Anfrage in Hauptansicht öffnen

Änliche Dokumente zu folgendem Trefferdokument

Basierend auf den Feldern Volltext

Sortiert nach: Ähnlichkeit zu Dokument

1. Alte Geschichte - S. 53

1879 - Dillenburg : Seel
— 53 — am meisten fühlbar. Dort war aller Wohlstand vernichtet, Handel und Gewerbe lagen darnieder. Jeder dachte nur an sich, nicht an die Wohlfahrt des Staates; alle edleren Regungen waren durch Selbstsucht erstickt; selbst die Religion hatte ihren Einfluß verloren. Neben hoher Bildung fand man Rohheit und Unsittlichkeit. Zur Herbeiführung und raschen Verbreitung dieser Sittenverderbnis hatten hauptsächlich die Sophisten beigetragen, welche durch Redekünste, durch Trugschlüsse und Spitzfindigkeiten die Wahrheit in Irrthum und die Lüge in Wahrheit verkehrten. Sie lockten reiche Jünglinge an sich, prägten diesen ihre falschen Lehren ein und trugen auf diese Weise ihre Sinnesgenuß und Befriedigung der Begierden predigende Weisheit ins Volk. Zu diesen Sophisten gehörten besonders Gorgias, Protagöras und Hippias. b. Sokrates. Den Sophisten und ihren Lehren gegenüber 469 stand ein Mann, „der die Verirrungen seiner Zeit erkannte, der die Hs geistigen Büttel besaß, die Irrthümer zu bekämpfen und der seines 399 Berufes, zu retten und zu helfen, so gewiß war, daß er bnfür Css;r* zu leben und zu sterben bereit war."*) Dieser Mann war So-kr ates. Er war der Sohn eines Bildhauers und erlernte in feiner Jugend auch die Bildhauerei. Von feinem dreißigsten Jahre an wandte er sich dem Studium der Philosophie zu. Die tiefen Schäden feiner Zeit erkennend, arbeitete er zunächst an seiner eigenen Besserung und Veredlung. Er befleißigte sich der größten Mäßigkeit in Nahrung und Kleidung, härtete durch einfache Lebensweise feinen Körper derart ab, daß er alle Anstrengungen mit Leichtigkeit ertragen konnte; gegen sich selbst war er sehr strenge und aufmerksam, daß er in keine Rohheit und Ungehörigfeit gegen seine Mitmenschen verfiel. Auch er zog Jünglinge an sich und suchte in ihnen das Gefühl für Religion, Wahrheit, Recht und Sittlichfeit zu wecken. Von diesen Schülern erfuhr er die größte Siebe; einer derselben, Alcibiades, rettete ihm in einer Schlacht unter eigener größter Gefahr das Leben. Er lehrte feine Weisheit nicht in öffentlichen Vorträgen, sondern durch Fragen und Antworten auf der Straße, auf dem Felde oder in den Werkstätten der Handwerker. Mit geschickten Fragen fnüpfte er an ein gehörtes Wort, an eine soeben ausgesprochene Meinung an und leitete so den Gefragten direkt zur richtigen Erfenntnis, oder er beließ denselben auf feiner falschen .Ansicht, leitete ihn aber durch Fragen *) Weber.

Ähnliche Ergebnisse

Ähnliche Dokumente basierend auf den Feldern Volltext

1. Bd. 1 - S. 199

1883 - Leipzig : Engelmann
§. 113. Die griechische Welt. 199 nähme der poetischen und idealen Bestrebungen, Erschöpfung der Hoffnungen. Das Leben ward fortgeführt wie eine Pflicht; man lebte dahin ohne Freude, chne Aussicht auf ein heiteres, schönes Dasein, auf Erfüllung von Träumen und Gedanken. 4. Prosa-Literatur der Griechen. a) Philosophie. Sokrates. Platon. Aristoteles. §. 113. Sokrates und die Sophisten. Durch den pelopomtesischen Krieg wurde nicht nur der äußere Glücksstand der Griechen und die Blüthe der Staaten im Innersten geknickt, es arteten auch die Sitten aus. Habgier und Selbstsucht erstickten die edleren Empfindungen; Weltklugheit und Lebensgenuß wurden als die höchsten Güter angesehen, und an die Stelle der Religion und des sittlichen Gefühls trat eine auf Lug und Trug gegründete Philosophie. Unter feiner Bildung war oft ein hartes und grausames Herz versteckt und der geistreiche Witz, den man „attisches Salz" nannte, schützte nicht gegen Rohheit des Gemüths und gegen moralische Entartung. Dieses Sittenverderbniß wurde besonders durch die Sophisten herbeigeführt, die eine auf Spitzfindigkeiten und Trugschlüssen beruhende Schein-Weisheit zu Markte trugen, eine allgemein gültige Wahrheit und eine feste Erkenntniß der in ewigem Fluß sich bewegenden Dinge leugneten und sich anheischig machten, durch Redekünste und Disputirkniffe Lüge als Wahrheit hinzustellen und Wahrheit in Irrthum zu verkehren. Die Sophisten, besonbers Gorgias,Protagoras,Hippias u. A. lockten reiche Jünglinge an sich und brachten ihnen gegen große Belohnungen bte Afterweisheit bei, durch bte der Staat dem Ruin entgegen ging/oer Volksglaube durch Freigeisterei entkräftet und das häusliche und öffentliche Leben im innersten Kerne vergiftet ward. Sie stellten ihre auf ausgeklügelten Sprachregeln ausgebaute Redekunst als Königin der Wissenschaften hin , suchten durch kunstreiche Dialektik nicht die Wahrheit, sondern den Schein derselben und lehrten eine frech verneinende Lebensphilosophie, welche Sinnengenuß und Befriedigung der Begierden an die Stelle des Heiligen setzte. Der Mensch, behauptete Pro-tagoras, sei das Maß aller Dinge. „Um diese tiefen sittlichen Schäden zu heilen, bedurfte es eines Mannes von prophetischer Art, welcher die Verirrungen der Zeit klar erkannte, aber selbst über seiner Zeit stand, der die geistigen Mittel besaß, die Irrthümer zu bekämpfen, und der endlich seines Berufes zu retten und zu helfen so gewiß war, daß er ohne Selbstsucht dafür zu leben und zu sterben bereit war." Einen solchen Mann hatten die Athener m ihrer Mitte. Es war ihr Mitbürger Sokrates, der Sohn des Bildhauers Sophro- eotmtts mskos. Dieser entlarvte die sophistischen Marktschreier und weckte das Gefühl für Religion, Sittlichkeit und Recht in der Brust seiner Jünger. Nicht in kunstreichen Vorträgen vom Katheder herab, sondern durch Fragen und Antworten auf offener Straße, in der freien Natur oder in den Werkstätten der Handwerker lehrte Sokratesseine Lebensweisheit, deren Ztel war: „Erkenne dich selbst". Vor seinem hellen Verstände, vor seinem einfachen, rechtschaffenen Leben und vor seiner sittlichen Würde verstummten die Sophisten, und die reichsten und talentvollsten Jünglinge, wie Alkibiades, Kritias n. A., schlossen sich dem sonderbaren Manne an, der häßlich und arm, doch in stolzer Haltung durch das Leben ging und in seiner Bedürfnißlosigkeit sich den Reichsten gleich achtete. Seine Bildung, seine treue Erfüllung aller Bürgerpflichten sowohl im Kriege, als in der Stadt, seine erhabene Lehre, daß nur die reine Seele auch die reine Wahrheit erfasse, daß Sittlichkeit der einzige Weg zum wahren Glück sei, und daß der Natur des Menschen alle Tugend und Erkenntlich angeboren sei und nur eines „Weckers" bedürfe, das Alles gewann ihm die Herzen der begeisterungsfähigen Jugenb. Alkibiades hing ihm mit kindlicher Liebe an; zu Hause wie im Felde waren sie unzertrennliche Genossen, und wenn jener dem Sokrates bei Potidäa sein Leben verdankte, so rettete Alkibiades bei Delion das des Lehrers mit Gefahr seines eigenen. Aber Sokrates hatte sich auch durch feine Kreuz- und Querfragen voll Ironie viele Feinde

