340
Küste befördert und alsdann aus Schiffen nach den deutschen Ostsee-
häfen verfrachtet. Es zeigt sich hierbei die bemerkenswerte Tatsache,
der wir auch weiterhin noch begegnen werden, daß selbst dort, wo
der Versand zu Lande offensteht, der Seeweg bevorzugt wird; das
Meer ist weitaus die billigste Fahrstraße. Mehr als 920 000 Zent-
ner Flachs langten 1909 aus Rußland in Deutschland an und mußten
mit 28ffg Millionen Mark bezahlt werden.
Doch nun schnell in die Sachen! Baumwolthemd, Stiefel und
Tuchrock her, denn die Arbeit erwartet uns. Wie wir indessen das
baumwollene Hemd ergreifen, stutzen wir schon wieder; es ist, als
sollten wir heute mit unsern Gedanken in wenigen Minuten den
gesamten Erdball durcheilen. Baumwolle — welch eine machtvolle
Rolle spielt nicht in unserm Leben dies ausländische Gewächs!
Zahlen reden hier eine gewaltige Sprache. Mehr als 450000 Ton-
nen Baumwolle im Werte von 530 Millionen Mark wurden 1909
in Deutschland eingeführt, dazu noch 4400 Tonnen roher Baum-
wollengewebe für 14ffs Millionen Mark und über 20000 Tonnen
Baumwollengarn für mehr als 80 Millionen Mark. Der Umfang
der Einfuhr spricht für ein außerordentlich reges Bedürfnis, und es
ist ohne weiteres klar, daß ein jähes Aufhören der Baumwollenein-
fuhr zu den allerbedenklichsten Stockungen Anlaß geben müßte.
Das Haupterzeugungsland der rohen Baumwolle sind die Süd-
staaten der nordamerikanischen Union. Von dort aus werden jahr-
aus, jahrein gewaltige Ballenmassen des köstlichen Gutes über
die wogende Meeresflüche des Atlantischen Ozeans auf flinken
Schiffen nach Europa gebracht. Deutschland brauchte im Jahre 1909
rund 350 000 Tonnen nordamerikanischer Baumwolle im Werte
von 406 Millionen Mark.
Allein, so hören wir jemand einwerfen, wozu bedarf es über-
haupt der fernher geholten Baumwolle für unsere Kleidung? Laßt
uns neben der Leinwand die Wolle gebrauchen, die doch von den
Schafherden der Heimat gewiß noch in Hülle und Fülle geliefert wird.
Ja, guter Freund, da bist du sehr auf dem Holzweg und kommst
gelvissermaßen vom Regen in die Traufe. Um den schwankenden
Schiffsbalken und den trügerischen Meereswogen zu entgehen, flüchtest
du dich von der Baumwolle zur Wolle, aber es nützt dir nichts.
Zehn gegen eins ist zu wetten, daß die Wolle deines Tuchrvckes
auch jenseits des Ozeans ihren Ursprung hat. Die deutsche Woll-
gewinnung stellt nur noch einen kleinen Bruchteil des heimischen
Bedarfs dar. Unsere Schafherden sind, weil die ausländische Wolle
billiger ist, gewaltig zusammengeschmolzen. Die heimische Schafzucht
dient heute in der Hauptsache dazu, Fleischschafe hervorzubringen.
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Europa Deutschland
8. Und mit seinen Götterhänden
Schützt er das gequälte Tier.
„Mußt du Tod und Jammer senden,"
Ruft er, „bis herauf zu mir?
Raum für alle hat die Erde;
Was verfolgst du meine Herde?"
211. Die Gotthardbahn.
Larl Lange.
In die Reihe der großen vollendeten Alpenlinien ist am 1. Juni
1682 eine neue getreten, die Gotthardbahn. Rach der Eröffnung
der Brennerbahn im Jahre 1867 und noch mehr, als 1872 die Mont
Ctznisbahn dem Verkehr übergeben worden war, verspürte man in
der Schweiz die Abnahme des Güterverkehrs in der fühlbarsten Weise.
