§2 Die ersten Religions-Unruhen
Gegen Luther wollten ihn einige erbitterte Gegner des-
selben sogleich zur Gewaltthätigkeit bereden, durch Gründe,
denen ähnlich, welche Huß auf den Scheiterhaufen gebracht
hatten; allein Karl erwiederte, daß ihm sein kaiserliches
Wort unverletzlich sey, und gewährte Lnthern das freie
Geleit zur Rückreise auf 21 Tage. Viele zitterten dennoch
für dessen Leben, heimlichen Verrath fürchtend, und sein
Herr, der Churfürst, ließ ihn in Thüringen durch vermumm-
te Reuter, wie mit Gewalt, vom Wagen nehmen und in
der Nacht, durch einen Wald, auf das Bergschloß Wart-
burg bei Eisenach bringen. Hier sollte er allen verborgen,
verweilen, bis sich der Eifer der Gegner etwas gelegt hatte.
In Worms wurde indeß die Reichsacht gegen ihn ausge-
sprochen, so wie gegen alle die, welche ihm anhangen oder
ihn schützen würden. Seine Bücher sollten aller Orten
verbrannt werden, und ihn selbst sollte man gefangen neh-
men und dem Kaiser überliefern; — dies ist das W o r mse r
Edict vom 8 (26) Mai 1521. Zu Rom war große Freu-
de darüber; auch in Deutschland glaubten viele, die Sache
sey nun zu Ende. Allein ein Spanier selbst schreibt noch
von dem Reichstage an einen Freund: „Ich sehe nicht das
Ende dieser Tragödie, sondern den Anfang.". Denn ich^fin-
de, daß die Gcmüther der Deutschen sehr gegen den päpst-,
lichen Stuhl aufgebracht sind." •— Und in der That wur-
den in Worms, wahrend der Kaiser noch in der Stadt war,
nachdem Luthers Schriften öffentlich verbrannt waren, die-
selben ohne Scheu zum Verkauf herumgetragen.
6- Die ersten Religions-Unruhen.
Luther saß einsam auf der Wartburg und benutzte die
Ruhe dieses Aufenthalts zur Ueöcrsetznng des Neuen Testa-
ments in's Deutsche, damit cs jedermann zugänglich wür-
de. Da kam zu ihm die Nachricht, daß aus nbelvcrstan-
ncm Eifer Unruhen in Wittenberg ausgebrochen seyen; daß
man die Kirchen stürme, die Heiligenbilder mit Gewalt her-
auswerfe, Altäre und Beichtstühle zerstöhre; und daß sein
Freund Karlstadt, ein heftiger Mensch, an der Spitze
dieser Ausschweifungen stehe. Luther, alle Furcht hintan-
setzend, verließ sogleich seinen Zufluchtsort und erschien im
März 1522, ohne die Erlaubniß des Churfürsten eingeholt
zu haben, in Wittenberg, predigte kräftig gegen die Unruh-
stifter, und stellte die Ordnung bald und glücklich wieder
her.
Aber es folgten nicht lange nachher ernsthaftere Auftrit-
te, welche alle bürgerliche Ordnung in Deutschland umzn-
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Thüringen Eisenach Worms Deutschland Worms Wartburg Wittenberg Wittenberg Deutschland
Vi. Ztr. Karl V. bis zum westph. Fried, 1520 — 1648. 23
stürzen drohten. Wir haben oben schon gezeigt, wie der
Bauernstand damahls noch unter einem schweren Joche
seufzte. Das Gefühl der Erbitterung hatte langein seiner
Brust im Stillen gewohnt; jetzt brach es hervor, als der
Geist auch von einer andern Seite geregt und zur Freiheit
aufgcfordert wurde. Die Dienenden glaubten jetzt zur
Gleichheit aller Rechte mit ihren bisherigen Herren be-
rufen zu scyn, und in Süddeutschland, wo der Anblick
der benachbarten freien und in ihrer Freiheit so wohlhaben-
den Schweizer die Gemüther noch mehr reizte, brach zuerst
ein Aufstand aus; die ersten waren die Bauern des Abts
von Kempten und des Bischofs von Augsburg. Es verbrei-
teten sich, mit unglaublicher Schnelligkeit, zwölf Artikel
von Schwaben aus durch ganz Deutschland, welche die Rech-
te und Forderungen des Bauernstandes enthielten. Zu-
erst sollte den Bauern erlaubt seyn, ihre Geistlichen selbst
zunvähten, welckeihncn das Wort Gottes rein, ohne Vermi-
schung menschlicher Satzungen, predigten; in Zukunft soll-
ten sie keinen Zehnten geben, als vom Korn; man habe
sie bis dahin als Sklaven behandelt, da sie doch durch
Christi Blut alle zu freien Leuten geworden seyen; sie
wollten zwar nicht ohne Obrigkeit, aber auch nicht mehr
unter der bisherigen Sklaverei leben, man erweise ihnen
denn aus der heiligen Schrift, daß sie schuldig seyen, es
zu thun. Sie hätten sich über viele Dinge zu beschweren;
es sollten daher die Landesherrn nach der Billigkeit und
Vorschrift des Evangeliums verfahren, die Unterdrückun-
gen mäßigen, und über dasjenige, was sie von alten Zei-
ten her getragen, ihnen nicht noch täglich ein mehrcres
auslegen."