2. Bd. 1 - S. 155

1854 - Leipzig : Engelmann
Die griechische Welt. 155 des sittlichen Gefühls trat eine auf Lug und Trug gegründete Philosophie. Unter feiner Bildung war oft ein hartes und grausames Herz versteckt und der geistreiche Witz, den man „attisches Salz" nannte, schützte nicht gegen Rohheit des Ge- müths und gegen moralische Entartung. Dieses Sittenverderbniß wurde beson- ders durch die Sophisten herbeigeführt, die eine auf Spitzfindigkeiten und Trugschlüssen beruhende Schein-Weisheit zu Markte trugen, eine allgemein gül- tige Wahrheit leugneten und sich anheischig machten, durch Redekünste und Dis- putirkniffe Lüge als Wahrheit hinzustellen und Wahrheit in Jrrlhum zu verkehren. Diese Sophisten, besonders Gorgias, Protagoras, Hippias u. A., lock- ten reiche Jünglinge an sich und brachten ihnen gegen große Belohnungen die Afterweisheit bei, durch die der Staat dem Ruin entgegen ging und „das häusliche und öffentliche Leben im innersten Kerne vergiftet ward." Da trat Sokrates, geb.469. ein athenischer Bürger, auf, entlarvte die sophistischen Marktschreier und weckte das Gefühl für Religion, Sittlichkeit und Recht in der Brust seiner Schüler. Nicht in kunstreichen Vortragen vom Katheder herab, sondern durch Fragen und Ant- worten auf offener Straße, in der freien Natur oder in den Werkstätten der Hand- werker lehrte Sokrates seine Lebensweisheit, deren Ziel das: „Erkenne dich selbst" war. Vor seinem hellen Verstände, vor seinem einfachen, rechtschaffenen Leben und vor seiner sittlichen Würde verstummten die Sophisten, und die reich- sten und talentvollsten Jünglinge, wie'alkibiades, Kritias u. A. schlossen sich ihm an. Seine Bildung, seine treue Erfüllung aller Bürgerpflichten sowohl im Kriege, als in der Stadt, seine erhabene Lehre, daß nur die reine Seele auch die reine Wahrheit erfasse, und daß Sittlichkeit der einzige Weg zum wahren Glücksei, gewannen ihm dieherzen der begeisterungsfähigen Jugend. Dies ärgerte die eiteln, selbstsüchtigen Sophisten, und sie reichten eine Klage wider ihn ein, daß er die Jugend verführe und falsche Götter lehre, (weil er behauptete, er folge in allen Dingen einer innern göttlichen Stimme, seinem Dämonion). In einer einfachen Vertheidigungsrede (Apologie) bewies Sokrates vor den Volksrich- tern (Heliasten) die Falschheit der Anklage. Aber statt, wie gewöhnlich geschah, mit Flehen und Wehklagen seine Lossprechung zu erbitten, schloß er seine Recht- fertigungsrede mit der Versicherung, daß er verdient habe, an den öffentlichen Mahlzeiten im P ry tan ci on (wo die Prytanen (§.’70.), die olympischen Sieger und andere verdiente Männer auf Staatskosten erhalten wurden) Theil zu neh- men. Dies verdroß die Richter, und Sokrates wurde mit einer kleinen Stimmen- mehrheit zum Tode verurtheilt. Vergebens bemühten sich einige seiner Freunde (besonders der reiche Bürger Kriton) ihn zur Flucht zu bereden. — Sokrates verwarf einen solchen Vorschlag, der seine Lehren Lügen strafen und sein ganzes Leben schänden würde, und unter erhebenden besprächen über die Unsterblichkeit der Seele (Platonsphädon) trank ec den Giftbecher und starb mit der Heiterkeit 399. und Seelenruhe eines Weisen. Er selbst hat nichts Schriftliches hinterlaffen; aber sein Jünger Platon legte seine in Gesprächsform (Dialoge) gekleidete Lehre dem Sokrates in den Mund. h. 98. Platon. Unter Sokrates' zahlreichen Schülern haben Platon und Tenöphon („Denkwürdigkeiten des Sokrates") seine Lehren am treuesten bewahrt, während Ar istipp os von Kyrene, Antisthönes von Athen u. A. sie durch Folgerungen und Schlüffe entstellten. Der poesiereiche Platon, den man sowohl wegen seiner hohen Ideen, als wegen seiner vollendeten Kunst der Dar- stellung in feiner dialogischer Form den göttlichen nannte, wurde der Stifter einer Philosophenschule, die den Namen Akademie führte. Nach seiner Lehre, die zuerst eine „Versöhnung des Zwiespalts zwischen Natur und Geist, zwischen

3. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 57

1847 - Leipzig : Engelmann
57 B. Die griechische Welt. Tyrannen bekannten Oligarchen, mit dem talentvollen aber leiden- schaftlichen Critias an der Spitze, wütheten mit Mord und Ver- bannung gegen die Demokraten und brachten in Kurzem den Staat an den Rand des Untergangs, bis Thrasybülus mit den Flüchtigen und Verbannten vom Piraeus aus gegen sie zog. Critias fiel im Kampf; die übrigen geriethen durch Verrath in die Hände der Sieger, die sie tödteten, die demokrat. Verfassung in Athen wieder herstellten und durch Ertheilung einer Amnestie Ordnung und Ruhe dem ge- schwächten Staat zurückgaben. 4. Prosa-Literatur der Griechen, a) Philosophie. Sokrates. Plato. Aristoteles. §. 79. Durch den pelop. Krieg arteten die Sitten der Griechen aus. Habgier und Selbstsucht erstickten die edlcrn Empfindungen; Weltklugheit und Lebensgenuß wurden als die höchsten Güter angesehen und an die Stelle der Religion und des sittlichen Gefühls trat eine auf Lug und Trug gegründete Philosophie. Unter feiner Bildung war oft ein hartes und grausames Herz versteckt und der Witz, den man ,,attisch es Salz" nannte, schützte nicht gegen Roheit des Gemüths und gegen moralische Entartung. Dieses Sittenverderbniß wurde besonders durch die Sophisten herbeigeführt, die eine auf Spitzfindigkeiten und Trugschlüssen beruhende Weisheit zu Markte trugen und sich anheischig machten, durch Redekünste und Disputirkniffe Lüge als Wahrheit hinzustellen und Wahrheit in Irr- thum zu verkehren. Diese Sophisten, besonders Gorgias, Protagoras u. a., leckten reiche Jünglinge an sich und brachten ihnen gegen große Belohnungen diese Afterwcisheit bei, durch die der Staat dem Ruin ent- gegen ging. Da trat Sokrates ein athcn. Bürger auf, entlarvte die sophistischen Marktschreier und weckte das Gefühl für Religion, Sittlichkeit und Recht in der Brust seiner Schüler. Nicht in kunstreichen Vorträgen vom Katheder herab, sondern durch Fragen und Antworten auf offener Straße in der freien Natur oder in den Werkstätten der Handwerker lehrte Sokrates seine Lebensweisheit, deren Ziel das: ,,Erkenne dich selbst" war. Vor seinem hellen Verstände, vor seinem rechtschaffenen Le- den und vor seiner sittlichen Würde verstummten die Sophisten und die reichsten und talentvollsten Jünglinge, wie Alcibiades, Kritias u. a. schlossen sich ihm an. Dies verdroß die eitcln, selbstsüchtigen Sophisten und sie reichten eine Klage wider ihn ein, daß er die Jugend verführe und falsche Götter lehre. In einer einfachen Vcrtheidigungsrede (Apologie): bewies Sokrates vor den He liaste» die Falschheit der Anklage. Aber statt, wie gewöhnlich geschah, mit Flehen und Wehklagen seine Lossprechung zu erbitten, schloß er seine Rechtfertigungsrede mit der Versicherung, daß er verdient habe, an den öffentlichen Mahlzeiten im Prytaue um (wo die Prytanen (§. 54), die olympischen Sieger und andere verdiente Männer auf Staatskosten erhalten wurden) Theil zu nehmen. Dies verdroß die Richter,

4. Alte Geschichte - S. 83

1875 - Leipzig : Klinkhardt
— 83 — erforschen, was denn eigentlich wahr sei. Aber nein, darum war es ihnen nicht zu thun! Vielmehr strebten sie besonders darnach, durch allerlei Redekünste ihre Mitbürger irre zu führen, so daß diese das, was sie bisher für Wahrheit gehalten hatten, als Unwahrheit erklären mußten und umgekehrt und so zuletzt gar nicht mehr wußten, was denn Unwahrheit oder Wahrheit sei. Wenn den Sophisten das gelang, waren sie stolz auf ihre große Wissenschaft und meinten, etwas Rechtes ausgeführt zu haben. Sokrates war aber diesen klugen Leuten weit überlegen und wies ihnen häufig ihre Irrthümer nach. Oft legte er ihnen Fragen vor, die leicht und unbedeutend zu sein schienen, und die sie deshalb keck und sorglos beantworteten. Aus den Antworten bildete Sokrates dann neue Fragen, und schließlich wußten die Sophisten dann gar nicht mehr, was sie antworten sollten und mußten wohl gar erklären, daß sie Unrecht gehabt haben und die Behauptungen des Sokrates wahr seien. Zuweilen stellte Sokrates sich auch, als ob er sich von den Sophisten gern belehren lassen wollte, veranlaßte sie zu allerlei Behauptungen, nahm diese scheinbar als wahr an, zog Folgerungen aus denselben, die sie für richtig erklären mußten, und kam schließlich dann aus einen Satz, der unsinnig war. „Habt ihr alle Sätze für richtig erkannt," sagte er dann, „und enthält der letzte Satz einen Unsinn, so kann eure erste Behauptung doch wohl nicht wahr gewesen sein!" Wenn dann die Sophisten verdutzt da standen und nicht wußten, was sie sagen sollten, wurden sie von dem umstehenden Volke verlacht. Natürlich haßten sie Sokrates deshalb und lauerten aus eine Gelegenheit, sich an ihm zu rächen. Eine solche Gelegenheit fand sich bald. Sokrates hatte sich nämlich auch sonst viele Feinde zugezogen, weil er stets ohne Furcht die Wahrheit vertheidigte, den Irrthum bekämpfte und die Bosheit scharf tadelte. Mit diesen Feinden verbanden sich die Sophisten und klagten den edeln Mann an, daß er 1. die Götter verachte und den Glauben an Einen Gott lehre, 2. durch seine Lehren die Jngend verderbe, wie man an Alcibiades sehen könne und an Kritias, der ja sogar zu den dreißig Tyrannen gehört habe. Det 69jährige Sokrates, der fast seit 40 Jahren sich bemüht hatte, seine Mitbürger zu veredeln, und dessen ganzes Leben fleckenlos war, wurde vor Gericht geladen und aufgefordert, sich zu vertheidigen. Es war ihm leicht, nachzuweisen, wie grundlos die ganze Anklage sei, da er sich nur aus sein tugendhaftes Leben und auf seine übrigen guten Schüler zu berufen brauchte, aber man vernrtheilte ihn dennoch zum Tode, weil in feiner Rede weder Schmeicheleien für das Volk, uoch Bitten an die Richter enthalten waren. Er glaubte dergleichen nicht nöthig zu haben, weil er sich vollständig unschuldig fühlte. Als man ihn aufforderte, selbst zu bestimmen, welchen Tod er sterben wolle, da sagte er: „Ihr Athener, da ich mein ganzes Leben damit zugebracht habe, euch und eure Kinder zu veredeln, und da ich damit mich also um den Staat verdient gemacht habe, so wünsche ich bis an meinen Tod imprytanvnm unter- 6*

5. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 284

1843 - Altona : Schlüter
284 Vorhandene. Über die menschliche Seele, ihre Bestimmung und Fortdauer gelangten sie ebenfalls zu keiner Klarheit. Phi- losophie aber, d. h. Liebe zur Weisheit, wurde die Wissenschaft genannt, welche sich mit der Beantwortung solcher Fragen be- schäftigte. In Athen, der herrlichsten Stadt Griechenlands, war nun etwa 450 Jahre v. Chr. durch Handel und glücklich geführte Kriege ein außerordentlicher Reichthum, und damit auch Wohlleben und Schwelgerei herrschend geworden. Da traten denn falsche, leichtsinnige Männer auf — sie nannten sich So- phisten ! das soll heißen: Weise! und lehrten: „ Ihr sehet ja, wie die Philosophie nichts mit Bestimmtheit weiß; sie weiß nicht, ob Ein Gott sei oder viele Götter oder gar keine; sie weiß nicht, wozu der Mensch geschaffen ist, ob zur Tugend oder zum Lebensgenuß, zur Weisheit oder zur Thorheit; ob er nach diesem Leben fortleben wird oder ewig todt sein. Nur das, o Mensch, haft du gewiß, was du genossen hast. Drum laß dein Herz guter Dinge sein; lebe lustig und kümmere dich nicht um die Zukunft. Nicht der ist der Beste, der am tugendhaf- testen gelebt, sondern der, welcher das Leben am vollständigsten genossen hat." Du erschrickst billig, mein Lieber, über solche Lehren. Aber das Schlimmste dabei war noch, daß jene Sophisten dieselben mit so schönen Worten und in so schönen Wendungen vorzubrin- gen wußten, daß nur ein sehr gebildeter Geist ihnen das Falsche ihrer Lehre hätte darthun können. Ich will dir doch an einem Beispiel zeigen, wie listig und scharfsinnig sie oft ihre Sache darzustellen wußten. Ein Jüngling ging zu einem Sophisten, um von ihm Weisheit (?) und Beredtfamkeit zu lernen. Sie wurden einig, daß das Lehrgeld erst dann von dem Jünglinge zu zahlen sei, wenn er seinen ersten Proceß vor Gericht gewonnen hätte. Der Jüngling machte außerordentliche Fortschritte; aber zögerte ftets damit, eine Rechtssache vor Gericht zu führen. Der Sophist, dem am Ende doch die Geduld ausging, mahnte seinen Schü- ler an die Bezahlung der Schuld, und da dieser an die Be- stimmung ihres Vertrags erinnerte, lud er ihn vor Gericht. Das eben hatte der nur zu gelehrige Schüler gewollt, und nun trat er auf und sagte: „ Ich, ihr Richter, bin jetzt auf keinen Fall das Lehrgeld zu zahlen schuldig. Denn verliere ich den Proceß, so brauche ich nichts zu bezahlen zufolge der Be-

6. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 50

1899 - Gera : Hofmann
50 die Ruhe seines Gemütes und der uneigennützige Trieb, Gutes zu thun. Seine natürliche Heftigkeit zähmte er durch Strenge gegen sich selbst. Mit der geringsten Kost war er zufrieden. Schuhe trug er nicht. Ein schlichter Mantel war seine Kleidung. Sein Wahlspruch hieß: „Nichts bedürfen ist göttlich; am wenigsten bedürfen, bringt der Gottheit am nächsten." Doch tadelte er die absichtliche Vernachlässigung der äußern Ordnung. „Aus den Löchern deines Mantels schaut die Eitelkeit!" sagte er zu Antisthenes. Als ein vornehmer Athener das teure Leben in Athen beklagte, zeigte ihm Sokrates, wie billig man leben könne, wenn man nur wolle. Hunger und Durst, Frost und Hitze, Entbehrung und Anstrengung ertrug er mit Gleichmut. Durch Abhärtung hatte er seinen Körper zum gehorsamen Diener seiner Seele gemacht. Eine beständige Übung in der Geduld war für ihn seine launische Gattin Xanthippe. Ihr Name ist sprichwörtlich für ein zänkisches Weib. Doch schätzte Sokrates sie als gute Hausfrau und Mutter. Nur tadelte sie oft seine brotlose Erzieherkunst und mahnte ihn, einträgliche Bildwerke zu schaffen. Als sie ihm einst nach einer Scheltflut auch noch Wasser nachschüttete, sagte der Weise lächelnd: „Dachte ich's doch, daß dem Donner der Regen folgen würde!" Reinen Sinn und edle Sitte forderte er von der Jugend. Zu einem schönen Jüngling, der aber schmutzige Reden führte, sagte er: „Schäme dich, aus elfenbeinerner Scheide eine bleierne Klinge zu ziehen!" 2. Der weise Lehrer. Die Jugend zu unterweisen, das war Sokrates' liebstes Geschäft. Lohn forderte er nicht dafür. Eine Schar strebsamer Jünglinge sammelte sich um ihn und lauschte seinen Worten ans Spaziergängen, am Meeresufer und auf dem Markte. Einer kam täglich drei Stunden weit, um ihn zu hören und zu lernen. Als der Besuch Athens bei Todesstrafe verboten wurde, schlich er sich abends mit Lebens- gefahr in Frauenkleidern zu dem geliebten Lehrer. Durch Fragen und Einwürfe leitete Sokrates die Schüler an, die Wahrheit selbst zu finden. Die Selbsterkenntnis war ihm die höchste Weisheit; daher mahnte er, wie die Inschrift am Tempel zu Delphi: „Erkenne dich selbst!" Als ihn das Orakel den weisesten Mann Griechenlands nannte, meinte er: „Meine Weisheit besteht in der Erkenntnis, daß ich nichts weiß!" Die Tugend galt ihm als der einzige Weg zum wahren Glück. Er war überzeugt, daß über den Göttern, die sein Volk verehrte, eine höchste allwissende Gottheit stehe, die sich durch die mahnende und warnende Stimme des Gewissens im Menschen offenbare. Was er lehrte, das übte er auch im Leben. 3. Der geduldige Märtyrer. Seine größten Feinde waren die Sophisten. Sie redeten schön, aber handelten schlecht. Mit spitzfindigen Scheingründen stellten sie die Wahrheit auf den Kopf. Sokrates in seiner Wahrheitsliebe schonte sie nicht. Da klagten sie ihn an, daß er die heimischen Götter verachte, neue Götter einführe und die Jugend verführe. Durch seinen edeln Stolz und seine schneidige Verteidigung, welche die Ankläger und Richter scharf traf, reizte er letztere so, daß sie ihn zum Schierlingsbecher verurteilten. Heiter ging der Greis in das Ge-

7. Lehrbuch der Weltgeschichte für Schulen - S. 43

1872 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
— 43 — Zweck und Aufgabe seines Lebens ansah. Unbefriedigt durch das ausschließlich auf Sinnengenuß gerichtete Treiben der Menge, hatte er frühe schon seinem Streben'die Richtung auf die höchsten Interessen des Lebens gegeben: reinere Erkenntniß der Wahrheit, insbesondere der menschlichen Natur, war der Zweck seines Forschend; sittliche Veredlung das Ziel seiner Bemühungen. Wie seine strenge Einfachheit, die das Maß feiner Bedürfnisse auf das Allernothwen-digste zu beschränken gewußt hatte, scharf abstach gegen das üppige Leben seiner Mitbürger; so bildete die kurze, klare und bestimmte Sprache, in die er seine Ansichten über das Walten der Gottheit und die Bestimmung des Menschen kleidete, einen wohlthuenden Gegensatz zu dem hohlen Wortgepränge, durch welches feine Gegner, die Sophisten/ in spitzfindigen Trugschlüssen die Nichtigkeit aller menschlichen Erkenntniß nachzuweisen und Religion und Tugend als Wahn und Irrthum lächerlich zu machen suchten. Sein reiner Sinn ahnte den einzig wahren Gott; doch, beschränkt auf das Licht des eigenen Geistes, konnte er sich nicht zur wahren Gotteserkenntniß emporschwingen, und so fuhr er fort, obgleich er über Vieles in der Volksreligion anderer Meinung sein mußte, als die gedankenlose Menge, den Göttern zu opferu und das Orakel zu befragen. Er benutzte jede Gelegenheit, seinen Mitbürgern über die Verkehrtheit ihres Lebens und ihrer Ansichten die Augen zu öffnen, und wußte seine Unterredungen mit ihnen so geschickt zu leiten, daß sie selbst die Wahrheit finden und ansfprechen mußten, zu deren Erkenntniß er sie führen wollte. Vorzüglich suchte er die Jugend für Wahrheit und sittliche Veredlung zu gewinnen, und es gelang ihm, eine große Anzahl lernbegieriger Jünglinge an sich heranzuziehen, die mit dem ganzen Feuer jugendlicher Begeisterung an dem verehrten Meister hingen. Bei dem Volke, dem er feine Leichtfertigkeit, feinen Wankelmuth und feine Genußsucht unumwunden vorhielt, konnte er nicht beliebt fein; die Sophisten fürchieten ihn ebenso sehr, wie sie ihn haßten, und so kam es, daß er als ein Verächter der Götter und Verführer der Jugend vor Gericht gezogen wurde. Der edle Stolz, mit welchem er in feiner Vertheidigungsrede einfach auf fein Leben als auf den besten Nachweis feiner Unschuld hinwies, reizte nur um so mehr den Haß derer, die über ihn zu Gericht faßen, und er wurde mit einem Mehr von drei Stimmen zum Tode durch den Giftbecher verurtheilt. Mit ruhiger Würde vernahm er den Urtheilsfpruch und wies die Gelegenheit zur Flucht, die einer feiner Schüler ihm durch Bestechung des Gefangenwärters zu verschaffen gewußt, mit Entschiedenheit zurück. Seine tiefbetrübten Schüler blieben bei ihm bis zum letzten Augenblicke; mit der hei- 1 Namenphilosophen, die als Lehrer der Beredtsamkeit auftraten.

