskau sind im eigentlichen Rußland die beiden größten
Städte die Seehandelsplätze Riga mit fast 300000 Einw. und Odessa mit
450000 Einw. Riga ist der Bauweise und der herrschenden Bevölkerung nach
eine deutsche Stadt, Odessa eine elegante moderne Stadt mit stark gemischter
Bevölkerung; außer Deutschen und Juden wohnen hier auch viele Italiener und
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