Die alten besuchten Alpenstraßen vereinsamten; einzelne Kantone, die
bisher mitten im Verkehr gelegen, verloren von Jahr zu Jahr an
Bedeutung. Dem mußte abgeholfen werden, und das konnte nur geschehen
durch den Bau einer Bahn, welche, die Schweiz durchschneidend, Ober-
italien mit Südwestdeutschland in kürzester Linie verband. Diese Linie
aber konnte nur über den St. G o 11 h a r d führen, denn von allen Pässen
ist der St. Gotthard paß der einfachste und natürlichste Durchschnitt
der Alpen. Von Brunnen am Vierwaldstätter See zieht sich das Tal
der Neuß wie eine gewaltige Furche hin nach Süden, bis sich der
Eebirgsstock der St. Gotthardgruppe massig in den Weg stellt; jenseits
des Gebirgsstockes führt das Tal des Tessin nach der Poebene. In
riesenhaften Windungen steigt die Fahrstraße den Gebirgsstock hinaus.
Die Bahn wählte einen kürzeren Weg. Sie bohrt sich geradeswegs durch
das Berginnere hindurch, und dieser Gotthardtunnel ist wohl das
gewaltigste Bauwerk der Neuzeit. Seine Länge beträgt 14,9 km oder
fast zwei deutsche Meilen.
Der Bau des Tunnels, der acht Jahre währte, bot verschiedene
Schwierigkeiten. Hier war das Gestein so hart, daß es der Arbeit
jedes Instrumentes zu spotten schien; dort wieder kam man an lockeres
Erdreich, das fortwährend herunterbröckelte und alle Stützen und
Wölbungen zerdrückte; dann stürzten wieder Gewässer aus den Wänden,
welche die Arbeiter bedrohten. Die Hitze im Berginnern — beim Bau
34 0, jetzt 20 0 —und die schlechte Luft, die durch große Lüftungsmaschinen
kaum genügend gereinigt werden konnte, erzeugten allerhand Krankheiten.
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone]]
359
91/2 Stunden nach Mailand, und während früher der wohlbespannte
Eilwagen von Göschenen nach Airolo 5—6 Stunden brauchte, durchfliegt
die Lokomotive in 20—25 Minuten den Tunnel.
Freilich das Gefühl einer gewissen Bangigkeit wird wohl manchen
beschleichen, wenn er in den Tunnel einfährt. Dumpfer Widerhall tönt,
indenl der Zug aus dem glatten, unterirdischen Eisenpfad dahingleitet,
von der Wölbung zurück. Trüber und trüber brennen die Wagenlampen,
und wie tanzende Irrlichter huschen die Tunnellampen vorüber. Während
oben aus der Felsenhöhe des Passes vielleicht ein eisiger Sturm weht,
der den Schnee hoch auftürmt, erreicht die Wärme während der Fahrt
im Tunnel eine Höhe, die über das Behagliche hinausgeht. — Der
Scheitelpunkt ist erreicht; allmählich macht sich eine Veränderung der
Luft bemerkbar, mit geringem Gefälle eilt der Zug bergabwärts. Schon
zeigt sich in der Ferne ein lichter Punkt — es geht dem goldnen
Tageslicht rasch entgegen — nicht lange währt es, und Airolo ist
erreicht. Nun eilt der Zug, dem Tessin das Geleit gebend, nach Bellin-
zona, wo die Bahnlinie sich teilt, einerseits zum Langensee, anderseits
zum Luganer See sich wendend. Wenn der Reisende aber während
der Fahrt durch den Tunnel an die Gefahren des Gotthardpasses denkt,
an die Lawinen und Schneestürme, wenn er sich erinnert, dasz der
Gotthard alljährlich seine Opfer an Tier- und Menschenleben forderte,
dann wird er sich aus der Reise nach dem sonnigen Süden doch lieber
und leichter dem Dampfroß anvertrauen, das ihn sicher und ungefährdet
durch die geheimnisvolle, stille Tiefe des Urgebirges trägt.