8. Die Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung - S. 50

1858 - Leipzig : Engelmann
50 Geschichte der alten Welt. 4. S o k v a t t s. §. 65. Durch den peloponnesischen Krieg wurde nicht nur der äußere Glückstand der Griechen und die Blüthe der Staaten im Innersten geknickt; auch die Sitten waren ausgeartet, Habgier und Selbstsucht erstickten die edle- ren Gefühle, und Rechtschaffenheit und bürgerliche Tugend wurden weniger geachtet als Witz und Klugheit. Zu diesem Sittenverderbniß trugen in Athen namentlich die Sophisten bei, falsche Lehrer, die eine auf Spitzfindigkeiten und Trugschlüssen beruhende Scheinweisheit vortrugen und stch vermaßen, durch Redekünste und Disputirkniffe Lüge als Wahrheit hinzustellen und Wahrheit in Jrrthum zu verkehren. Sie lockten reiche Jünglinge an sich und brachten ihnen gegen große Belohnungen diese falschen Lehren bei, durch welche „das häusliche und öffentliche Leben im innersten Kerne vergiftet ward." Da trat Sokrates, ein athenischer Bürger, auf, entlarvte die sophistischen Marktschreier und weckte das Gefühl für Religion, Sittlichkeit und Recht in der Brust seiner Schüler. Nicht in kunstreichen Borträgen vom Katheder herab, sondern durch Fragen und Antworten auf offener Straße, in der freien Natur oder in den Werkstätten der Handwerker lehrte Sokrates seine Lebensweisheit, deren Ziel das: „Erkenne dich selbst" war. Bor seinem hellen Verstände, vor seinem einfachen, rechtschaffenen Leben und vor seiner sittlichen Würde verstummten die Sophisten, und die reichsten und talentvollsten Jünglinge, wie A l c i b i ad e s, Kritias u. A. schlossen sich ihm an. Dies ärgerte die eiteln,selbstsüchtigen So- phisten und sie reichten eine Klage gegen ihn ein, daß er die Jugend verführe und falsche Götter lehre. In einer einfachen Vertheidigungsrede (Apologie) bewies Sokrates vor den Volksrichtern (Hellasten) die Falschheit der Anklage. Aber statt, wie gewöhnlich geschah, mit Flehen und Wehklagen seine Lossprechung zu erbitten, schloß er seine Rechtsertigungsrede mit der Behaup- tung, er verdiene in die Reihe der würdigen Männer ausgenommen zu werden, die wegen ihrer Verdienste um das Gemeinwesen auf Staatskosten in dem Regie- rungsgebäude, Pry tan eu m genannt, unterhalten wurden. Dies verdroß die Richter, und Sokrates wurde mit einer kleinen Stimmenmehrheit zum Tode verur- theilt. Vergebens bemühten sich einige seiner Freunde, besonders der reiche Bürger Krito n, ihn zur Flucht zu bereden; Sokrates verwarf einen solchen Vorschlag und unter erhebenden Gesprächen über die Unsterblichkeit der Seele (Plato's 399. Phädon) trank er den Giftbecher und starb mit der Heiterkeit und See- lenruhe eines Weisen. Er selbst hat nichts Schriftliches hinterlassen; aber sein berühmter Jünger Plato von Athen legte seine eigene Lehre, die er in der Akademie vortrug, dem Sokrates in den Mund. Plato selbst war ein so ausgezeichneter Denker und Schriftsteller, daß man ihn den g ött lichen nannte, sowohl wegen seiner schönen, erhabenen Ideen und dichterischen Gebilde, als wegen der vollendeten Kunst der Darstellung, die seine in Gesprächsform (Dialoge) gekleideten Schriften tragen. Nach ihm war Zenöphon der Athener, zugleich Schriftsteller und Feldherr, der berühmteste Schüler des Sokrates, dessen Wesen und Lehren er in mehreren philosophischen Schriften („Denkwür- digkeiten des Sokrates") der Nachwelt kund gemacht hat. 5. Oer Rückzug der Zehntausend (460). §. 66. Tenophons vorzüglichstes Geschichtswerk ist die Anabäsis oder die Darstellung des Felvzugs des jüngern Cyrus nach Persien und der Ruck-

9. Weltgeschichte für die katholische Jugend - S. 80

1840 - Münster : Theissing
80 Fünfter Zeitraum. er alle Pflichten der Selbstliebe, namentlich die Beherrschung der Sinn- lichkeit, und unter der Gerechtigkeit alle Pflichten gegen die Mitmen- schen. Seine ganze Zeit widmete Sokrates nun dem Unterrichte des Volkes, besuchte täglich die Märkte, die Werkstätten der Künstler, und trug allen Ständen seine Sittenlehre vor, um das entartete Volk zu bessern, und hielt sich dazu als einen Gottgesandten berufen. Daß es nur Einen Gott gebe, den Schöpfer aller Dinge, und daß dieser all- wissend, gütig, heilig und gerecht sey, nicht so sehr durch Opfer, als durch einen reinen Wandel geehrt werde, wie auch daß die Seele des Menschen unsterblich sey, glaubte Sokrates gewiß. Seine Sittenlehren trug er in Gesprächsform vor, indem er seine Schüler durch geschickte Fragen zum Nachdenken brachte, die Lehren der Weisheit selbst zu finden, was man deswegen die sokratische Methode genannt hat. Seine ernste Sittenlehre bekräftigte er durch sein eigenes Beispiel. Er trug ein schlechtes Gewand, keine Sohlen, aß schlechte Kost und versagte sich alle Bequemlichkeiten des Lebens. Wenn ihn dürstete, so ging er zum Brunnen, goß aber erst einige Eimer aus, ehe er trank, um sich in der Selbstbeherrschung zu üben. Alle Unbilden ertrug er mit der größten Sanitmuth, und selbst seine Frau Tan tippe, durch ihr unaufhörliches Eisern und Zanken berüchtigt, gab ihm das Zeug- niß, nie gesehen zu haben, daß er seine Miene veränderte. Ost boten ihm seine reichen Schüler Geld, aber er nahm nichts. Sokrates unterrichtete nämlich nicht bloß das Volk an öffentlichen Plätzen, sondern er hatte auserlesene Schüler, besonders hoffnungsvolle Jünglinge, fast alte Tage um sich, die er umher wandelnd unterrichtete. Diese konnten keinen Tag ohne ihn leben, so sehr fesselte sie das Wort ihres Lehrers, und noch lange nach seinem Tode war er ihr liebstes Gespräch. Euklides in Megara, 4 Meilen von Athen, legte den Weg oft zurück, um Sokrates zu hören, und als einmal die Athe- ner den Megarern den Eintritt in ihre Stadt untersagten bei Le- bensftrafe, da stahl er sich oft Abends in Weiberkleidern durchs Thor. Die wüthendsten Gegner hatte Sokrates an den Sophisten. Diese gaben sich selbst diesen stolzen Namen, der Weise bedeutet, behaupteten im alleinigen Besitze aller Wissenschaften zu seyn, lehr- ten, es gebe keine Sünden und Laster, keine Gottheit, keine Un- sterblichkeit der Seele, die Welt sey durch ein Ungefähr entstanden, Leben und Tod und alle Dinge seyen nur Schein, man könne keine Wahrheit erkennen, Befriedigung aller Begierden sey das höchste Gut des Menschen. Die Sophisten fanden mit ihrer Lehre, die alle Sittlichkeit untergrub, bei den sinnlichen Griechen Anhänger in Ueberfluß, verkauften ihre sogenannte Weisheit für schweres Geld und lehrten die Kunst, alles zu beweisen, was man haben wollte, auch die ungereimtesten Dinge. Natürlich mußte Sokrates mit sei- ner strengen Sittenlehre alle Sophisten gegen sich aufbringen, zumal da er nicht unterließ, bei jeder Gelegenheit ihre Blößen öffentlich auf- zudecken.