Wir sehen, das Wort war gerecht und gemäßigt; aber
wenn die Ausführung dem rohen Haufen übergeben wird,
so werden die Leidenschaften das schwache Wort bald über-
wältigen, und durch alle Schranken hindurch brechend,
kein Maaß mehr kennen. Der Kläger will zugleich Richter
in seiner eignen Sache seyn und übt sicher dieselbe Ungerech-
tigkeit aus, welche ihn gedrückt hat. Die versammelten
Haufen der Bauern fingen damit an, daß sie die Schlösser
der Adelichen und die reichen Sitze der Geistlichen plünder-
ten und verbrannten, und viele ihrer Besitzer ermordeten.
Bald wuchsen die Haufen zu Heeren an, deren sich dreie
allein in Schwaben sammelten. Luther, dem sie ihre Arti-
kel zum Gutachten zugesendet hatten, gestand, daß ihre
Forderungen gerecht seyen, aber er schalt ihr gcwalthätiges
Verfahren sehr und hielt ihnen vor, daß die christliche Freiheit
eine geistige sey. Und um die Schuld solcher Ausfchwei-
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V.
Extrahierte Ortsnamen: Süddeutschland Augsburg Schwaben Deutschland Gottes Christi Schwaben
24 , Die ersten Religions - Unruhen.
fungen von seiner Lehre abzuwenden, welche auch nur mit-
telbar dazu mitgewirkt hatte, forderte er die Fürsten selbst
auf das Schwerdt gegen die Anführer zu ziehen. Und dazu
war es hohe Zeit; denn schon rauchten die Rittersitze und
Klöster in Schwaben, Franken, Thüringen, am Rheinstrom
und bis in Lothringen.
Der schwäbische Bund, welcher wieder erneuert
war, brachte schnell ein Heer zusammen, und unter dem
Hauptmann G eorg Truchseß von Waldburg trieb
dieses bald die verschiedenen Haufen der Bauern in Schwa-
ban und Franken auseinander. Andere Fürsten halfen.
Aber es wurden von beiden Seiten die empörendsten Grau-
samkeiten verübt.