Die italienische Schweiz mit ihren ebenso großartigen als lieblichen
Landschaften sowie die schönen Ufer der oberitalienischen Seen werden
nun, leichter erreichbar, noch mehr als bisher Zielpunkte der Vergnügungs-
reisenden werden. Noch höher steht die Bedeutung unseres Schienenweges
für den Handels- und Postverkehr. Die Gotthardbahn ist die gerade
Verbindungslinie zwischen den Häfen der Nordsee, den gewerbereichen
Rheinlanden, Baden und Württemberg, den bedeutendsten Plätzen der
Schweiz einerseits und der lombardischen Tiefebene und dem größten
italienischen Mittelmeerhafen, Genua, anderseits. Wie einst der Gotthard-
paß infolge seiner vorteilhaften Lage alle andern Alpenpässe an
Bedeutung überflügelte, so bildet auch die durch die Tiefe des
Gebirges führende Gotthardbahn eine belebte und dabei in allen Iahres-
zeiten sichere Handelsstraße zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer,
zwischen Deutschland und Italien.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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TM Hauptwörter (200): [T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
285
des Vierwaldstätter Sees, führt sie, meist im Inneren des Berges, neben
der berühmten Axenstraße vorbei. Zuweilen öffnen sich dem Reisenden
Ausblicke auf den bläulichen, wundervollen Seespiegel, die ragenden
Schneeberge und auf das ganze großartige Landschaftsbild, den Schau-
platz der Tellsage. Bald hinter Flüelen tritt die Eisenbahn ins Reußtal
ein und führt zuerst auf seiner Sohle, hernach an den hohen, seitlichen
Berghängen entlang den staunenden Reisenden höher und höher auf-
wärts, den innersten Gebieten des Hochgebirges entgegen. Zuweilen
geht sie am Rande gähnender Abgründe hin, überbrückt tiefe, enge
Seitenschluchten oder schmiegt sich eng an die Flanken drohender
Felswände an. Streckenweise sind Galerien über dem Bahnkörper
errichtet, über die im Frühling sich loslösende Lawinen hinabgleiten.
Aber endlich kommen Strecken, wo das Gefälle der Reuß und der Tal-
sohle so groß ist, daß die Steigung der Bahn es nicht mehr überwinden
kann. Die Bahn bricht deshalb seitwärts durch ein Portal in einen
spiralförmig gewundenen Tunnel ein und steigt wie in Schneckenwin-
dungen mitten durch die festen Granitmassen des Gebirges zu einer
höheren Talstufe empor, auf der sie dann droben ihren kühnen Weg
fortsetzt, um endlich bei Gesehenen vor dem großen, weltberühmten
Haupttunnel zu halten, der in einer Länge von 14,9 km die Haupt-
masse des wuchtigen Gotthardstocks durchbricht.
Jenseit des großen Tunnels, der im Tale des Tessin sein Ende er-
reicht, überraschen uns ähnliche Bilder. Wieder sehen wir gleiche
Wunder der Technik im Bau der Bahn, die sich über Brücken und
Viadukte hinweg zu den reizvollen Ufern des Lago Maggiore und des
Luganer Sees hinabsenkt, wo die Grenzen Italiens liegen. Neben zahl-
reichen Personen- und Schnellzügen, die auf dieser Strecke verkehren,
kommen lange Eilgutzüge von Italien heraufgedampft. In ihren Wagen
stehen Kisten und Körbe mit Südfrüchten und frischem Gemüse, mit
Eiern und lebendem Geflügel, Fässer voll Wein, Trauben und Most
aufgestapelt. Auch sehen wir, wie auf dem umgekehrten Wege die Er-
zeugnisse des deutschen und Schweizer Gewerbfleißes und die Stein-
kohlen des Ruhrgebiets nach Italien hinüberbefördert werden.
7. Obwohl ein dicht gewobenes Netz von Eisenbahnen die ganze
vordere Schweiz durchzieht und die Mehrzahl der großen Seen daselbst
heute schon Gürtelbahnen besitzt, so ist doch bei ihrer reichen Besied-
lung und dem großartigen Fremdenverkehr daneben auch noch das
Schiffswesen gut ausgebildet. Fast auf allen Schweizer Seen verkehren
Dampfer, und auf den beiden größten, dem Bodensee und dem Genfer
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
378
5. Auf der Felsen nackte Rippen
klettert sie mit leichtem Schwung,
Durch den Ritz geborst'ner Klippen
Trägt sie der gewagte Sprung;
Aber hinter ihr vermögen
Folgt er mit dem Todesbogen.
6. Jetzo auf dem schroffen Zinken
Hängt sie, auf dem höchsten Erat,
Wo die Felsen jäh versinken
Und verschwunden ist der Pfad.
Unter sich die steile Höhe,
Hinter sich des Feindes Nähe.