10. Ausgewählte Lesestücke aus deutschen prosaischen Musterschriften für höhere Bürgerschulen und die unteren Klassen der Gymnasien - S. 283

1810 - Berlin : Realschulbuchh.
Charakterschilderung und Biographie, syz aber einige gar leichte von der Sache etwas ent- fernte Fragen, die der hohe gelehrte Mann für- albern hielt, und ans Mitleiden beantwortete. Nach und nach schlich er sich der Sache näher, immer mit Fragen, und immer, indem er seinem Gegner die Gelegenheit abschnitt, in anhaltende Reden auszu- schweifen. Dadurch wurden sie genöthigt-, die Be- griffe deutlich aus einander zu setzen, richtige Er- klärungen gelten, und aus ihren falschen Voraus- setzungen ungereimte Folgerungen ziehen zu lassen.' Zuletzt sahen sie sich so in die Enge getrieben, daß sie ungeduldig wurden. Er aber ward es niemals, sondern ertrug ihre Unart selbst mit der größten Gelassenheit, fuhr fort die Begriffe zu entwickeln, bis endlich die Ungereimtheiten, die aus den Grund- sätzen der Sophisten folgten, dem einfältigsten Zu- hörer handgreiflich wurden. Auf solche Weise wur- den jsie ihren eignen Schülern zum Gelachter. In Ansehung der Religion scheint er folgenden Grund- satz vor Augen gehabt zu haben. Jede falsche Lehre oder Meinung, die offenbar zur Unsittlichkeit füh- ret, und also der Glückseligkeit des menschlichen Ge- schlechts entgegen ist, wurde von ihm auf keinerlei Werse verschont, sondern öffentlich, im Beiseyn der Heuchler, Sophisten und des gemeinen Volks, be- stritten, lächerlich gemacht, und in ihren ungereim- ten und abscheulichen Folgen gezeigt. Von dieser Art waren die Lehrer der Fabeldichter von den Schwachheiten, Ungerechtigkeiten, schändlichen Be- gierden und Leidenschaften, die sie ihren Göttern zuschrieben. Ueber dergleichen Satze, so wie über unrichtige Begriffe von der Vorsehung und Regie- rung Gottes, auch über die Belohnung des Guten pnd die Bestrafung des Bohn war er niemals zu- rückhaltend, niemals, selbst znm Scheine nicht, zweifelhaft, sondern allezeit entschlossen, die Sache der Wahrheit mit der größten Unerschrockestheit z» verfechten, und, wie der Erfolg gezeigt, fein Be- kenntniß mir dem Tode zu versiegeln. Eine Lehre aber, die bloß theoretisch falsch, und den Sitten fs großen Schaden nicht bringen konnte, als von einer

11. Geschichte des Alterthums - S. 132

1861 - Leipzig : Brandstetter
132 Phisten, im Gegensätze zu Pythagoras, der kein Sophos (Weiser), son- dern ein Philosophos, „ein Freund der Weisheit," genannt sein wollte. Die Sophisten wandten ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich den menschlichen Dingen zu, indem sie den Menschen selbst als Mittelpunkt der Schöpfung bezeichneten. Nach ihrem Beruf und Vortheil suchten sie der Menge zu gefallen, indem sie mit einer leichten Moral und allerlei Redekünsten ihre Zuhörer für sich zu gewinnen wußten. Ihre Bildung bestand großenteils in der Rhetorik, als derjenigen Kunst, mit welcher der Mensch Alles be- haupten und vertheidigen kann, was er wünscht, wodurch denn freilich der läßliche Satz: „Erlaubt ist, was gefällt," zu sehr verschiedenartiger Gel- tung gelangte. Solchen Bestrebungen trat der erste athenische Philosoph und in Wahrheit der erste wirkliche Weltweise, Sokrates, mit voller Kraft ent- gegen (469—399). Athener von Geburt (er war der Sohn des Bild- hauers Sophroniskos), ward er nach der Weise der athenischen Jünglinge gebildet und hatte als tapferer Soldat in dem unglücklichen thracischen Kriege unter Kleon gegen den spartanischen Brasidas mitgefochten. Nach seiner Rückkehr begann er seine Laufbahn als Lehrer und Bildner der Ju- gend und des Volkes. Wie die Sophisten, machte er die menschliche Natur zum Gegenstand seiner Forschung; sein Ziel jedoch und seine Verfahrnngs- art war so sehr das Gegentheil von der bisher üblichen Weise, daß er nur als entschiedenster Gegner der Sophisten austreten konnte. Aus Schein und Täuschung die Wahrheit ans Licht zu fördern, das Göttliche in der Seele des Menschen zu fassen und von persönlichen Vorstellungen gerei- nigt zur allgemeinen Idee zu erheben, daraus war die Lehre des Sokrates gegründet und seine Erforschung der geistigen und sittlichen Dinge war zur höchsten Gewißheit und einer nie irrenden Sicherheit ausgebildet. Menschliche Tugend und Glückseligkeit fielen ihm in Eines zusammen, die Herrschaft der Vernunft über die Sinne galt ihm als das würdigste Ziel des Lebens. Die von ihm erfundene und nach seinem Namen genannte Lehrform war die des Gespräches. Mit der ganzen Ueberlegenheit feines Geistes die Unterredung lenkend, wußte er durch feine Begriffsverknüpfung bald mit feurigem Ernst, bald mit seiner Ironie oder derbem Witze, an- scheinend mühelos, die Macht vorgefaßter Meinungen zu stürzen. Er ließ recht eigentlich den Jrrthum sich selbst beschämen und aus der Lüge die Wahrheit hervorblühen. Geschrieben hat Sokrates nichts. Nach den Schil- derungen Lenophons, vor Allem aber nach den Schriften Platons, können wir uns den wunderbaren Mann vergegenwärtigen, welcher bei einer auf- fallenden Häßlichkeit durch die Macht und Grazie seines Geistes eine so unwiderstehliche Wirkung ausübte. Sokrates war von einem Kreise junger Männer aus den ersten Familien der Hauptstadt umgeben. Alcibiades, Kritias, Lenophon gehörten in diese Zahl, und die demokratische Partei mochte ihn nicht ganz umsonst seines Einflusses auf die aristokra- tisch gesinnte Jugend beschuldigen. Sokrates haßte die Volksregierung,

12. Enthaltend Erzählungen aus der Geschichte der Orientalen und Griechen - S. 116

1869 - Langensalza : Beyer
116 Bis in sein 30. Lebensjahr hatte er sich mit der Bildhauer- kunst beschäftiget. Allein Krito, ein vornehmer Athenienser, ent- deckte in ihm Talente zu etwas Höherem, und versah ihn deßhalb mit den nöthigen Hilfsmitteln zu einer höhern Bildung, indem er ihn den Weisen und Gelehrten seiner Zeit zuführte. Es schien auch dem Sokrates selbst viel edler zu sein, für seine und Anderer Geistesbildung zu wirken, als Bildsäulen aus Steinen zu formen. Daher legte er den Meißel nieder, um seinen Geist der Weisheit zuzuwenden. Fortan fand er seinen Hauptberuf darin, die Lehren der Weisheit und Tugend unter dem Volke zu verbreiten und be- sonders durch Erziehung und Unterweisung der Jugend eine bessere Zeit für sein Vaterland herbeiznführen. Sein ganzes Bestreben war nicht nur sich selbst, sondern auch seine Neben- menschen immer weiser und besser zu machen. Erforschung der Wahrheit, welche durch die Gelehrten jener Zeit, namentlich durch die sogenannten Sophisten,*) nur zu oft entstellt wurde, hatte er sich zu seines Lebens höchster und schönster Aufgabe gestellt. Darum trat er jenen Männern, die ihren Scharfsinn, ihre Kennt- nisse und Beredtsamkeit dazu brauchten, das unerfahrene Volk irre zu leiten, muthig entgegen. Er widmete sich ganz der Bildung hoffnungsvoller Jünglinge, doch trat er nicht in einer e ig entlich en Schule als Lehrer auf, band sich bei seinen Belehrungen auch nicht an Ort und Stunde, sondern unterrichtete überall, wo sich Gelegenheit darbot, ans öffentlichen Spaziergängen, in den Werk- stätten der Künstler und Handwerker und bei den Volksversammlun- gen auf dem Markte. Vorzüglich wirkte er gesprächsweise auf die eines bessern Unterrichts fähige Jugend, denn er verstand, wie kein Anderer, die große Kunst, durch weise Fragen, welche er an Bekanntes anknüpfte, seine Schüler das, was er ihnen mittheilen wollte, selbst finden zu lassen. Diese Art und Weise zu unterrich- ten nennt man daher auch die sokratische Methode, eine Me- *) Sophisten, ursprünglich so viel als Weise. Durch ihren Stolz und ihr unrühmliches Betragen gaben die Sophisten Anlaß, daß dieser an sich ehrenvolle Name eine mehr als üble Bedeutung erhielt und daß die bescheidenen wahren Weisen anfingen, sich Philosophen (Liebhaber der Weisheit) zu nennen.