In Thüringen zeigte sich eine Verirrung des auf-
geregten Zeitgeistes in etwas anderer, doch verwandter,
Art; siepaarte sich mit religiöser Schwärmerei). Ein Welt-
geistlicher, Thomas Münzer, der früher Luthers Zu-
hörer gewesen war, rühmte sich besonderer göttlicher Offen-
barungen, durch welche ihm das Wesen der christlichen Frei-
heit viel klarer kund geworden sey als Luther sie kenne und
lehre. „Gott habe die ganze Erde zum Erbtheit der Gläu-
bigen gemacht, und alles Regiment müsse nur nach der Bi-
bel und göttlichen Offenbarungen geführt werden; der Für-
sten, der Obrigkeiten, des Adels/der Priester, bedürfe es
nicht, und der Unterschied zwischen Armen und Reichen sey
ein unchristlicher; denn im Reiche Gottes müßten alle Men-
schen gleich seyn." Solcher Lehren wegen war Münzer
aus Sachsen verwiesen und nach Mühlhausen in Thü-
ringengezogen, wo er den Pöbel gewann, die Obrigkeit
absetzen, sich aber zum Prediger und zum Herrn der Stadt
machen ließ. Seine Lehre von der Gleichheit aller Menschen
und die Gütergemeinschaft, die er einführte, nachdem er
die Reichenaus der Stadt getrieben hatte, mehrten seinen
Anhang und verbreiteten ihn bald auch über das umliegen-
de Land. Ganz Thüringen, Hessen und Niedersachsen wa-
ren in Gefahr; in Süddeutschland tobte zu gleicher Zeit der
Bauernkrieg, die Schwärmer aller Gegenden konnten in
eine große Fluth zusammenströmen. Da vereinigten sich,
auf Luthers Zureden, der Churfürst von Sachsen, der Land-
graf von Hessen und der Herzog von Braunschweig gegen
die Aufrührer und trafen auf sie bef Frankenhausen in
Thüringen, 1526.
Der Churfürst, um die Verirrten mit Schonung zu ge-
winnen, ließ ihnen Verzeihung versprechen, wenn sie zur
Ordnung zurückkehren und ihre Anführer ausliefern woll-
ten'. Aber Münzer die eigne Gefahr von sich abzuwendcu,
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Vi. Ztr. Hart V. bis zum westph. Fried. 1520 — 1648. 25
benutzte die Erscheinung eines Regenbogens zur neuen Be-
geisterung der Seinigen, indem er ihn als ein Zeichen an-
kündigtc, das Gott sende. Wüthend hieben^ sie den Abge-
ordneten des Churfürsten in Stücken und stürzten zum An-
griff; allein in wenigen Augenblicken war ihr blinder Un-
gestüm gebrochen; die Schaaren der Engel, die Münzer
versprochen hatte, erschienen nicht; er selbst war einer der
ersten, welche die Flucht ergriffen, und die Halste seiner
Schaar fiel"dnrch's Schwert. Er hatte sich in Franken-
Hausen auf dem Boden eines Hauses verborgen, ward aber
hervorgezogen und enthauptet; er starb ohne Muth. '
So waren die furchtbaren Bewegungen schnell wieder
gedampft, welche die ganze Verfassung Deutschlands Um-
stürzen konnten, wenn die aufgeregten Kräfte von großen
Männern geleitet worden wären. Sie batten viel Blut ge-
kostet; man rechnete mehr als 109,000 Bauern, welche in
diesen Unruhen das Leben verloren. — Nach diesem folgte
einige Zeit die Ruhe im Vatcrlande.
Kaiser Karls auswärtige Händel.
Der Kaiser Karl war indessen auswärts beschäftigt.
Von dem Reichstage in Worms war er nach den Niedertan-
den gegangen und besuchte darauf auch Spanien wieder, wo
er fast 8 Jahre blieb; seine Sorge mußte beinahe die Enden
Europas umfassen. Doch war sein Blick vor allen Dingen
auf den König Franz I. von Frankreich gerichtet, der als
ein feindlichgesinnter Nachbar und Nebenbuhler auf jeden
Vortheil achtete, welchen er ihm etwa abgewinnen möchte.
Wir dürfen nicht nach besonder« Ursachen der Eifersucht zwi-
schen beiden suchen; in ihrem Gemüthe, so wie irr dem ge-
genseitigen Verhältnisse beider als Herrscher lagen der Grün-
de genug. Franz war ehrgeizig und stolz; Karls Seele war
nicht weniger erfüllt von diesen Regungen, welche in ihm nur
eine großartigere Gestalt angenommen hatten. Beide waren
schon Nebenbuhler bey der Kaiserwahl gewesen, und Franz,
der ältere, der sich durch ritterlichen Ruhm und persönliche
Eigenschaften über dem Gegner hielt, fühlte sich durch dessen
Vorzug gekränkt. Das Herzogthum Mailand ferner, wel-
ches Franz erobert hatte, ein Lehen des deutschen Reiches,
lag für Karl als eine Aufforderung da, es der französischen
Macht durch die Waffen wieder zu entreißen; dagegen war
Karls drohende Uebermacht in Europa eine so nahe Ursache
der Besorgniß für alle übrigen Herrscher, daß Franz, welcher
-nächst ihm das mächtigste Reich besaß, sich vor allen andern
zum Kampfe gegen ihn berufen glaubte. Er hatte sein An-
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Extrahierte Personennamen: Karls Karl Karl Franz_I._von_Frankreich Franz_I. Franz Franz Karls Franz Franz Franz Franz Karl Karl Karls Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Franken-
Hausen Deutschlands Karls Worms Niedertan- Spanien Europas Karls Mailand Karls Europa
2ö Kaiser Karls auswärtige Händel.