7. Mit des Jammers stummen Blicken
Fleht sie zu dem harten Mann,
Fleht umsonst, denn loszudrücken,
Legt er schon den Bogen an.
Plötzlich aus der Felsenspalte
Tritt der Geist, der Bergesalte.
8. Und mit seinen Götterhänden
Schützt er das gequälte Tier.
,,Mutzt du Tod und Jammer senden,"
Ruft er, „bis heraus zu mir?
Raum für alle hat die Erde;
Was verfolgst du meine Herde?"
214. Die Gotthardbahn.
Karl Lange.
In die Reihe der großen vollendeten Alpenlinien ist am 1. Juni
1882 eine neue getreten, die Gotthard bahn. Rach der Eröffnung
der Brennerbahn im Jahre 1867 und noch mehr, als 1872 die Mont
Conisbahn dem Verkehr übergeben worden war, verspürte man in
der Schweiz die Abnahme des Güterverkehrs in der fühlbarsten Weise.
Die alten besuchten Alpenstratzen vereinsamten; einzelne Kantone, die
bisher mitten im Verkehr gelegen, verloren von Jahr zu Jahr an
Bedeutung. Dem nutzte abgeholfen werden, und das konnte nur geschehen
durch den Bau einer Bahn, welche, die Schweiz durchschneidend, Ober-
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Personennamen: Ritz Karl_Lange Karl Gotthard
381
der Fahrt durch den Tunnel an die Gefahren des Gotthardpasses denkt,
an die Lawinen und Schneestürme, wenn er sich erinnert, daß der
Gotthard alljährlich seine Opfer an Tier- und Menschenleben forderte,
dann wird er sich auf der Reise nach dem sonnigen Süden doch lieber
und leichter dem Dampfroß anvertrauen, das ihn sicher und ungefährdet
durch die geheimnisvolle, stille Tiefe des Urgebirges trägt.
Die italienische Schweiz mit ihren ebenso großartigen als lieblichen
Landschaften sowie die schönen Ufer der oberitalienischen Seen werden
nun, leichter erreichbar, noch mehr als bisher Zielpunkte der Vergnügungs-
reisenden werden. Noch höher steht die Bedeutung unseres Schienenweges
für den Handels- und Postverkehr. Die Gotthardbahn ist die gerade
Verbindungslinie zwischen den Häfen der Nordsee, den gewerbereichen
Rheinlanden, Baden und Württemberg, den bedeutendsten Plätzen der
Schweiz einerseits und der lombardischen Tiefebene und dem größten
italienischen Mittelmeerhafen, Genua, anderseits. Wie einst der Gotthard-
paß infolge seiner vorteilhaften Lage alle andern Alpenpässe an
Bedeutung überflügelte, so bildet auch die durch die Tiefe des
Gebirges führende Gotthardbahn eine belebte und dabei in allen Jahres-
zeiten sichere Handelsstraße zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer,
zwischen Deutschland und Italien.
215. Eine Pußtafahrt.
Brief Bismarcks an seine Gemahlin.
Szolnok, 27. Juni 1852.
In den vorhandenen Atlanten wirst Du eine Karte von Ungarn
finden, auf dieser einen Fluß Theiß, und wenn Du dann über Szegedin
hinaus nach der Quelle suchst, einen Ort Szolnok. Ich bin gestern
mit der Eisenbahn von Pest nach Alberti-Josa gefahren. Der Ort
liegt am Rande der ungarischen Steppen zwischen Donau und Theiß,
welche ich mir spaßhalber ansehen wollte. Man ließ mich nicht ohne
Eskorte reisen, da die Gegend durch berittene Räuberbanden, hier
Betyaren genannt, unsicher gemacht wird.
Nach einem reichlichen Frühstück unter dem Schatten einer Schön-
hausischen Linde bestieg ich einen sehr niedrigen Leiterwagen mit Stroh-
säcken und drei Steppenpferden davor, die Ulanen luden ihre Karabiner,
saßen auf, und fort ging's in sausendem Galopp: Hildebrand und ein
ungarischer Lohndiener auf dem Vordersack und ein Kutscher, ein
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde]]
TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer]]
nennen. Das public house ersetzt in den vereinigten drei König-
reichen und über die ganze angelsächsische Welt (Nordamerika
eingeschlossen) unser Wirtshaus. Der wesentliche Unterschied ist,
daß man im „Pub.“ nicht an Tischen sitzt und sein Getränk gemächlich
zu sich nimmt, sondern daß man es stehend vor einer „bar“ genießt.