13. Theil 1 - S. 193

1875 - Leipzig : Brandstetter
als die leere Form mit neuen Ideen auszufüllen. Damit aber war es aus mit dem heiteren hellenischen Leben und die Pforte öffnete sich leise zum Uebergang in eine neue Welt, die in andern Formen das aufnehmen sollte, was ewig ist im Wechsel und dauernd in der Vergänglichkeit , die geistigen Errungenschaften der Völker. In eine solche Uebergangsperiode war das Lebendes griechischen Volkes eingetreten, ohne daß es sich dessen klar bewußt geworden wäre, obgleich man sich die Unhaltbarkeit einer Menge von Dingen und Vorstellungen und eine allgemeine Unsicherheit nicht verhehlen konnte. Man glaubte umkehren zu muffen, um ein neues Geschlecht zu erziehen, in welchem die Tugenden der Gottesfurcht, der Treue, der Wahrhaftigkeit, wieder Wurzel faßten, den Aufbau eines glücklicheren Athen von unten beginnen. Das war ein weiter, beschwerlicher Weg zum Ziele, ein Weg, welchem der Stolz der hochgebildeten Athener wenig zusagte. Die Philosophie hatte die Aufgabe diesen richtigen Weg aufzufinden, aber es fehlte ihr die Liebe und die Weisheit, so lange sie in der Macht der Sophisten lag. Es hat dieser so oft mißbrauchte Name — Sophia heißt Weisheit — fernen guten Klang in der griechischen Bildungsgeschichte ; man giebt der Sophistik sicherlich mit Recht Schuld, daß sie die geistige Ausbildung mehr in einer gewissen Virtuosenhaften Fertigkeit ; des Denkens und Redens, als in der Veredlung und Vertiefung des inneren Menschen gesucht und gefördert habe. Als Lehrer der Philosophie haben die Sophisten sich der von Anaxagoras zuerst aufgestellten Unter* • scheidung zwischen der Erscheinungswelt und der höchsten Vernunft an-i geschlossen, doch waren Gewandtheit in den Schlüssen und Folgerungen ; des Gedankens ihnen in der Regel wichtiger, als die Erforschung seiner I Richtigkeit, und in der Kunst des Sprechens galt ihnen das „wie" mehr i als das „was". Es ging ihnen, wenn man Altes und Neues vergleichen ,dars, wie heut zu Tage vielen Virtuosen und Literaten, denen die eigenen Zwecke und Vortheile mehr gelten als die Forderungen der Kunst. Als wandernde Lehrer von Land zu Land, von Stadt zu Stadt ziehend, trachteten sie, durch ihren Unterricht sich Geld, Ruhm und Einfluß zu erwerben und scheuten deshalb kein Mittel, um vor den Augen der Menge zu glänzen. Daß eine solche Richtung dem Volke kein neues Sittengesetz geben konnte, liegt am Tage. Hier bedurfte es eines Mannes, welcher mit der Einsicht die Kraft verband, die Irrthümer zu erkennen und zu überwinden. Einen solchen Mann hatten die Athener in ihrer Mitte. Sokrates (469—399), Athener von Geburt, war der Sohn eines Bildhauers. Nach Art der athenischen Jünglinge gebildet, hatte er als tapferer Soldat in dem unglücklichen thrakischen Kriege unter Kleon gegen den spartanischen Brasidas mitgefochten. Nach seiner Rückkehr begann er seine Laufbahn als Lehrer und Bildner der Jugend und des Volkes. Wie die Sophisten, machte er die menschliche Natur zum Gegenstand O es er's Weltgeschichte. I. 7. Aufl. 13

14. Leitfaden zur allgemeinen Geschichte - S. 23

1877 - Langensalza : Beyer
— 23 — Spartaner zu ihrem Oberanführer den fingen Lysander, der den Krieg zu Gunsten der Lacedämonier beendigte. Derselbe überfiel nämlich die athenische Flotte im Hellespont (Straße der Dardanellen) bei Aegospotami (Ziegenfluß) im Jahre 405 v. Chr. Geb. und eroberte sie. Dann segelte er vor Athen, das nun keine Flotte mehr ausstellen konnte, belagerte und eroberte es und ließ die Befestigungswerke, die einst Thernistocles gebaut hatte, niederreißen. Die Athener mußten mit den Spartanern einen schmachvollen Frieden schließen und alle ihre Schiffe bis ans 12 ans-liesern. An die Spitze des athenischen Staates wurden von den Lace-dämoniern 30 Tyrannen (Herrscher) gestellt, welche indessen im darauffolgenden Jahre von dem edlen Athener Thrasybulus wieder vertrieben wurden. Das war im Jahre 404 v. Chr. Geb. So gieng der große Krieg Zn Ende, der ganz Griechenland auf das schrecklichste verwüstet und nicht nur die Macht des besiegten Athens gebrochen, sondern auch die des siegreichen Spartas geschwächt hatte. Yn. Zocrates. § 33. Socrates Leben. Socrates war der weiseste der Griechen, -er war ein Philosoph, das heißt ein Mann, welcher bemüht ist, durch tiefes und anhaltendes Nachdenken die Ursachen und das Wesen aller Dinge zu begreifen und in Folge dessen weise Lehren aufstellt. Socrates wurde im Jahre 469 v. Chr. Geb. zu Athen von armen Eltern geboren, sein Vater war ein Bildhauer. Auch er lernte anfangs diese Kunst, später aber ward er Soldat und half fein Vaterland gegen dessen Feinde verteidigen. Er lebte sehr einfach und mäßig und sein höchstes Vergnügen bestand darin, junge Leute in der Weisheit und in der Tugend zu unterrichten, um sie von ihren Torheiten zu überzeugen. Er lehrte überall, wo sich gerade Gelegenheit dazn fand, auf dem Markte, auf den Spaziergängen, in den Handwerksstnben n. s. w. Damals gab es in Athen Leute, welche unter den Jünglingen falsche und verwerfliche Lehren zu verbreiten suchten. Man nannte sie Sophisten. Sie behaupteten zum Beispiel, das Höchste, wonach man streben müsse, sei Reicktnm und sinnliche Genüsse. Gegen diese Leute trat Socrates auf, indem er bewies, daß der Mensch nicht nach Reichtnm und Genüssen, sondern nach Tugend streben müsse. Dadurch erlange man das höchste Gut, den Glanben an die Gottheit, die das Böse bestrafe und das Gnte belohne. Dabei hielt aber Socrates nicht etwa lange Reden, sondern er suchte seine Gegner in ein Gespräch zu ziehen. Er legte ihnen Fragen vor, gaben sie nun falsche Antworten, so bewies er ihnen das Falsche in denselben, so daß sie zuletzt seiner Meinung sein mußten. Auf dieselbe Weise unterrichtete er feine Schüler. Zu denselben gehörten viele, welche später sich einen berühmten Namen erworben haben.

15. Bilder aus der alten Geschichte - S. 47

1911 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Sofrates. 47 erkennenden Menschen (des Subjektes). Die subjektivekraft ist aber bei jedem Menschen anders; darum erscheint auch jedem Menschen das Bild anders, welches die äußeren Dinge in seiner Seele hervorrufen. Jeder schaut sie auf seine besondere, eigene Weise und jeder auch auf seine Art richtig. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge." Diese von den Sophisten gewonnene Erkenntnis wurde vielfach nicht verstanden und gemißbraucht. Unklare und leichtfertige Geister meinten: Huch in der sittlichen lvelt kommt es nur auf den Menschen an, wie er die Dinge ansieht. Etwas Gutes (die Tugend) oder Böses (das Laster) an und für sich gibt es nicht. Die Verehrer der Sophisten kamen schließlich zu folgenden Grundsätzen: wenn irgendeine Tat einem Menschen gut erscheint, so ist sie für ihn auch gut, und er darf sie vollbringen. Dünkt hingegen dieselbe Tat einem anderen Menschen schlecht, dann ist sie für ihn auch schlecht, und er muß sie verabscheuen. Beide handeln ganz recht. Jeder Mensch kann also handeln, wie er es für gut hält. — Eine solche Denkweise führte die Menschen nicht zur Sittenstrenge und zu ernster Pflichterfüllung, sondern vielmehr zur Leichtfertigkeit. Der große Lehrer Sokrates. Doch auch in dieser Seit des sittlichen Verfalles fehlte es nicht an Männern, die das verderben des Volkes erkannten, feinen Untergang voraussahen und Bettung bringen wollten. (Einer der edelsten Männer im damaligen Athen, ja des ganzen Altertums war Sokrates. (S. T. Iii, 9.) Seine Bildhauerwerkstätte verließ er und beschäftigte sich bald nur noch damit, rechte Weisheit zu lernen. Seine Gestalt war unschön. Auf den breiten Schultern und dem kurzen halse saß ein plumper Kopf mit häßlicher Nase und hervorquellenden flugen. — stuf sein Äußeres legte er keinen wert. In armseliger Kleidung, meist barhäuptig und ohne Schuhe ging er einher. Und doch wußte dieser sonderbare Mann stets einen großen Kreis von Hörern um sich zu sammeln, — ganz wie die Sophisten. Bber sonst war er völlig andrer Hrt als sie. Nicht nahm er irgendeine Bezahlung an. Seine Jünger mochte er auch nicht einmal seine Schüler heißen; er nannte sie feine Freunde, mit denen gemeinsam er die Wahrheit suche. Und dies tat er nicht an einem bestimmten Gxte, sondern wo gerade die Gelegenheit ihm günstig schien: im Gymnasium, auf der Gasse, ant Hafen, auf dem Markte. (Es geschah auch in ganz eigenartiger weise, nämlich durch Wechselgespräch und gegenseitiges Fragen. Die Sophisten waren meist stolz aus ihr wissen. Sokrates hingegen sagte: „Ich weiß, daß ich nichts weiß." Sein Fragen und Grübeln beschäftigte sich zumeist mit dem Menschen selbst, mit feinen hohen ausgaben und Pflichten, also mit dem sittlichen Leben. In einem Spruche, der die Tempelpforte zu Delphi schmückte, sah er das Ziel feines Lebens: „Erkenne dich selbst!" — Was er als wahr und gut erkannt hatte, das sprach er unerschrocken aus; selbst die U)ut und die Drohungen einer ganzen Volksversammlung konnten ihn dann nicht mehr irremachen. Worin bestand seine Lehre? 3m Gegensatz zu den Sophisten lehrte er: Es gibt eine Tugend. Und die Tugend ist Iehrbar; denn die Menschen vermögen sie zu erkennen. Sie können sehr wohl wissen, was es heißt, gerecht, mutig, vaterlandsliebend sein, wer aber die Tugend wirklich erkannt hat, besitzt auch die Kraft, sie zu üben; ja er kann gar nicht anders, als tugendfam sein und tugendsam leben. Dazu treibt ihn „das Göttliche" in feiner Brust, das Gewissen. Die Tugend wirklich

16. Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält - S. 56

1854 - Saalfeld : Riese
56 die Zeit!" 4) Bi as von Priene: „Mehrere machen es schlecht!" 5) Thales von Milet: „Bürgschaft bringet Leid!" 6) Chiton von Lace- dämon: „Kenne dich selbst!" 7) Solon von Athen: Nimmer zu sehr!" Ferner eine Anzahl von Männern der ionischen Schule, welche nach dem Vorgänge des Thales von Milet (630 v. Chr.) in der Natur oder in einem der s. g. vier Elemente den Urgrund aller Dinge zu finden wähn- ten, während der im ganzen Alterthum hochgefeierte Pythagoras aus Samos (geb. 584 v. Chr.) das Räthsel vom Ursprünge der Welt durch Maß und Zahl lösen wollte, den nach ihm benannten mathematischen Lehr- satz erfand und zu Croton in Unteritalien eine moralisch-politische Schule, den pythagoräischen Bund stiftete, dessen Eingeweihete zur Reinigung ihrer Seelen einer streng geregelten Lebensweise sich unterwerfen mußten. Des Pythagoras jüngerer Zeitgenosse, Xenophanes zu Elea in Unter- italien wurde Stifter der elea tischen Schule und Urheber des Pan- theismus d. i. derjenigen Lehre, welche Gott und Welt als Eins nimmt und die Welt, das Universum zu Gott macht. Man nannte alle diese Leute Weise, während sie selbst nach des Pythagoras Vorgang sich nur Liebhaber der Weisheit (Philosophen) genannt wissen wollten. Ein solcher Mann war jener Anaxagoras gewesen, des Pericles und Sócrates Freund und Lehrer, der für seine Zeit ganz ungewöhnliche Natur- kenntnisse besaß und das Durchdrungensein der Welt von einem ewigen, vernünftigen Geiste lehrte. Dagegen gab es auch eine andere Art von Gelehrten, Sophisten genannt, welche von dem Grundsätze ausgingen, daß man die Wahrheit eigentlich nicht erkennen könne, und darum nicht nach Wahrheit, sondern nur nach einem Schein von Wahrheit strebten und alles Falsche und Irrige, wenn es nur den Sinnen schmeichelte und Vor- theil gewährte, vermöge ihrer Redekunst mit einem schönen Mäntelchen um- gaben. Diese Leute übten auf die griechischen Jünglinge einen höchst ver- derblichen Einfluß aus, indem sie alle edleren Empfindungen in ihnen erstickten und ihnen Weltklugheit und Lebensgenuß als die höchsten Güter darstellten. Sócrates war nun zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Betrach- tung des Menschen und seiner sittlichen Natur für den Menschen die wich- tigste, und daß Uebung der Gerechtigkeit und Tugend, lebendiger Glaube an eine gerecht waltende Gottheit das höchste Gut sei, gegen dessen Besitz alle andern Güter als nichtig verschwänden. Dabei glaubte er von der Gottheit einen besondern Beruf zu haben, diese Wahrheit seinen Mitmen- schen eindringlich zu verkündigen, und er machte dies zum Hauptgeschäft seines Lebens. Auch war er bescheiden genug einzugestehen, daß er von dem Uebersinnlichen eigentlich nichts wüßte, und daß Niemand, als ein Gott, das Dunkel aufhellen könnte, welches vor dem sterblichen Auge liegt, sobald es sich der Betrachtung des Uebersinnlichen zuwendet. Es war ge- wöhnlich, daß die griechischen Jünglinge in den Gymnasien d. h. weit- läufigen Gebäuden, welche von Gärten und einem heiligen Hain umgeben waren, sich in körperlichen Geschicklichkeiten übten. In den Hallen^ dieser Gebäude (des Lyceums, der Academie) versammelten die Philoso- phen, die Sophisten und die Redner ihre Schüler. Hier und an andern öffentlichen Orten war es denn auch, wo Sócrates mit Solchen, welche Empfänglichkeit dafür zu haben schienen, Gespräche anknüpfte, in welchen er

17. Lesebuch für evangelisch-lutherische Schulen - S. 241

1857 - Waldenburg : Selbstverl. G. Leo
Die Griechen. 241 Christen nennen, werden sich durch einzelne Handlungen des So- krates beschämt fühlen. Im Bilde des Sokrates strahlen beson- ders seine Enthaltsamkeit, Demuth und Sanftmuth hervor. Er hatte für Winter und Sommer nur ein Gewand und trug nie- mals Schuhe. Seine Speise war ganz einfach. Seine Frau wird als ein recht zänkisches Weib geschildert, aber er schwieg zu ihren Schmähttligen und Zänkereien, und als sie auch einmal recht heftig auf ihn loszankte, ging er mit seinen Schülern schweigend fort. Sie aber, durch diese noch mehr aufgebracht, ergriff ein Wassergefäß und goß es dem eben aus der Hausthür treten- den Sokrates aus den Kopf. „Dacht' ich's doch," rief Sokrates lachend, „denn nach einem Donnerwetter pflegt es ja auch immer zu regnen." — Als er einst durch einen Göttcrspruch für den Weisesten unter allen Griechen erklärt worden war, sprach er zu seinen Schülern: „Wißt ihr denn, worin meine Weisheit besteht? Sie besteht darin, daß ich weiß, daß ich nichts weiß." Sein Ge- wand war zwar höchst einfach, aber beschmutzt und zerlumpt durfte dasselbe nicht sein, »nd als einst einer seiner Schüler gerade durch sein recht zerlumptes .Si leib Aufsehen zu erregen suchte, sprach er zu ihm: „Wisse, es blickt viel Stolz durch die Köcher deines Mantels." — Die Schüler, welche Sokrates umgaben, waren aber nicht etwa Kinder, sondern Jünglinge und Mäilner, und er suchte dieselben in ihreil Werkstätten und auf öffentlichen Plätzen ans und belehrte sie ganz unvermerkt, indem er mit ihnen sich gesprächsweise unterhielt und sie durch Frage und Antwort so weit führte, daß sie von ihren Irrthümern sich überzeugten und seinen Ansichten Beifall gaben. Während andere Lehrer der Weisheit seiner Zeit mit ihrer Weisheit ein Gewerbe trieben, sich reiche Ge- schenke machen ließen und daher gewöhnlich nur reiche Jünglinge unter ihre Schüler aufnahmen, sah er bei seinen Jüngern nicht auf Geld und Gut und Rang und Stand, sondern auch arme Jünglinge, wenn sie nur Sinn für Wahrheit hatten, waren ihm willkommen. Er fand daher bei ihnen auch die größte Liebe und Anhänglichkeit. Einer derselben kam täglich eine Meile weit, um ihn zu hören, und ein anderer hatte sogar 4 Meilen von seiner Heimath nach Athen zurückzulegen, und gleichwohl kam er all- wöchentlich zum Sokrates. — Obgleich nun aber Sokrates ein so guter Mann war und viele Jünglinge zur Weisheit und Tugend führte, so hatte er doch auch seine Feinde. Ein Lustspieldichtcr brachte ihn sogar auf die Bieter. Als Sokrates hörte, daß das Stück aufgeführt werden sollte, ging er selbst in das Schauspiel- haus und hörte zu. .Das Volk war zahlreich versammelt; aber ' 10