genmerk auf Italien gerichtet, wo ihm schon ein Unterneh-
men gelungen war; hier sollte Karls Macht gebrochen wer-
den, und er suchte alte Ansprüche ans Neapel hervor, um
an diesem Lande sein Glück zu versuchen. Karl dagegen
stärkte sich durch ein Bündniß mit Heinrich Vii!. von Eng-
land, dessen Eitelkeit Franz unvorsichtig verletzt hatte, und
der Krieg, der schon im Jahre 1521 begonnen hatte, wurde
nun durch Engländer und Niederländer von den Niederlan-
den, an den Pyrenäen von Spanien aus, mit der größten
Anstrengung der Kräfte aber in Italien geführt. Karl hatte
den Nachtheil gegen sich, der immer aus sehr zerstreuten Be-
sitzungen fließt, daß seine Macht sich zu sehr theilen mußte,
Franz konnte dagegen von seinem Mittelpunkt aus, der
die Kräfte in Einem geschlossenen Kerne vereinigte, nach
der Seite hin plötzlich den Stoß richten, nach welcher er
wollte. Allein darin bestand Karls große Ueberlegenheit,
und spiegelte sich seine wahre Herrschergröße, daß er eine
Schaar der trefflichsten Männer um sich versammelt
hatte, und daß er sie mit scharfem Auge durchschaute, wen
er als Feldhcrrn gegen den Feind stellen, wen als Gesand-
ten die verwickelten Knoten der Staatskunst lösen, wen
im Rathe als den Besonnenen und Weisen das Wort reden
lassen konnte. Durch die geistigen Kräfte wird die Welt re-
giert ; Karl verstand die Kunst, sie seinem Dienste zu gewin-
nen.
Ein tapferer französischer Heerführer, der Herzog Karl
von Bourbon, war vom Könige Franz schwer gekränkt
und ging zu Karl über. Dieser nahm ihn mit offnen Armen
auf, und er führte nun mit dem Vicekönig von Neapel, Lan-
uvy, und dem Marchese von P escara, dem ersten Kriegs-
fürsten seiner Zeit, die kaiserlichen Heere in Italien; Franz
dagegen verlor im I. 1524, bey dem Rückzuge seiner Trup-
pen, seinen tapfersten Krieger, den Ritter Bayard, wel-
cher an der Seffia durch seinen Heldenmuth zwar das rück-
ziehende Heer rettete, aber selbst tödlich verwundet, starb.
Der Vortheil des Krieges schien schon ganz für den Kai-
ser entschieden; Mailand war wieder erobert, die Franzo-
sen aus Italien vertrieben. Allein nun wollte Karl Frank-
reich selbst angreifen, und ließ sein Heer in die Provence
einfallen und Marseille belagern; und darüber hatte er
beinahe fein Uebergewicht wieder verloren. Äon dieser
Seite ist Frankreich schwer zu verwunden. Die Stadt konn-
te nicht erobert werden und das Land umher war von dem
Feinde selbst verwüstet, so daß Pcscara sich zum Rückzuge
gezwungen sah. Nur seine Meisterschaft als Kriegsführer
rettete das Heer auf dem beschwerlichen Wege; denn der
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von_Bourbon Karl Franz Franz Karl_über Karl Franz Franz Ritter_Bayard Karl_Frank- Karl
Extrahierte Ortsnamen: Karls Italien Neapel Niederlan- Spanien Italien Karls Neapel Italien Mailand Italien Marseille Frankreich
Vi. Ztr. Kart V, bis ¿mit westph. Fried. 1520 —1648 27
König Franz folgte ihm auf der Ferse, eroberte Mayland
und griff die Stadt P a v i a an. Die kaiserlichen Feldherrn
waren in großer Verlegenheit: Vor ihnen^der viel stärkere
Feind, welcher einer der Hauptstädte bedrängte; in ihrem
Rücken das Gebiet des .Papstes, der mit Franz ein Bünd-
niß geschlossen hatte; in ihrem Heere selbst Mangel aller
Art und die Erschlaffung, die ein langer Rückzug er-
zeugt. Allein ihr eigner Muth und Scharfblick, und das
Glück, machten dieses Alles wieder gut.