Gegen die Trunksucht versucht das Gesetz von allen Seiten
vorzugehen. Für das englische öffentliche Leben ist wohl die ein-
schneidendste Maßregel die Bestimmung, daß alle Restaurationen
an den gewöhnlichen Wochentagen 121/2 Uhr nachts, am Sonnabend
um 12 und am Sonntag um 11 Uhr geschlossen werden müssen.
London an der Themse liegt um 1 Uhr nachts schweigsam und
menschenleer da. Seine Bewohner schlafen. Auch die Eisenbahn-
stationen und alle anderen öffentlichen Verkehrsanstalten sind ge-
schlossen: schwer ist es, in den meisten Stadtteilen, nach 1 Uhr
und an den Sonntagen nach 11 Uhr auch nur eine Droschke zu
finden. Dies ist hier und da unbequem; aber, daß die Fahlwangigkeit
hier fast ganz fehlt, daß die Gesichtsfarbe der Großstädter sich
nicht wesentlich von der der Landleute unterscheidet, das dankt
England sicherlich zum wesentlichen dieser klugen Selbst-
beschränkung in der freien Benutzung seiner Nachtstunden.
Will man den Hafen Londons kennen lernen, so löse man sich
bei London Bridge eine Fahrkarte auf einem Vergnügungsdampfer
und mache die Fahrt nach Greenwich und darüber hinaus bis zu
der Mündung der Themse. Da erhält man eia lebhaftes Bild von
dem riesenhaften Schiffsverkehr dieses Stromes. Oder noch bequemer,
man setze sich an einen der Fenstertische des Ship in Greenwich
und lasse sich eines der weltberühmten Fischgerichte reichen. Da
kann man, je nach Ebbe und Flut, den ganzen großartigen Transport
stromab- und stromaufwärts unmittelbar an sich vorübergleiten sehen.
Alle Flaggen der Welt sind vertreten, am zahlreichsten natürlich
der Union Jack, und alle Schiffstypen vom gewaltigen Ostindienfahrer
bis zum kleinen Nordseecoaster und bis zur Fischereiflotte der
Küsten mit ihren braungeteerten Segeln.
Die englische Arbeitszeit an den Wochentagen, außer Sonn-
abends, ist von 6 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags; an den
Sonnabenden aber nur bis 2 Uhr nachmittags. Während dieser
Stunden hat der Arbeiter zwei Erholungspausen, von 8 bis 8^ Uhr
für sein Frühstück Und von 12 bis 1 Uhr für sein Mittagessen. Dies
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober]]
TM Hauptwörter (200): [T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Ortsnamen: Nordamerika England Londons London
445
Weidetiere machen ihm im Sommer das Leben leicht; hart aber drückt
der Winter, wo er rudelweise jagt und der Schrecken der Steppen-
bewohner wird.
Als Weidetiere spielen Pferde, Rinder und Schafe die
Hauptrolle. Hier ist die Heimat der berühmten Kosakenpferde. Sie
werden für die Abkömmlinge jener Pferde gehalten, aus denen einst
die Hunnen und andere asiatische Völker nach Europa hereinkamen.
Sie eignen sich besonders zum Reiten und zum Ziehen leichter Wagen,
wogegen man den Pflug und den Lastwagen nur durch Ochsen ziehen
läßt. Die Zahl der Pferde muß im Lande der Kosaken, welche dem
Staate fast nur als Reiter dienen, naturgemäß sehr groß sein; weit
größer aber ist die Zahl der Rinder und diejenige der Schafe. Das
Steppenrind wird nicht wegen der Milch gehalten, sondern findet als
Schlacht- und Zugtier Verwendung. Das nördliche Rußland wird von der
südlichen Steppe her mit lebendem Fleische versorgt, und fortwährend
sind gewaltige Herden von Schlachtvieh auf den Straßen nach dem
Norden zu unterwegs. Große Mengen von Rindern und Schafen werden
auch in die Schlächtereien getrieben, welche vielfach über die Steppe
zerstreut liegen. Besonders die Fettschwanzschafe liefern viel Fleisch und
Talg. Für die Produkte der Schlächtereien (Häute, Fleisch, Talg) und
der Steppe überhaupt sind gute Absatzwege vorhanden: große, schiffbare
Ströme, nahe Meere und neuerdings geradlinige Eisenbahnen, deren
Herstellung, abgesehen von den ausgedehnten Brückenbauten, wenig
Kosten verursacht.