18. Geschichte des Altertums - S. 94

1913 - Münster in Westf. : Aschendorff
94 Griechische Geschichte. erschüttert und der subjektive Standpunkt drängte sich rücksichtslos in den Vordergrund. So bricht die griechische Ausklärungsperiode an, in der die Sophisten eine führende Rolle hatten. Sophisten. Die bisherigen Versuche, das Wesen der Dinge zu ergründen, waren widerspruchsvoll. Dem gegenüber lenkten die Sophisten das Denken auf die Frage nach den Quellen und den Grenzen der menschlichen Erkenntnis; somit trat der Mensch selbst als Hauptgegenstand in den Mittelpunkt der philosophischen Untersuchung. Darin besteht das Hauptverdienst der Sophisten, leider aber kamen sie dadurch dem Subjektivismus, der sich im damaligen Leben und in der Lebensauffassung geltend machte, fördernd entgegen. Verdienste Als Wanderlehrer umherziehend traten die Sophisten in verschiede- Sophien, nen Städten auf und verbreiteten gegen Ehre und klingenden Lohn ihre Weisheit. Sie beschränkten ihre Lehre nicht auf Philosophie allein, sondern kamen dem allgemeinen Verlangen nach umfassenderer Bildung überhaupt entgegen. So machten sie die allgemeine Bildung universalistisch. Gemeinsam ist allen Sophisten die Methode, die vielfach in Rederei und Disputierkunst ausartete. Ihnen verdankt Athen seine damalige bewundernswerte geistige Regsamkeit. Am größten sind ihre sprachlichen Verdienste, sie sind die Schöpfer und Bildner der attischen Prosa und haben so einen bedeutsamen Einfluß auf die attische Beredsamkeit ausgeübt. Die Sophisten selbst und ihre Tätigkeit erscheinen vielfach in bedenklichem Lichte, einesteils weil wir sie in der Hauptsache aus den mit scharfer Satire gewürzten Dialogen Platos kennen, anderseits weil ihre Schüler aus ihren Lehren Folgerungen zogen, die den Lehrern nicht zur Ehre gereichten. Die Die größten Sophisten waren Protagoras aus Abdera, Gorgias Sophisten Qu§ Leontini, Prodikos von Keos und Hippias ans Elis. Der grundlegende Satz des Protagoras „Der Mensch ist das Maß aller Dinge" (jiävuüv xqr)ftät(ov juhgov eoziv äv&gcotiog) ist charakteristisch sür den Unterschied dieser ganzen philosophischen Richtung zu der früheren. Alle Wahrheit ist subjektiv, wie sie dem einzelnen erscheint. Das sprach auch Gorgias scharf aus in dem. Satze: Es ist nichts; wäre aber doch etwas, so wäre es nicht erkennbar; wäre es doch erkennbar, so wäre es nicht mitteilbar. Gibt es also keine objektive, sondern nur subjektive Wahrheit, so liegt die Forderung des Protagoras nahe, ein Weiser müsse es verstehen, seiner Meinung unter allen Umständen zum Siege zu verhelfen (ror fjxroo Xöyov xqeixtu) noieiv). Darin besteht das Wesen der Dialektik, die Gorgias vor allem ausbildete, wie er denn überhaupt der eigentliche Begründer der Rethorik ist. Bedenklich im höchsten Maße wurde die Subjektivität, wenn sie auf das sittliche Gebiet übertragen wurde. Einem Protagoras und auch einem Prodikos. wie die von ihm stammende Erzählung von Herakles am Scheidewege zeigt, lag das noch fern. Doch

19. Geschichte des Altertums - S. 114

1879 - Mainz : Kunze
114 Zweiter Abschnitt. Schon lange vor Sokrates gab es in Griechenland Leute, welche sich mit den Lehren der griechischen Religion der den Ursprung der Welt und der Götter nicht begngten, sondern durch grndliches Nachdenken weiterforschen und ihr eigenes sowie das Leben des Staates nach den Grundstzen der Wahrheit und der Weisheit Die? Welsen ordnen wollten. Dies bezweckten insbesondere die sieben Weisen tanbs. Griechenlands, deren Namen, Denk- und Sittensprche in folgenden Versen enthalten sind: Ma zu halten ist gut," das lehrt Kleobulus von Lesbos; Jegliches vorbedacht," heit Ephyras Sohn Periander;*) Wohl erwge die Zeit," sagt Pittacus von Mitylene; Mehrere machen es schlimm," wie Bias meint der Priener; Brgschaft bringet dir Leid," so warnt der Milesier Thales; Kenne dich selbst," so befiehlt der Lacedmonier Chilon; Endlich: Nimmer zu sehr!" gebeut der Kekropier Solon. Andere Männer suchten nach dem Urgrund aller Dinge und Thales und glaubten ihn im Wasser (wie Thales von Milet), im Feuer, in der Pythcigoras. gu^. unfo in der Erde zu finden, während ihn Pythagoras (550 v. Chr.) durch Zahl und Ma lsen wollte. Man nannte alle diese Leute ehedem Weise oder, wie Pythagoras wnschte, Philosophen d. h. Liebhaber der Weisheit. Es gab unter denselben recht strebsame und besonnene Männer, aber auch leichtfertige und verderbliche, die Die Sophisten, welche in hochtrabenden, langen Phrasen der alle Gegen-Sophisten. j^nbe ^ urtheilen sich erdreisteten. Sie strebten nicht nach Wahr-heit, sondern nur nach einem Schein von Wahrheit, priesen Geld und Gut als das Hchste und bethrten mit ihren Worten Jung und Alt. Ein ganz anderer Mann war Sokrates; eine innere Stimme trieb ihn an, die Wahrheit zu erforschen und seinen Geist zu bilden. Vor Allem dachte er der das Wesen der Götter und die Bestim-mung des Menschen auf Erden nach, ferner worin die wahre Glck-seligkeit bestehe und welcher Unterschied zwischen Leib und Seele sei. Rastloses Unermdlich forschte er dem Allen nach; er gieng berall hin, bald @oirateges ou ^en Gelehrten und den Staatsmnnern, bald zu den Handwerkern nach Wahr- und Soldaten, fragte die Leute aus und suchte Belehrung. So kam ^eit er denn nach langem Forschen zu einer tiefen Kenntnis dieser Dinge, sammelte Schler um sich und theilte ihnen das Ergebnis *) Ephyra war der alte Name fr Corinth; Mitylene lag aus der Insel Lesbos; Priene und Milet waren Städte in Kleinasien; der Kekropier ist der Athener (Kekropia hie Athen).

20. Geschichte des Alterthums - S. 417

1852 - Weimar : Albrecht
417 ließen, als auch für bedeutende Summen Jünglinge ganz in die Lehre nahmen. Bei der damals in Griechenland herrschenden Lern- begierde strömten ihnen Zuhörer und Zöglinge in Menge zu, und die Ankunft eines bedeutenden Sophisten wurde in einer Stadt wie ein Fest gefeiert. Doch nicht in dem Gelderwerb durch Scheinweisheit bestand das Wesen der Sophisten, sondern in Beziehung auf die Philosophie in dem Verzichten auf wahre Erkenntniß. Mil kühnem Muthe hatten die früheren Philosophen die Natur der Dinge zu erforschen und die wichtigsten Fragen zu beantworten gesucht; die verschiedensten Antworten, hatten Beifall und Anhang gefunden; aber die Verschiedenheit der Ansichten hatten den Zweifel an aller Erkenntniß der inneren Natur der Dinge geweckt. Es trat eine Zeit des Zweifels, der Skepsis, ein, in welcher die Allgemeingül- tigkeit jedes Wissens bezweifelt und verneint wurde. Protagoras von Abdera lehrte in der Zeit des Perikles in Athen, jedes Erken- nen sei subjektiv und habe nur für den einzelnen Menschen Gültig- keit. Nach dieser Lehre haben auch entgegengesetzte Ansichten über denselben Gegenstand gleiche Geltung, und es kömmt nur darauf an, ihnen diese zu verschaffen und den Schein der Wahrheit zu geben. Darum gehörte es zu den Hauptleistungen des Protagoras und der Sophisten überhaupt für und wider dieselbe Sache auf gleich überredende Weise sprechen zu können, nicht um die Wahrheit zu finden, sondern um das Nichtsein der Wahrheit darzuthun. Gor- gias aus Leontini in Sicilien, welcher zuerst als Gesandter seiner* Vaterstadt 427 v. Chr. nach Athen kam, benutzte die dialektische Methode der Eleaten, nicht um deren Behauptung eines ewigen, einigen Seins, sondern um das Gegentheil zu beweisen, nämlich daß nichts sei; daß, wenn etwas fei, es nicht erkennbar sei; daß wenn etwas sei und erkennbar fei, es nicht durch die Rede mitzu- theilen fei. Daraus folgte wieder, daß das Streben des Weisen nicht auf Erkenntniß, sondern darauf gerichtet sein müffe, diejenigen Vorstellungen in anderen Menschen zu erwecken, die zu erwecken ihm wünschenswerth sei. Ihrem Standpunkte gemäß wandten sich die Sophisten ab von der naturphilosophischen Spekulation der früheren Philosophen und richteten ihre Aufmerksamkeit mehr auf die allgemeine Bildung und Aufklärung; sie wollten Lehrer der Tugend d. h. der politischen Tüchtigkeit und Redekunst sein. Gorgias versprach nur, seine Schü- ler zu gewaltigen Rednern zu machen. Da die Sittlichkeit in Grie- chenland bereits tief erschüttert war, so mußte sie gänzlich unter- graben werden durch die Lehre der Sophisten, daß, wie für jeden wahr sei, was er für wahr halte, so auch für jeden recht sei, was er für recht halte. Protagoras und Gorgias scheuten sich, Tugend und Gottesfurcht für einen leeren Wahn zu erklären; ihre Schüler aber thaten dieses bei zunehmender Emancipation von allen herge- brachten Grundsätzen. Im Laufe des peloponnestschen Krieges bil- dete sich eine Klasse von einflußreichen Sophisten, welche behaupte- ten, der Glaube an die Götter so wie die Gerechtigkeit wären Er- findungen alter Herrscher und Gesetzgeber, und diese Vorstellungen wären nur verbreitet worden, um die rohe Menge im Zaum zu hal- ten, oder die Gesetze waren nur von schwachen Menschen zu ihrem 27