Schlacht bei pavia. 1525. — Der Befehlshaber,
welcher Pavia vertheidigte, Don Antonio de Leyva,
wankte nicht, sondern hielt eine harte Winterbelagerung
bis zum Febr. 1525 standhaft aus. Unterdeß war dem kai-
serl. Hec-.e eine Verstärkung aus Deutschland von 15,000
Lanzknechten unter dem tapfcrn Georg von Freu ads-
berg oder Frundsberg gekommen, und den 28stcn
Febr. griffen sie den König bei Pavia an. Pescara's schar-
fes Auge hatte den rechien Angriffspunkt von einer Seite
ausersehen, woher der König keinen Feind erwartete.
Durch einen großen , mit Mauren umgebenen Waldgarten
glaubte er seinen Rücken gedeckt, aber Pescara hatte durch
dessen Mauren in der Nacht vorher einen Weg bahnen fas-
sen, und brach nun stürmend hervor. Zu gleicher Zeit
machte Leyva einen Ausfall aus der Festung, und Lannoy
und Bourbon kamen von einer andern Seite. Da kam
bald Unordnung in das französische Heer; die Schweizer
in demselben flohen, gegen ihre Gewohnheit, bald vom
Schlachtfelde, tapfer fochten die deutschen Miethstruppen
in Franzens Heere, allein noch tapferer Georg von Frcunds-
berg mir den Seinigen, und ihnen dankten die Feldherrn
vorzüglich den Sieg; die Deutschen hieben ihre Landsleute
aus Erbitterung, weil sie den Franzosen dienten, beinahe
bis auf den letzten Mann nieder. — Dem König Franz
war das Pferd erschossen, und zu Fuß vertheidigte er sich
noch gegen einen Haufen Spanier, die ihn umringt hatten
und nicht kannten. Zu seinem Glück kam ein französischer
Edelmann, Pomperant, der unter Bourbon diente, dazu,
erkannte den König und forderte ihn auf, sich dem Herzog
zu ergeben. Aber mit Unwillen befahl der König, den Lan-
noy herbeizurufen. Der Kampf hielt inne, bis dieser kam,
und ihm übergab der König seinen Degen. Lannoy nahm
ihn knieend an und überreichte ihm sogleich den seinigen :
„Es scy ungeziemend, sagte er, daß ein so großer König
vor einem Ünterthan des Kaisers waffenlos dasiehe."
Vierzehn Tag nach dieser Schlacht war kein Feind mehr
in Italien.
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Franz Franz Muth Don_Antonio_de_Leyva Georg_von_Freu Leyva Georg_von_Frcunds- Franz Franz Lannoy
Extrahierte Ortsnamen: pavia Pavia Deutschland Frundsberg Pavia Pescara Franzens Italien
28
Kaiser Karls auswärtige Händel.
Karl war fast unzufrieden über das zu große Glück,
welches ihm nun nichts mehr zu thun übrig lasse. „Weil
ihr mir nun den König von Frankreich gefangen habt,
sagt er in einem Briefe an Lannoy, so seheich, daß ich nun
nichts mehr, als gegen die Ungläubigen thun kann. Ist-
Habe allezeit den Willen dazu gehabt, und jetzt um so mehr.
Helft doch die Sachen gut cinrichten, daß ich , ehe ich viel
älter werde, noch Thaten verrichten könne, die zu Gottes
Dienst und mir nicht zum Tadel gereichen."
Der König Franz wurde nach Madrid gebracht und
streng verwahrt. Ueber die Art, wie er behandelt werden,
und wie der Kaiser dieses Geschenk des Glücks benutzen müs-
-e, war unter seinen Räthen eine entgegengesetzte Meinung.