238. Der Winter in Petersburg.
August Wilhelm Grube.
Im Zahre 1836 im Monate Dezember warf jemand in Moskau
eine Apfelschale zu einem kleinen Luftfenster hinaus. Diese langte nicht
auf der Straße an, sondern blieb zufällig auf dem Rande der Fenster-
brüstung hängen und fror hier sogleich fest an. Sechs Wochen
hindurch sah man diese Apfelschale steif gefroren über dem Abgrunde
schweben, ohne daß auch nur ein einziges Mal eine warme Witterung
sie erweicht hätte. Endlich, Ansang Februar, sechs Wochen und drei
Tage, nachdem sie zum Fenster hinausgeworfen war, taute sie beim
warmen Sonnenschein auf und siel, ihren vor sechs Wochen begonnenen
Sturz vollendend, auf die Straße hinab. — Gewiß ein anschaulicher
TM Hauptwörter (100): [T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
118
102. Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser.
1. Konrad Balding war der Sohn eines Predigers in einer kleinen
Stadt in Hessen. Er hatte sehr srüh Vater und Mutter verloren; ein
Onkel nahm die arme Waise in sein Haus und seine Pflege. Der Knabe
zeigte viele Anlage, seine Lehrer ermunterten ihn zum Studium. Der
Onkel, so unvermögend er auch selber war, stimmte im Vertrauen auf
Gottes Durchhilfe in den Wunsch der Lehrer ein, und so trat Konrad
mit dem lebendigsten Eifer den Weg der wissenschaftlichen Ausbildung an.
Die gewöhnlichen Schulstudien waren bald vollendet, Konrad konnte mit
Ehren zur Universität entlassen werden. Kurze Zeit darauf starb der
Onkel plötzlich; sein geringer Nachlaß gehörte den unmündigen Kindern;
für den armen Konrad war nichts geblieben als etliche Goldstücke, welche
der Onkel bei seinen Lebzeiten zu Weihnachten und zum Geburtstage seinem
Neffen geschenkt hatte. Konrad weinte am Sarge seines guten Oheims
heiße Tränen, aber nicht Tränen der Sorge, sondern der dankbaren Liebe
und kindlichen Treue gegen den väterlichen Freund.
Nach dem Begräbnis kehrte er nach der Universität zurück. Er ver-
doppelte seinen Fleiß, während er zugleich seine schon vorhin sehr mäßigen
Ausgaben auf die Hälfte heruntersetzte. Bei aller Sparsamkeit aber sah
er sein ererbtes Geld rasch schwinden, und seine Universitätsstudien waren
noch lange nicht beendet. Dennoch behielt er guten Mut; denn er hatte
früh gelernt, auf Gott zu vertrauen.
2. Da wurde er von seinem Paten, dem Lehrer seines Geburtsortes,
auf wohlhabende Verwandte in Holland aufmerksam gemacht. „Warum,"
so fragte dieser alte Freund Konrad, als letzterer ihn einst besuchte,
„warum entschließen Sie sich nicht zu einer Reise nach Holland? Sie
wissen, daß Ihr Großvater eine Zeitlang in Amsterdam gewohnt hat,
und ich weiß es aus Ihres seligen Vaters Munde, daß dort noch sehr
wohlhabende Verwandte von Ihnen leben. Was wäre es für einen von
diesen, Ihnen das Wenige zu geben, was Sie zur Vollendung Ihrer
Studien noch brauchen?" Der Jüngling ging auf den Vorschlag ein
Der Lehrer brachte ihn auf einem kleinen Bauernwagen bis an den
Rhein, verschaffte ihm auf einem Kornschiffe, das nach Rotterdam fuhr,
einen Platz, versorgte ihn mit einigen Lebensmitteln und selbst mit etwas
Geld und wünschte ihm mit herzlichem Händedruck Glück und Segeu zu
seiner Reise. In Rotterdam handelte ihm der Schiffer einen Platz in
einem wohlfeilen Fahrzeuge aus, das schon am nächsten Tage seine Fahrt
nach Amsterdam antrat.