Die eine Parthei, wozu Lannoy gehörte, rieth, den Kö-
nig großmüthig zu behandeln, um dadurch den Säumender
Feindschaft vielleicht auf immer zu vernichten; die andere,
mit dem Kanzler Mercurinus Gattinara an der
Spitze, wollte aus der Gelegenheit so viel Vortheil als mög-
lich ziehen. Der Kaiser wählte den Mittelweg zwischen beiden
und verlor dadurch die Früchte des ganzen Glückswechsels.
Der Vortheil, welchen ihm der Kanzler vorhielt, gefiel ihm
wohl; er forderte von dem Könige, als Preis der Loslas-
sung, das Herzogthum Burgund zurück, welches Frank-
reich seiner Großmutter Maria unrechtmäßig entrissen hat-
te , und welches er ganz besonders werth hielt. Allein den
König auch so lange gefangen zu halten, bis die Bedingung
wirklich erfüllt scy, — so rieth sein Kanzler, — schien
ihm zu hart und unkaiserlich. Er verließ sich auf des Kö-
nigs Wort; aber dieses, so ritterlich es Franz zu geben
schien, war nicht redlich gemeint. Ehe er den Vertrag Un-
terzeichnete, ließ er einige vertraute Menschen aus Madrid
heimlich zu sich kommen, und stellte in Gegenwartdes päpst-
lichen Nuntius eine Erklärung aus, daß er das nicht zu
halten brauche, was er dem Kaiser Zusagen müsse, weil er
ein Gefangener sey; und auch der Papst hatte ihn schon im
Voraus von allem entbunden, was er versprechen würde.
Mit solcher Gewissensberuhigung ausgerüstet ging er zum
Altäre, und schwur auf die heiligen Evangelien, daß er
die eingegangenen Bedingungen halten wolle. Zugleich gab
er sein königliches Ehrenwort, daß er, wenn er das Ver-
sprochene nicht halten könne, in sechs Monaten in die Ge-
fangenschaft zurückkehren wolle. — Solche Früchte trägt
die sogenannte Staatsklugheit, welche sich von den ewigen
Gesetzen der Wahrheit und Sittlichkeit nicht gebunden
glaubt! — , . ^ ,
Franz wurde 1526-entlassen, nachdem er über ein Jahr
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Extrahierte Personennamen: Karls Karl Franz Franz Mercurinus_Gattinara Maria Maria Franz Franz Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Karls Frankreich Madrid Burgund Madrid Gegenwartdes
Vi. Ztr Karl V. bis zum wcstph. Fried. 1520 — 1648 29
in der Gefangenschaft gewesen war, — und hielt seinen
Vertrag nicht.' Er entschuldigte sich damit, daß seine Stan-
de durchaus nicht in die Abtretung von Burgund willigen
wollten, und bot daun eine große Summe Geldes für die
Befreyung seiner beiden ältern Söhne an, die er statt sei-
ner als Geißeln nach Spanien geschickt hatte. Aber Karl
ließ ihm antworten: „Er verletze Treu und Glauben, die
er ihm öffentlich und auch im besondern gegeben, und hand-
le nicht, wie es einem Manne von edler Geburt und einem
Fürsten gezieme. Wolle er cs leugnen, so erkläre er hie-
mit, daß er die Wahrheit davon durch die Waffen erhär-
ten und im Zweikampf beweisen wolle."
Franz nahm die Herausforderung zwar mit Worten an,
wußte aber der That selbst unter mancherlei) Vorwänden
auszuweichen, und so mußten die Völker wieder mit ihrem
Blute ausfechten, was der Herrscher Leidenschaft, Ehrgeiz
und Zorn aufgeregt hatte. Der Krieg zwischen Karl und
Franz brach von Neuem aus.
L>ie kaiserlichen in Äom. 1527 — Vorher indeß
war in Italien eine unerhörte That geschehen. Das kai-
serliche Heer in Mayland stand jetzt unter dem Oberbefehl
des Herzogs von Bourbon, nachdem der treffliche Pes-
cara gestorben war. Das Land war ausgezehrt, die Be-
fehlshaber ohne Geld, die Truppen murrten und forderten
lhren Sold, alle Mittel der Beruhigung waren vergeblich;
da brach das Heer plötzlich im Jan. 1527 gegen Rom auf,
ohne irgend einen Befehl des Kaisers; man weiß nicht, ob
nach Willen des Herzogs von Bourbon, welcher vielleicht
große Planen des Ehrgeizes gefaßt hatte, oder aus einem
raschen Entschlüsse der Menge, die in Rom Ucberfluß al-
ler Bedürfnisse und eine reiche Beute zu finden hoffte. Ge-
nug/ Bourbon gab dem allgemeinen Drange nach und kam
nach einem sehr beschwerlichen Zuge vor Rom an. Es war
ein Haufe, aus allen Völkern Europa's gemischt. Am liten
May erging der Befehl zum allgemeinen Sturm der alten
Welthauptstadt; Bourbon war einer der Ersten auf der
Mauer, und sein Beispiel feuerte die Stürmenden an; aber
kaum hatte er einige Augenblicke da oben mit dem Schwerdte
gefochten, als ein Schuß ihn niederwarf. Die Seinigen
mdeß drangen in die Stadt, und eine Plünderung und
Verheerung, wie zur Zeit der Vandalen, wüthete nun meh-
rere Tage in den Mauern derselben. Der Papst hatte sich
mit seinen Getreuen in die Engetsburg geflüchtet; hier wur-
de er einige Monate belagert, bis die Noth ihn zwang, eine
Summe von 400,000 Ducaten zu versprechen, damit das
völlig losgebundene Heer seinen Sold erhalten konnte.
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Karl Karl Franz Franz Karl Karl Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Burgund Spanien Italien Mayland Rom Rom_Ucberfluß
K Die Airchentrennung.
lichen Standes, wenigstens inseinen meisten Gliedern, —-
denn einzelne weise, kcnntrußreiche Männer konnten die
Finsterniß der größeren Menge nicht erhellen. Und wie aus
der Finsterniß des Geistes immer das Laster folgt, welches
nur durch L icht zu verscheuchen ist, so waren auch damahls
eine Menge Geistlicher von Sünden befleckt, den Guten ein
Abscheu, dem Bolke ein Aergerniß. Im Jahr 1503, also
geraume Zeit ehe Luther auftrat, schilderte einer der ersten
Theologen Deutschlands das Sinken des geistlichen Stan-
des mit starken Zügen. »Das Studium der Gottesgeiahrt-
heit ist verachtet, sagteer, das Evangelium Christi, wie
die herrlichen Schriften der Vater, "vernachlässigt; vom
Glauben, von der Frömmigkeit, Mäßigkeit und andern Tu-
genden , welche selbst die bessern Heiden gepriesen, von den
Wundern der Gnade Gottes gegen uns, und von Jesu Ver-
diensten ist bei ihnen ein tiefes Stillschweigen. Und sol-
che Leute, die weder Philosophie noch Theologie verstehen,
werden zu den höchsten Würden der Kirche, zum Hirtcnamt
über die Seelen erhoben! Daher der jammervolle Verfall
der christlichen Kirchen, die Verachtung der Geistlichen,
der gänzliche Mangel an guten Lehrern! Das ruchlose Le-
den der Geistlichen schreckt gutgesinnte Ettern ab, ihre
Söhne diesem Stande zu widmen. Sic setzen die Erfor-
schung der heiligen Schrift gänzlich hintan, verlieren bcu
Geschmack an ihrer Schönheit und Kraft, werden träge und
lau in ihrem Amt und begnügen sich, wenns nur gcthan,
gesungen und gepredigt, und bald Wiederaus ist! Mit ei-
nem Menschen, der ihnengeld schuldig ist, reden sie ernst-
hafter und besonnener als mit ihrem Schöpfer. Aus langer
Weile bei ihrem Amt verfallen sie, anstatt auf Bücher, auf
Spiel und Schwelgen und u u z ü ch tigcs Leben,
ohne sich aus der allgemeinen Verachtung im mindesten et-
was zu machen. Wie ist es also nur möglich , das bei sol-
chem Zustande die Laien sie und die Religion irgend achten
können?. Das Evangelium nennt den Weg' zum Himmel
enge, sie aber machen ihn breit und lustig.«
Daß solche Schilderung nicht zu stark war, sehen wir
aus hundert andern, unverdächtigen Zeugnissen. Und ob-
gleich die Mönche eben jenen Lehrer, dersieso hart getadelt,
beim Papste Julius H. anklagten, so hatte er doch die Wahr-
heit so sehr auf seiner Seite, daß ihn die päpstlichen Com-
mißaricn selbst lossprachen. Völlig einstimmig, mit jenen
Klagen redet der fromme Bischof von Augsburg, Christoph
von Stadion, in einer Synodalrede an seine Geistlich-
keit; er wirft ihnen die gröbsten Laster vor, durch welche
die Kirche und das Volk mit verschlimmert werden müßten;
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Extrahierte Personennamen: Jesu Julius_H. Christoph
von_Stadion
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Christi Augsburg
Vi. Ztr. Karl V. bis zum westpb. Fried. 1520 — 1648. 9
und gleich bitter klagt der Bischof Hugo von Co n st am z,
ein Feind übrigens der Lehre Luthers, mit vielen andern ka-
tholischen Kirchenvorstehern der damahligen Zeit.