3. Schon in Rotterdam hatte sich Konrad nach den noch in Amster-
dam lebenden Verwandten erkundigt und erfahren, daß sein mütterlicher
Oheim, ein älterer Stiefbruder seiner Mutter, zwar längst gestorben, daß
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Extrahierte Personennamen: Konrad_Balding Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad Konrad
Extrahierte Ortsnamen: Hessen Gottes Holland Holland Amsterdam Rhein Rotterdam Rotterdam Amsterdam Rotterdam Amster-
- 277
darstellt als noch regierende Herrin über Meere und Kolonien, wahrend
Venedig eine stolze Mumie ist.
Gegen sechs Uhr ging ich die ziemlich schmale, alte Warmoesstraat
hinauf und stand an ihrem Ende ungesucht dem „Dam" gegenüber. Dieser,
ein freier Platz, ist der Mittelpunkt der Amstelstadt; er sieht vornehm
und doch heiter in die Welt.
Das Königliche Palais, die Börse, die „neue Kirche" sind seine Haupt-
figuren. Vor allem fällt das Palais ins Auge, ein mächtiger, ernster Bau,
gleich nach dem Westfälischen Frieden mit einem Aufwand von 8 Millionen
Gulden durch Jakob van Kämpen erbaut.
Die Börse gleicht, entsprechend ihrem Gotte, einem antiken Tempel;
ihre Vorhalle ruht auf stattlichen ionischen Säulen. Aber sie ist verein-
samt; die Börsenstunden sind vorüber. Damit des Jahres wenigstens
einige Zeit ungetrübte Heiterkeit in diese, der größten menschlichen Leiden-
schaft dienenden Hallen käme, hatten die kleinen Buben von Amsterdam
zur Zeit der seit 1876 aufgehobenen Kirmetz das Recht, in der Börse Spiel
und Tumult aufzuführen. Sie zogen dann den ganzen Tag mit Trommeln
und Pfeifen darin herum und spektakulierten.
Man kann nicht ungestört auf diesem Dam auf- und niedergehen; eine
Menge von Geschäftsvermittlern, Stiefelwichsern und Fremdenführern, fast
durchweg Juden, belästigt einen unaufhörlich mit neapolitanischer Zudring-
lichkeit und Zähigkeit. Von Bettlern wird man in Holland noch weniger be-
lästigt als in Belgien; in einzelnen Städten sind aber die obigen Kerls weit
widerwärtiger als der Bettler, der von dannen geht, wenn er seine Gabe hat.
Was ich auf dem Dam noch bemerkte, waren Buben von kaum sechs
Jahren, die Zigarren rauchten mit einer holländischen Unverfrorenheit, als
hätten sie Schwarzbrot zwischen den Zähnen. Doch da bei den Holländern
alles und überall raucht, so mutz es den Alten nicht auffallen, wenn die
Jungen schon beizeiten zu zwitschern anfangen. . . .
2. Am nächsten Morgen beschloß ich, einen Ausflug aufs Land zu
machen. Ich verfügte mich deshalb um 8 Uhr schon nach dem „Westerhoofd",
wo die kleinen Dampfer nach Alkmaar, Zaandam, Purmerende und Hoorn
ihre Station haben, und fuhr mit dem Alkmaarer Boot das „P" hinauf.
Hatte schon bei der Einfahrt am gestrigen Abend Amsterdam mich hoch-
auf befriedigt, so strahlte es heute als schöne Stadt in wahrem Glanze,
da ich vom „P" aus auf dasselbe zurückschaute. Ich kenne wenige Städte-
bilder, die mit diesem Anblick sich messen könnten. Unmittelbar vor sich
hat das Auge den vom „P" gebildeten Hafen und die Mastenwälder der
vor Anker liegenden Schiffe; dahinter breitet sich die 30000 Häuser zählende
Stadt aus in Gestalt eines Bogens, während ihre zahlreichen Kirchtürme
majestätisch das Ganze überragen. Heute gab eine milde Septembersonne
noch ihren Glanz dazu und erhöhte die Pracht der herrlichen Amstelstadt.
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Extrahierte Personennamen: Jakob_van
Extrahierte Ortsnamen: Amsterdam Holland Belgien Zaandam Amsterdam