Wie mogte es auch anders seyn, da man sich bei Ver-
leihung der geistlichen Stellen Geld zahlen liest, und auf
Fähigkeit und innere Würdigkeit wenig geachtet wurde;
und da, wie die oben erwähnten Klagen beweisen , die we-
nigsten Geistlichen das Wort Gottes kannten? War es doch
dahin gekommen, daß, nach glaubwürdigen Zeugnissen, un-
ter den ersten Kirchenvorstehern derschweizerisehen Eidgenos-
senschaft zu Anfang des leiten Jahrhunderts nicht drei
waren, welche die Bibel gelesen hatten; —
und daß, als die Walliser einst" in jener Zeit einen Brief
von Zürich erhielten, worin der heiligen Schrift gedacht
wurde, sich ein einziger Mann fand, der dieses Buch,
und zwar nur durchs Gerücht, kannte! — Wie mußte doch
die Verwilderung der Zeit groß seyn, da die Menschen von
der Quelle christlicher Frömmigkeit und Tugend also ab-
gewendet waren, daß sie kaum ihren Namen kannten.
In Italien, und namentlich in Ron., war der Unglaube
und die Unwissenheit in den göttlichen Dingen am schlimm-
sten. Unter dem sehr gebildeten Papst Leo X. (1513 — 21)
blühten die Künste zwar auf eine glänzende Weise in Rom;
allein während sie aus üppigem Boden emporschogen, erstick-
ten sie die stille Pflanze der wahren Gottesfurcht. Der
Genuß der Sinne galt als das Höchste; vor ihm konnte der
Glaube an die unsichtbare Welt nicht bestehen, und die stille
Frömmigkeit des Herzens war in den Augen der Welt zum
Gcspöttgeworden. Die Gebrauche des Gottesdienstes schien
man beizubehalten als einen Zügel für den Hausen des Vol-
kes , und dadurch mußten sie bald etwas blos Acnßerliches
werden.
Hören wir das Zeugniß des frommen Papstes Hadrian
Vi. selbst in einer Schrift an seinen Nuntius aus dem Reichs-
tage zu Nürnberg 1522: „Wir wissen, sagt er, daß in die-
sem heiligen Sitze schon einige Jahre hindurch viel Verderben
gewesen ist. Mißbrauch in geistlichen Dingen, so wie indem,
was von hier aus befohlen wurde, mit einem Wort, eine
Verschlimmerung in allem. Und es ist kein Wunder, wenn
die Krankheit vom Haupte in die Glieder, von den Päp-
sten auf die Priester übergegangon ist; daher versprechcnwir,
so viel an Uns ist, alle Sorgfalt anzuwenden, daß zuerst
unser Stuhl, von welchem vielleicht dieses .ganze Uebclans-
geslossen ist, umgewandelt werde, damit, so wie das Ver-
derben von da nach Unten zu gegangen, eben von daher auch
die Heilung und die Gesundheit ihren Anfang nehme."
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Hugo_von_Co Leo_X Leo
Extrahierte Ortsnamen: Luthers Gottes Italien Rom Nürnberg